Berlin. Quer durchs ganze Land fahren - mit einem Ticket. Mit Bussen und Bahnen im Nahverkehr. Zum Job, zu Freunden oder in den Urlaub. Ohne komplizierte Tarifsuche. Das Prinzip kommt bei vielen gut an. Insgesamt haben bereits elf Millionen Menschen seit Mai das neue Deutschlandticket gekauft, das im Monat 49 Euro kostet, zieht der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, eine erste Bilanz.
Die große Mehrheit der Nutzer - 90 Prozent - sind frühere Abonnenten oder Nutzer von Zeitkarten, die zum neuen D-Ticket gewechselt sind, weil es für sie in der Regel günstiger ist. 18 Prozent davon entfallen auf Jobtickets. Aber es konnten auch acht Prozent neue Kunden gewonnen werden - insgesamt 880 000. „Die Einführung ist geglückt, aber wir werden noch besser werden müssen“, sagte Wortmann kritisch.
„Auf dem Land kaum genutzt“
41 Prozent der Nutzer schätzen vor allem die Einfachheit des Tickets, wie eine Umfrage des VDV unter 6000 Befragten ergeben hat. Man müsse nicht nachdenken, welchen Tarif man brauche. 36 Prozent begrüßen den günstigeren Preis im Vergleich zu anderen Abo-Angeboten der jeweiligen Tarifverbünde. 22 Prozent der D-Ticket-Käufer ist der Umweltschutz wichtig. 18 Prozent der Befragten gaben wiederum an, bewusst aufs Autofahren verzichten zu wollen.
49 Prozent haben das Deutschlandticket auf ihrem Smartphone, 37 Prozent auf der Chipkarte und elf Prozent nutzen es noch als Papierticket. Das große Problem bei der Popularität des D-Tickets ist vor allem der sehr ungleich ausgebaute Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). „Auf dem Land wird das Ticket kaum genutzt, weil es dort kein entsprechendes Angebot gibt“, so Wortmann. „Wir brauchen ein Mehrangebot in den Städten und überhaupt ein Angebot auf dem Land.“ So geben 41 Prozent der Befragten an, dass sich das Ticket für sie nicht lohne, weil sie es zu wenig nutzen würden.
Zudem ist die Finanzierung des Deutschlandtickets ungewiss. Die drei Milliarden Euro von Bund und Ländern für dieses Jahr reichten nicht, um das Verkehrsangebot auszubauen. Die Finanzierung fürs nächste Jahr sei noch völlig ungeklärt. Ein verbessertes Angebot plus Finanzierung würde bis 2030 rund 48 Milliarden Euro kosten, bezifferte Wortmann: „Das Ticket muss auskömmlich finanziert werden.“
Die Verkehrsunternehmen wollen das D-Ticket auch künftig anbieten, „es soll kein Strohfeuer sein“, so der VDV-Präsident. Ohne eine solide Finanzierung und einen Ausbau auf dem Land und in der Stadt könne der Verkehr jedoch nicht seinen Beitrag zur Klimawende schaffen.
Der VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff geht davon aus, dass der monatliche Ticketpreis von 49 Euro in diesem und nächstem Jahr weiter gelten wird. Erhöhungen seien angesichts der allgemeinen Inflationsentwicklung jedoch nicht ausgeschlossen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn zieht eine gemischte Bilanz zum Deutschlandticket. Es habe „nicht zu einer großen Verkehrsverlagerung vom Auto auf die Schiene geführt“, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Hauptgrund dafür sei das mangelnde Angebot außerhalb der Städte und in ländlichen Gebieten. „Das Streckennetz ist dort oft ungenügend, zudem fahren Bus und Bahnen zu selten und nur in großen Zeitabständen.“
Zusatzkosten nicht einheitlich
Naumann fordert von der Politik einen Ausbau des Bahnangebots. „Über den Preis gewinnt man keine neuen Kunden, sondern nur über ein besseres Angebot.“ Zudem müsste der Autoverkehr über höhere Parkkosten und City-Maut-Gebühren verteuert werden. „Ohne Einschränkungen beim Autoverkehr kommt es zu keiner Verkehrsverlagerung.“
Kritisch bewertet Naumann auch die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer bei Zusatzkosten für Fahrräder, Tickets für die 1. Klasse oder Vergünstigungen für Studenten. „Hier braucht es eine einheitliche bundesweite Regelung.“ Trotz Kritik erwartet Pro Bahn durch das Deutschlandticket in den Sommerferien viele überfüllte Züge zu beliebten Ausflugszielen am Meer und in den Bergen. „Schon heute sind viele dieser Züge voll bis übervoll“, so Naumann. Eine dringend notwendige Aufstockung der Verbindungen auf diesen Strecken sei aber nicht möglich. „Die Bahn kann ihre Verbindungen nicht ausbauen, da es sowohl an Waggons und Personal fehlt, zudem würden die Bahnsteige für längere Züge nicht ausreichen.“
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