Getötete Ukrainerinnen: Lebenslange Haftstrafen gefordert

Sie sollen zwei Frauen brutal ermordet haben, um ein Kind zu entführen und als ihr eigenes auszugeben. Nun neigt sich der Prozess gegen ein Paar aus Sandhausen seinem Ende entgegen.

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Agnes Polewka
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Die Heidelberger Rechtsanwälte Jörg Becker und Sandra Bauer, Verteidiger der beiden Angeklagten, zu Beginn des Prozesses Anfang Januar. © Uwe Anspach/dpa

Rhein-Neckar. Als sich am Freitag einer der aufsehenerregendsten Prozesse, die die Rhein-Neckar-Region in den vergangenen Jahren zu beklagen hatte, seinem Ende zuneigt, ist international und national schon viel über die Angeklagten geschrieben worden. Über Marco und Ina O., ein Ehepaar aus Sandhausen, das zwei geflüchtete Ukrainerinnen brutal ermordet haben soll, eine Mutter und ihre erwachsene Tochter, die gerade selbst Mutter geworden war, und auf deren Baby es das Ehepaar abgesehen haben soll – offenbar, um es als eigene Tochter auszugeben.

Seit Anfang Januar müssen sich beide wegen Mordes und der Entziehung Minderjähriger vor dem Landgericht in Mannheim verantworten. Ihre Chats, in der sie die Tat akribisch planten, haben Schlagzeilen gemacht, und auch die Genese ihrer Obsession, unbedingt eine gemeinsame Tochter großziehen zu wollen – das Paar hat bereits einen gemeinsamen Sohn sowie Kinder aus früheren Beziehungen.

Weniger bekannt ist dagegen die Geschichte, die Rechtsanwalt Thomas Franz aus Ketsch am Freitag im Sitzungssaal 1 des Mannheimer Landgerichts erzählt. Sie handelt von seiner Mandantin, „einer jungen mutigen Studentin“, die am 6. März 2024 zum letzten Mal Kontakt zu ihrer Mutter gehabt habe. Die 20-Jährige habe sich Sorgen gemacht, weil sie danach niemanden mehr erreichen konnte. Ihre Mutter nicht, und auch ihre Schwester nicht.

Anwalt der Nebenklägerin zeichnet die Monate nach der Tat nach

Sie machte sich aus der Ukraine auf den Weg nach Deutschland, wohin ihre Mutter und ihre Schwester vor dem Krieg geflüchtet waren, „und ahnte nicht, dass sie das Land erst Ende Juni wieder verlassen würde“, sagt Franz in seinem Schlussvortrag. In einem Lkw voller Habseligkeiten ihrer Angehörigen, ihre kleine Nichte im linken Arm und die Urnen ihrer Mutter und ihrer Schwester im rechten.

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Thomas Franz zeichnet in seinem Plädoyer die Monate seiner Mandantin in Deutschland nach. Er spricht darüber, wie sie ihre kleine Nichte kennenlernte, unterstützt von der Pflegefamilie, in der das Kind untergebracht war, und über die bürokratischen Hürden, die sie nehmen musste, bis sie das Sorgerecht bekam. Franz spricht aber auch darüber, wie die 20-Jährige an den Ort kam, an dem ihre Mutter starb.

Ihr Leben endete an einem Baggersee in Bad Schönborn, dort zerrte Marco O. die bewusstlose 51-Jährige laut Staatsanwaltschaft mit einem Drahtseil um den Hals in das Gewässer. Zuvor sollen er und seine Frau die Ukrainerin sediert haben, dann soll Marco O. der Frau mehrere Hammerschläge gegen den Kopf verpasst haben. Als er sie ins Wasser ließ, soll die Frau bewusstlos gewesen sein, aber noch gelebt haben.

Staatsanwaltschaft beantragt Feststellung der besonderen Schwere der Schuld

Während die 51-Jährige im Wasser ihren Tod fand, ging der Leichnam ihrer 27 Jahre alten Tochter in Flammen auf. Noch in derselben Nacht holten Ina und Marco O. laut Staatsanwaltschaft die jüngere Frau in der Flüchtlingsunterkunft in Wiesloch ab, in der sie lebte – unter dem Vorwand, sie zu ihrer Mutter ins Krankenhaus zu bringen, die einen Herzinfarkt erlitten habe. Zuvor waren das Paar und die Frauen – so die Ausführungen der Staatsanwaltschaft – gemeinsam essen. Anschließend stießen sie auf Marco O.s Wohl an, denn er hatte Geburtstag.

Was die Frauen nicht ahnten: Der Saft, mit dem sie einander zuprosteten, war mit Medikamenten versetzt. Und die führten dazu, dass die Ältere der beiden sich schon bald unwohl fühlte. Das Paar aus Sandhausen soll vorgegeben haben, sie in ein Krankenhaus zu bringen, um die Frauen zu trennen. Um dann – laut Anklage – eine nach der anderen zu töten.

Mit der 27-Jährigen sollen sie an die Nato-Rampe am Rhein nach Hockenheim gefahren sein, wo Marco O. laut Staatsanwaltschaft wieder mehrere Male mit dem Hammer zuschlug. Laut dem rechtsmedizinischen Gutachten waren die Verletzungen so schwer, dass die junge Frau starb, bevor Marco O. ihren Leichnam angezündet haben soll.

Oberstaatsanwältin Katja König rekonstruiert am vorletzten Prozesstag detailgetreu, wie Ina O. das Vertrauen der 27-Jährigen gewann, die in einer Telegram-Gruppe jemanden gesucht hatte, der ihr mit Übersetzungen helfen könnte – bei Arztbesuchen und rund um die Geburt ihrer Tochter. Und sie spricht über die Tat und die Vorplanungen dazu, die weitgehend Ina O. erledigt haben soll, während ihr Mann für „das Grobe“ zuständig gewesen sei. Bereits in den Monaten zuvor sollen sie Krankenhäuser und Privatadressen frischgebackener Eltern ausgespäht haben – auf der Suche nach einem neugeborenen Mädchen.

Angeklagte sprechen über Reue, alten Schmerz und große Verluste

König fordert in ihrem Plädoyer eine lebenslange Freiheitsstrafe für die Angeklagten und beantragt die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Sollte das Schwurgericht dem folgen, scheidet eine Entlassung nach 15 Jahren aus der Haft aus. Die Heidelberger Verteidiger des Paares – Rechtsanwalt Jörg Becker und Rechtsanwältin Sandra Bauer – beantragten eine Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe, allerdings ohne die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Ihre Mandanten haben zu Beginn des Verfahrens die Tat eingeräumt.

Ganz am Ende des vorletzten Verhandlungstages spricht Marco O. noch einmal darüber, wie sehr er die Tat bereut und darüber, dass er sich selbst nicht erklären kann, wie es dazu kommen konnte. Danach spricht seine Frau über den vielen Schmerz, über die Verluste lieber Menschen in ihrem Leben und ihre Fehlgeburt, die ihr den Boden unter den Boden weggezogen habe. Sie habe die Tat zunächst begehen wollen, sagt sie. Aber später, als es ernst wurde, nicht mehr. Da habe ihr Mann den Mord an den Frauen forciert. Hätte sie aber stärker interveniert und aufgehört, „dann hätte die kleine Mia ihre Mutter und meine Kinder ihre“, sagt sie. Ein Urteil in dem Prozess soll am Montag, 10. Februar, um 14 Uhr fallen.

Redaktion

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