Könnten diese Rebstöcke sprechen, sie würden vermutlich - wie alle, die viel erlebt haben - von den alten Zeiten berichten. Etwa von den politischen Wirrungen kurpfälzischer Herrschaft zwischen Heidelberg und dem heutigen Frankreich. Oder vom Vorabend des 30-jährigen Krieges, der seit 1618 auch die Rheinebene ereilte. Oder von Pestwellen, die diesen Landstrich ebenfalls heimsuchten. Diese knorrigen Weinreben, die leicht geduckt am Ortseingang von Rhodt unter Rietburg an der Deutschen Weinstraße stehen, haben all das überlebt. Auf bis zu 400 Jahre schätzt man das Alter der einzelnen Zöglinge, deren feinste Wurzelverästelungen wohl bis zu 25 Meter tief in pfälzischer Erde stecken. So erzählt es Pascal Oberhofer - von Beruf Winzer. Bis heute erblüht dieser Weinberg jedes Jahr aufs Neue und auf unerklärliche Weise werden seine Träubchen immer wenige Tage vor allen anderen reif.
Gewürztraminer Rhodter Rosengarten entsteht aus den Reben des Weinbergs
Pascal Oberhofer ist nicht 400, sondern 29 Jahre alt. Mit seiner Familie bewirtschaftet er den ältesten Weinberg der Welt, der noch immer Ertrag bringt - wenn auch nicht in rauen Mengen. 70 Liter Traubenmost quetschten die Oberhofers in diesem Herbst aus den Trauben, die an den 300 Stöcken hängen. Daraus keltern sie einen bekömmlichen Gewürztraminer mit dem klingenden Namen Rhodter Rosengarten. 50 bis 300 Liter - je nach äußerlichen Einflüssen - kamen in den vergangenen Jahren zusammen. Nicht alle Beeren waren freilich jeweils brauchbar, um daraus einen guten Wein zu formen, aber die mit Hand gepflückten Trauben sind ein kleines Wunder an sich. Manchmal jedoch kommt es bei widrigen Bedingungen dazu, dass ein Jahrgang mal ausfällt. Zuletzt geschehen 2015. „Es ist schwierig, eine gute Traubenqualität zu erzielen“, gibt Oberhofer zu.
Da in den 60er Jahren, als der Zeitgeist vieles auf Links drehte, niemand im Ort so richtig wertzuschätzen wusste, was der verkaufswillige Besitzer des alten Weinbergs dort anbot, lief dieser Genosse Weinbauer, angeblich verärgert, zu Fuß nach Edesheim und bot - der Legende nach - dem ersten Edesheimer Winzer, den er traf, die 300 Rebstöcke zum Kauf an.
Nun kann man viel behaupten - und ein ganz klein wenig ist es mit dem ältesten Weinberg vielleicht so wie mit dem Dürkheimer Wurstmarkt, der sich jedes Jahr damit brüstet, das größte Weinfest der Welt zu sein. So lange sich niemand meldet, der einen älteren Weinberg oder eben ein größeres Weinfest kennt, so lange gilt die These, die durch alte Kirchenbücher zumindest in Teilen gestützt ist. Der Rest ist mündliche Überlieferung - „oral history“, wie das nun oft heißt. Ernst Büscher, Pressesprecher beim Deutschen Weininstitut (DWI), sagt jedenfalls: „Es gibt durchaus vereinzelte Rebstöcke, die älter als 400 Jahre sind, aber das sind nur einzelne Rebstöcke und kein ganzer Weinberg.“
Rhodter Rosengarten
- Das Produkt aus dem ältesten Weinberg der Welt heißt Rhodter Rosengarten. Dabei handelt es sich um einen Gewürztraminer.
- Abgefüllt ist der Wein in einer 0,375-Liter-Flasche. Jede einzelne ist nummeriert. Im vergangenen Jahr gab es exakt 194 davon. Sie kostet 139 Euro.
- Die Flasche kommt in einer Verpackung daher, die dem Designer 2018 einen Reddot-Award einbrachte und 2019 einen German Design Award.
Wie der Weinberg in den Besitz der Oberhofers kam, ist eine fast typisch pfälzische Geschichte: Das Weingut hat seinen Sitz nämlich im auch wegen seines Schlosses bekannten Nachbarort Edesheim - und eben nicht in Rhodt, wo der Weinberg am Ortseingang liegt. Da in den 60er Jahren, als der Zeitgeist vieles auf Links drehte, niemand im Ort so richtig wertzuschätzen wusste, was der verkaufswillige Besitzer des alten Weinbergs dort anbot, lief dieser Genosse Weinbauer, angeblich verärgert, zu Fuß nach Edesheim und bot - der Legende nach - dem ersten Edesheimer Winzer, den er traf, die 300 Rebstöcke zum Kauf an. Dieser griff zu. Es war der Opa von Pascal Oberhofer.
Weinberg in Rhodt unter Rietburg hat im 19. Jahrhundert Reblaus-Katastrophe überlebt
25 Hektar bewirtschaftet das Weingut heute. Dagegen ist die 600 Quadratmeter große Fläche, die seit 1968 unter Naturschutz steht, verschwindend gering. Es ist auch nicht so, dass diese Zeilen bis heute total homogen sind. Es gibt auf der Fläche Reben, die deutlich jünger sind, räumt Oberhofer ein, fügt aber hinzu, dass die DNA der Stöcke erhalten bleibe. Immer wieder finden sich aber auch andere Rebsorten unter den Traminerweinstöcken. So wappnete man sich früher gegen Komplettausfälle bei der Ernte. Im 19. Jahrhundert soll der Weinberg eine Reblaus-Katastrophe überlebt haben. Die heutigen Besitzer erklärten das schon in der Vergangenheit damit, dass die Wurzeln aufgrund ihres Alters sehr tief in den Boden reichen und somit Zugriff auf viel Wasser haben.
Für seinen Traminer ist Rhodt schon seit Mittelaltertagen bekannt. Für den geneigten Kurpfälzer ist interessant, dass 1603 der Markgraf Ernst Friedrich von Baden den Ort erwarb. Rund 200 Jahre herrschten von da an die Badener im Ort, der durch den Weinhandel seine volle Blüte entfalten konnte und heute vielleicht eine der schönsten Dorfstraßen Deutschlands besitzt. Nicht zuletzt der bayerische König Ludwig I. wusste das zu schätzen. In Sichtweite des ältesten Weinbergs liegt folgerichtig die „Villa Ludwigshöhe“, die Sommerresidenz des einstigen Machthabers, der von Rhodt als der „schönsten Quadratmeile seines Reiches“ sprach.
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