Bruchsal/Germersheim. Er hat zwei Menschenleben auf dem Gewissen, gilt als Vergewaltiger und Räuber. Die Flucht des verurteilten Mörders Aleksandr Perepelenko bei einer geplanten Ausführung aus der Justizvollzugsanstalt Bruchsal beschäftigt seit Ende Oktober die Ermittlungsbehörden. Bei einer Regierungsbefragung im baden-württembergischen Landtag nannte Justizministerin Marion Gentges (CDU) am Mittwoch auf Nachfragen der SPD-Fraktion neue Details.
Diese Situation nutzte Perepelenko für die Flucht
Nach den bisherigen Erkenntnissen, die seitens der JVA übermittelt worden seien, gelang dem 43-jährigen Deutsch-Kasachen bei dem begleiteten Ausgang mit seiner Frau und zwei Kindern am Sollachsee in Germersheim die Flucht, als er mit einem Spielzeugflugzeug spielte. "Diese Situation hat er genutzt, um wegzulaufen", so Gentges.
Die zwei JVA-Bediensteten hätten ihn nicht mehr aufgreifen können. Die Schlussfolgerung der Ministerin ist, dass die Justizvollzugsbeamten "nicht nahe genug am Gefangenen dran waren, um ihn noch zu erreichen", sagt sie. Die möglichen Fehler seien jedoch Gegenstand laufender Disziplinarverfahren, die noch nicht abgeschlossen seien.
Ministerin bestätigt Baumarkt-Besuch Perepelenkos vor seiner Flucht in Germersheim
Medienberichte, wonach der Gefangene mit den JVA-Bediensteten bei dem Ausgang auch einen Baumarkt aufgesucht hatte, bestätigt Gentges. "Nach Informationen der JVA wurde dort kurz etwas eingekauft. Die beiden Bediensteten haben jedoch angegeben, dass sie ständig und unmittelbar an dem Häftling dran gewesen seien. Sie können ausschließen, dass dort ein Werkzeug gekauft oder entwendet wurde", sagt sie. Mit einem solchen hatte Perepelenko kurz nach seiner Flucht in dem Naherholungsgebiet nämlich seine elektronische Fußfessel durchtrennt.
Ein Mithäftling warnte die JVA bereits 2021 über Fluchtgedanken
Offenbar scheint es auch zu einem früheren Zeitpunkt bereits Warnhinweise eines Mithäftlings von Perepelenko gegeben zu haben, die auf mögliche Fluchtgedanken schließen ließen. "Im Oktober 2021 hat ein Mitgefangener sich gemeldet. P. habe ihm gegenüber geäußert, dass es wohl am einfachsten sei, bei einer Ausführung zu flüchten", berichtet Gentges. Insbesondere dann, wenn eine Justizvollzugsbeamtin zur Bewachung dabei sei.
Auch habe Perepelenko den Mitgefangenen gebeten, ihm einen Ausweis anzufertigen. "Die JVA hat diese Angaben geprüft, aber als nicht glaubwürdig eingestuft", so die Justizministerin. Der Mitgefangene habe sich bei den Ausführungen in Widersprüche verstrickt.
Vorsorglich seien bei den vier folgenden Ausführungen Perepelenkos jedoch immer drei JVA-Bedienstete zur Sicherheit mitgekommen. Im Mai habe es dann den ersten Ausgang mit wieder nur zwei Bewachern gegeben, nachdem es "keine Beanstandungen" gegeben habe.
LKA geht derzeit rund 80 Spuren und Hinweisen nach
Gentges weist nochmals darauf hin, dass die Justiz verfassungsrechtlich zu den Ausführungen verpflichtet sei. "Jede dieser Ausführungen ist mit einem gewissen Risiko verbunden", betont sie. Mit den Erkenntnissen aus diesem Fall wolle man nun dafür sorgen, dass die Risiken soweit es geht minimiert werden. Gentges habe eine eine Prüfung angeregt, die Fußfessel noch sicherer zu gestalten. Auch über die Form der Ausführungen und insbesondere die Örtlichkeiten müsse man sich nochmals intensiv unterhalten.
Perepelenko, der wegen Mordes an einem 44-jährigen Ukrainer in der JVA Bruchsal einsaß, ist seit 30. Oktober auf der Flucht. 2003 wurde er bereits wegen Totschlags verurteilt. Das LKA gehe derzeit rund 80 Spuren und Hinweisen nach, so Gentges. Weitere Aussagen könne sie nicht tätigen, damit Fahndung und Ermittlungen nicht gefährdet werden.
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