Nahverkehr

S-Bahn Rhein-Neckar: Deutschlands unpünktlichste S-Bahn

Es gibt Rekorde, auf die niemand stolz sein kann: Die S-Bahn Rhein-Neckar gehört zu den schlechtesten der Republik. Verspätungen nerven nicht nur die Pendler in Mannheim und Umgebung

Von 
Julian Eistetter
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Der Mannheimer Hauptbahnhof ist ein Knotenpunkt für viele Linien der S-Bahn Rhein-Neckar. © Thomas Tröster

Rhein-Neckar. Auf seiner Internetseite beschreibt der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) das regionale S-Bahn-Netz als „einen unverzichtbaren Standortfaktor im Wettbewerb der europäischen Regionen“. Seit der Betriebsaufnahme Ende 2003 zähle die S-Bahn Rhein-Neckar „zu den bundesweit erfolgreichsten Nahverkehrsprojekten“.

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Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2022 sprechen da jedoch eine andere Sprache. So gab es in diesem Zeitraum im hiesigen Nahverkehrsangebot im Vergleich der neun größten deutschen Netze die meisten Verspätungen zu verzeichnen. Das hat eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) aus Filderstadt beim Bundesverkehrsministerium ergeben.

550 Kilometer Streckennetz

Mit einer Pünktlichkeitsquote von 88 Prozent rangiert die S-Bahn Rhein-Neckar auf dem neunten und letzten Platz. Am besten schneidet das Berliner Netz ab. Dort erreichen 97,6 Prozent aller Züge ihr Ziel ohne Verspätung. Sehr pünktlich kommen mit 97,4 Prozent auch die Fahrzeuge im Netz Mitteldeutschland im Ballungsraum Leipzig-Halle - obwohl es sich gemessen an der Länge des Streckennetzes um das größte in Deutschland handelt.

Die S-Bahn Rhein-Neckar bedient ein Streckennetz von rund 550 Kilometern Länge. Aufgabenträger sind die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW), der Zweckverband Öffentlicher Personennahverkehr Rheinland-Pfalz Süd (ZÖPNV Süd), der Zweckverband Personennahverkehr Saarland (ZPS) sowie der VRN für den hessischen Kreis Bergstraße. Betreiberin des Netzes ist die DB Regio Mitte.

Ziele deutlich verfehlt

In einer gemeinsamen Antwort aller Aufgabenträger auf eine Anfrage dieser Redaktion wird deutlich, dass die vereinbarten Ziele derzeit klar verfehlt werden. Vertraglich mit der DB Regio Mitte vereinbart sei eine durchschnittliche Ankunftspünktlichkeit von 96 Prozent, heißt es darin. Die Bahn rollt den Ansprüchen derzeit also um acht Prozent hinterher.

Die Verbesserung der Pünktlichkeit ist primär eine Aufgabe des Verkehrsunternehmens und natürlich des Infrastrukturbetreibers.
Stellungnahme

Die Aufgabenträger stellt das naturgemäß nicht zufrieden. „Die Verbesserung der Pünktlichkeit ist primär eine Aufgabe des Verkehrsunternehmens und natürlich des Infrastrukturbetreibers“, heißt es in der Stellungnahme. „Wir erwarten, dass der verbundene Konzern Lösungen aufzeigt und sich nicht ständig in Ausreden flüchtet“, lautet die deutliche Kritik.

Die Aufgabenträger seien jedoch bezüglich möglicher Änderungen im Betriebsprogramm gesprächsbereit. Dabei denken sie insbesondere an Zugteilungen oder Kuppelvorgänge, die im Verantwortungsbereich der NVBW und des ZÖPNV stattfinden.

Das sagt die DB Regio Mitte

„Wir bedauern sehr, dass wir im Netz der S-Bahn Rhein-Neckar nicht mit einer zufriedenstellenden Qualität und Zuverlässigkeit unterwegs waren“, erklärt eine Bahn-Sprecherin auf Anfrage. „Das entspricht in keiner Weise unseren Ansprüchen und auch nicht den Erwartungen unserer Fahrgäste.“ Durch die starke Nachfrage beim 9-Euro-Ticket, Baustellen im Netz und teilweise hohe Krankenstände sei das Unternehmen jedoch im Jahr 2022 besonders gefordert gewesen.

Generell seien derzeit in Deutschland so viele Züge unterwegs wie nie zuvor. In Kombination mit Erneuerungen von Schienen für einen klimafreundlicheren Bahnverkehr sorge das für eine enorm hohe Auslastung.

Das S-Bahn-Netz Rhein-Neckar unterscheide zudem von solchen in Großstädten, dass es langlaufende Linien wie etwa von Homburg über Mannheim nach Osterburken, eine Strecke von rund 200 Kilometern, gebe. Diese seien besonders anfällig, da sie auch vom Fernverkehr genutzt würden, in dem es häufig zu Verspätungen komme.

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Verbesserungen soll es nach Angaben der Sprecherin insbesondere bei der Leit- und Sicherungstechnik geben. Denn allein im ersten Halbjahr 2022 gab es in diesem Bereich 920 Störungen im Netz der S-Bahn Rhein-Neckar. Nur die Netze in Köln und Stuttgart waren in diesem Bereich anfälliger.

Ab wann ein Zug als verspätet gilt

Bereits im Frühjahr 2021 sei die Strecke Wörth - Germersheim - Speyer mit moderner Stellwerks- und Sicherungstechnik ausgerüstet worden. Bis Ende 2022 seien zudem die Alt-Stellwerke in Speyer, Germersheim, Wörth, Philippsburg und Rülzheim ersetzt sowie Weichen, Signale und Bahnübergänge erneuert worden.

Nach Angaben der Aufgabenträger ist ein Zug pünktlich, der maximal 4:59 Minuten zu spät kommt. Als verspätet gilt er erst ab genau fünf Minuten. Sämtliche Linien der S-Bahn Rhein-Neckar seien von Verspätungen gleichermaßen betroffen - vor allem diejenigen, die sich die Gleise mit Fernverkehrs- oder Güterzügen teilen. Für diesen „Mischbetrieb“ gebe es jedoch die Toleranz von knapp fünf Minuten. Alles darüber hinaus sei nicht akzeptabel.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur