Verkehr

Deutschlandticket: Anzahl der ÖPNV-Kunden in Rhein-Neckar-Region steigt

Trotz unzuverlässiger S-Bahn - der Verkehrsverbund Rhein-Neckar verzeichnet acht Wochen nach Einführung des Deutschlandtickets einen Abo-Zuwachs. Diesen Betrag sollen Studierende zukünftig zahlen

Von 
Stephan Alfter
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Klassische Verkehrsachsen geraten immer mehr unter Druck und sind sanierungsbedürftig. Die Ansprüche der Bahnkunden wachsen gleichzeitig. © Manfred Rinderspacher

Rhein-Neckar. Dass der S-Bahnverkehr im Rhein-Neckar-Verbund nicht wegzudiskutierende Schwächen in Sachen technischer und somit zeitlicher Zuverlässigkeit hat, mussten am Donnerstagvormittag ausgerechnet die Teilnehmer an einer Verkehrskonferenz im Mannheimer Stadthaus N1 am eigenen Leib erfahren.

Die S3 auf der Strecke vom südpfälzischen Germersheim ins kurpfälzische Mannheim ächzte am Morgen mal wieder. Die Smartphone-App der Bahn zeigte einen „Oberleitungsschaden“ zwischen Schifferstadt und Ludwigshafen als Grund an, während der Zugführer von einer Signalstörung auf Mannheimer Seite sprach. Wie so oft war klar: Nix Genaues weiß man nicht. Fest steht: Es herrschte Stau auf der Bahnstrecke.

Deutschlandticket: "Fluch und Segen"

Entsprechend brachte der eine oder andere Teilnehmer der Versammlung des Zweckverbandes Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) einige Minuten Verspätung mit in die Sitzung. Und schon war man mittendrin im wahrscheinlich heißesten Verkehrsthema dieses Jahres - dem Deutschlandticket. „Fluch und Segen“, wie Christian Specht, Vorsitzender des Zweckverbandes, eingangs sagte.

Eine erste vorsichtige Zwischenbilanz nach der Einführung jener de facto Tarifrevolution im Mai verband VRN-Geschäftsführer Michael Winnes mit der Erkenntnis, dass der Bahnkunde aus der Kurpfalz in punkto Affinität zu digitalen Produkten nicht zur Avantgarde gehört. Das bedeutet, dass die anfangs gar nicht unbedingt vorgesehene Chipkarte und das offenbar immer noch bei jedem zehnten Kunden beliebte Papierticket mittelfristig weiter nachgefragt sein werden.

Werbung am Frankfurt Hauptbahnhof für das 49-Euro-Ticket. © Sebastian Gollnow

Nur knapp die Hälfte der Deutschlandtickets existieren einer VDV-Marktforschungsstudie zufolge auf Smartphones. Die manchmal in Schlangen wartenden Kunden vor Verkaufstellen deuten darauf hin, dass der Online-Kauf einigen Menschen immer noch schwer fällt.

200 000 Jahreskarten umgestellt

Im Mittelpunkt stand beim Treffen der Mitglieder des Verkehrsverbunds acht Wochen nach Einführung der Tarifvereinfachung die Frage, ob sich in der Region Rhein-Neckar zusätzliche Menschen dazu entschlossen haben, öfter Bahn zu fahren und insofern ein „Flatrate“-Ticket zu erwerben?

Die Antwort heißt: ja. Der Verkehrsverbund verzeichnet ein Plus von zehn Prozent bei den Abos und hat insgesamt rund 200 000 Jahreskarten auf Deutschlandtickets umgestellt. Ob die zusätzlichen Abos tatsächliche Neukunden des ÖPNV sind, wisse man nicht ganz genau, so Winnes.

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Womöglich sind einige dieser Leute ja vorher mit Einzelfahrscheinen unterwegs gewesen und waren als Kunden einfach nicht personalisiert. In der VRN-App ist die Anzahl der Deutschlandticket-Besitzer in den vergangenen Wochen jedenfalls weiter gestiegen. Am 31. Mai waren es 3 800 Abonnenten, am 20. Juni 4 500. Aber: Durch die Möglichkeit, das Ticket monatlich zu kündigen, ergibt sich eine Statistik, die ein großes Kommen und Gehen, also eine hohe Volatilität nachweist.

Semesterticket für 29,40 Euro?

Zehn Prozent der Abonnenten in der App hätten zum Ende Juni wieder gekündigt. Aus Sicht von Winnes besteht Handlungsbedarf beim Einsatz für bundesweit einheitliche Regelungen. Allerorten entstehen nämlich gerade wieder regionale Besonderheiten, wie etwa Semester- oder Sozialtickets subventioniert werden oder wo welche Regelungen für die Mitnahme von Hund oder Fahrrad gelten. Das widerspricht dem Wunsch des Gesetzgebers nach den lange geforderten einfachen Strukturen.

Für Studierende gibt es nun den Vorschlag, allen einen Rabatt von 40 Prozent auf den Preis des Deutschlandtickets zu gewähren. Bliebe für die jungen Menschen ein Preis von 29,40 Euro pro Monat. Erfreulich: 1 300 Job-Ticket-Verträge mit Arbeitgebern sind in der Region fast vollständig auf das Deutschlandticket umgestellt worden. Deutschlandweit besitzen nun elf Millionen Menschen ein Deutschlandticket - also fast jeder achte Bürger.

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Stephan Alfter
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Schaut man sich die Marktforschungsstudie näher an, dann ist der Hauptgrund für den Kauf des Deutschlandtickets evident: 41 Prozent sagen, dass sie das Ticket wegen der deutschlandweiten Gültigkeit erworben hätten, für 36 Prozent ist der günstige Preis ausschlaggebend, 22 Prozent argumentieren mit dem Umweltschutz und immerhin 18 Prozent sagen, dass sie bewusst auf das Auto verzichten wollten.

Finanzierung noch nicht gesichert

Gegen das Ticket spricht der Studie zufolge für 41 Prozent, dass sie grundsätzlich keinen Bedarf hätten. 17 Prozent sagen, dass das Deutschlandticket mit 49 Euro zu teuer sei.

Zu teuer ist auch ein Stichwort, das politisch noch relevant werden könnte. Zwar würde wohl kaum jemand das Deutschlandticket im Spätjahr wieder abschaffen, aber bisher ist nicht geklärt, wer im Jahr 2024 den Rest bezahlt, wenn die Bundesregierung nur 1,5 Milliarden an Bundesmitteln zur Verfügung stellt, aber Mehrkosten in Höhe von drei Milliarden anfallen. Die Länder könnten das Ticket in Geiselhaft nehmen, wenn der Bund nicht nachschießt. Eine weitere offene Frage betrifft die Kontrollierbarkeit. In Bussen existieren keine Lesegeräte, die das Ticket auf dem Smartphone lesen können. Wer zahlt diese Beträge für die neuen Bordrechner in Zehntausenden Bussen?

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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