Verkehr

Ein Jahr Deutschlandticket: Warum nutzen VRN-Kunden ihr Smartphone so wenig?

Als er vor einem Jahr eingeführt wurde, war der Abo-Fahrschein für 49 Euro auch in der Region eine Revolution. Der Verkehrsverbund hat aber weiterhin Zweifel, ob das der richtige Weg ist. Diese Sache beschäftigt die Chefs

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Stephan Alfter
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Im Gegensatz zu 73 Prozent der Nutzer des Deutschlandtickets haben Christian Volz (v.l.), Christian Specht und Michael Winnes ihren Fahrschein auf dem Handy. © S. Alfter

Rund 365 000 Menschen sind im Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) nach neuesten Zahlen mit einem Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro unterwegs. Ob das eine gute Nachricht ist? Auch mit dieser Frage setzte sich am Montagmorgen ein Teil der Führungsriege des VRN auf einer Pressekonferenz in Halle 35 des Maimarkt-Geländes auseinander. Vor fast exakt einem Jahr kam dieses die Tarifgrenzen überschreitende Billett auf den Markt, danach war vieles nicht mehr so, wie es vorher war. Wachsende Nutzerzahlen stießen auf eine sichtbar marode Infrastruktur.

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Neben allerlei anderen negativen Eindrücken erwies sich als Fakt, dass nur ein auffallend geringer Anteil der eingangs genannten Kunden ihr Deutschlandticket als Fahrschein auf dem Smartphone speichert. Stattdessen steckt es - das lässt sich oft beobachten - bei vielen Nutzern in der Handy-Hülle auf der Rückseite des Smartphones. Lediglich 27 Prozent verzichten bis heute auf eine Plastik-Chipkarte und damit auf einen großen Verwaltungsaufwand beim VRN. Ein anderes Thema ist die nicht besonders ausgeprägte Nachhaltigkeit, die in einer Plastikkarte steckt: Wer sein Abo beendet, wirft sie weg. Wer ein neues Abo abschließt, bekommt eine neue. Ein Bahnticket auf dem Handy? 73 Prozent der Abonnenten sagen dazu noch immer „Nein“.

Nur 27 Prozent laden ihren Fahrschein auf das Smartphone

Christian Specht, in Personalunion VRN-Vorsitzender und Mannheimer Oberbürgermeister, sieht darin auch ein gesamtgesellschaftliches Problem: Die Bereitschaft zur Digitalisierung, sagt er, sei nicht besonders hoch. Er sieht Berührungsängste, vor allem bei älteren Menschen. Dass Deutschland beim Thema Digitalisierung generell nicht unter denen ist, die vorne wegrennen, beweist sich also auch hier. Die oft gescholtene Politik ist hier womöglich weniger der Hemmschuh als die Veränderungsträgheit, die in vielen Bevölkerungsschichten weiterhin vorherrscht. Die Frage ist, ob sich das ändern ließe, wenn die Plastikkarte einfach fünf Euro teurer wäre als das Smartphone-Ticket.

Kurz-Bilanz von VRN-Nextbike

Rekordjahr 2023: über 1,36 Millionen Ausleihen

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Anzahl der Räder auf über 2 500 aufgestockt

14 neue Stationen im 1. Quartal

Mannheim-Feudenheim und Seckenheim neu angebunden

Ausbau auch in Lindenhof, Oststadt und Waldhof

Heidelberg: zu bestehenden 54 Stationen kommen weitere – etwa im Neuenheimer Feld

Ludwigshafen: ab sofort stehen 53 Stationen zur Verfügung

je zwei Lastenräder für Ladenburg und Dossenheim. sal

Apropos Trägheit: Mit der Einführung des Deutschlandtickets sollte sich auch der Gedanke einer nun an Fahrt aufnehmenden Verkehrswende in die Köpfe der Menschen pflanzen. Nach allem, was man jetzt weiß, ist der Effekt, Leute aus dem Auto beispielsweise in die S-Bahnen zu locken, nur bedingt erfolgreich. Die Statistik drückt für das gesamte Bundesgebiet aus, dass sich der Anteil der Neukunden nur im Bereich von rund acht Prozent bewegt. Die übrigen 92 Prozent haben sich also schon vor der Existenz des Deutschlandtickets irgendwie im ÖPNV-Kosmos herumgetrieben. Sie haben es nun leichter - jedenfalls, wenn die S-Bahn oder der Bus auch kommt.

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Christian Volz, kaufmännischer Geschäftsführer bei Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), hat obendrein festgestellt, dass langsam eine gewisse Sättigung eintritt und neue Kunden deutlich langsamer zu gewinnen sind als zu Beginn der Umstellung auf das Deutschlandticket. Für den VRN mit Geschäftssitz in Mannheim ist das Deutschlandticket auch nach Darstellung von Geschäftsführer Michael Winnes kein herausragender Coup. Seine Befürchtung, die sich auch schon bewahrheitet, ist unter anderem, dass die niedrigen Ticketpreise ihre Wirkung beim Infrastrukturausbau hinterlassen, weil im Gesamtsystem Geld fehle. „Die Preisgestaltung des Deutschlandtickets ist der falsche Ansatz“, ist er mit seinem Vorsitzenden Specht einer Meinung. Rund 3,8 Milliarden habe den Bund das Ticket gekostet - und das für rund acht Prozent neue Kunden. Aus Spechts Sicht keine optimale Bilanz.

Umstellung von Dieselbussen auf Wasserstoff scheitert am Geld

„Die aktuelle Unterfinanzierung und der Mangel an einem robusten rechtlichen Rahmen gefährden die nachhaltige Entwicklung unseres Verkehrssystems“, befürchtet Michael Winnes. Es sei entscheidend, dass die Bundesregierung nicht nur Fördermittel bereitstelle, sondern auch langfristige Unterstützung sichere. Es geschehe aber das Gegenteil, wie ein Beispiel in Südhessen zeige, das Winnes skizzierte. Die Förderung von Elektrobussen wurde aufgrund der Schuldenbremse gestoppt. Dasselbe gilt für die Förderung der Wasserstofftechnik. Das hat nun unmittelbare Folgen für den Verbundverkehr. Weil eine zunächst geplante Förderung einer Wasserstofftankstelle in Heppenheim ausbleibe, habe der VRN gemeinsam mit dem Kreis Bergstaße in letzter Minute die Umstellung des Linienbündels Odenwald Mitte von Dieselbussen auf klimafreundliche Wasserstoffbusse aufgeben müssen.

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Das Credo, das der VRN seit langer Zeit vertritt, bildete somit auch am Montag auf dem Maimarkt den Rahmen. Vor der Einführung eines derart verbilligten Tickets hätte man den Ausbau der Infrastruktur angehen müssen - der umgekehrte Weg zeigt inzwischen Schwächen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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