„Orte der Demokratie“

Das Hambacher Fest: „Hinauf, hinauf zum Schloss!“

Bis zu 30.000 Menschen feiern friedlich: Es ist ein Volksfest, das 1832 das Hambacher Schloss zur  Keimzelle des Kampfes für die Grundrechte macht - und zu einem "Ort der Demokratie" in unserer Region

Von 
Peter W. Ragge
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30 000 Menschen kamen auf den Berg: „Zug zum Hambacher Schloss“, ist die 1832 erschienene, kolorierte Federlithographie betitelt. © Historisches Museum der Pfalz Speyer/Peter Haag-Kirchner

Hambach. Die Massen strömen und strömen, hinauf zum Schloss, zu Fuß. Bereits um 9 Uhr morgens, „ist der ganze Berg mit einem Gewühl von Menschen bedeckt“, wie damals die „Speyerer Zeitung“ über diesen 27. Mai 1832 schreibt. Denn an diesem Tag findet „die erste politische Volksversammlung der neueren deutschen Geschichte“ statt, wie der spätere Bundespräsident Theodor Heuss schon 1932 als junger Reichstagsabgeordneter bei einer Rede anlässlich der Hundertjahrfeier zum Hambacher Fest sagt.

Hambacher Fest als friedliches Fest mit bis zu 30.000 Menschen

Ein Bürstenbinder aus Frankenthal, Johann Philipp Becker, erwartet sogar, in Hambach werde „die blutige Revolution beginnen“. Aber der junge Mann, 1864 mit Karl Marx an der Gründung der Internationale in London beteiligt, täuscht sich. Die bis zu 30 000 Menschen, die sich da oberhalb von Neustadt an der Weinstraße versammeln, bleiben friedlich. Sie feiern ein Fest für die Freiheit und machen das Hambacher Schloss zum bedeutenden, ja sogar wichtigsten Ort der Forderung nach Demokratie. Es ist die Keimzelle der – vergeblichen – Revolution 1848/49 und Vorbote der Bürgerrechte, die dann erst die Weimarer Verfassung 1919 endlich gewährt.

Auf dem Gelände der ehemaligen „Keschdeburg“ errichtet, gilt das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie. © Venus

Das Hambacher Schloss ist ursprünglich eine Burg. „Kästenburg“ oder „Keschdeburg“ nennen die Pfälzer den trutzigen Bau auf dem 379 Meter hohen Bergsporn der Haardt, der mit vielen Kastanien bewachsen ist – und die werden in Pfälzer Mundart eben „Keschde“ genannt. Schon in spätkarolingisch-ottonischer Zeit muss, so belegen es Funde, hier eine Fliehburg gestanden haben. Zwischen 1090 und 1104 zeigen Urkunden, dass das Bauwerk dem Hochstift Speyer übereignet wird und im Mittelalter hier zahlreiche Bischöfe residieren.

Das Hambacher Schloss: Erobert, geplündert, zerstört - heute verwaltet eine Stiftung den Bau

Mehrfach erobert, geplündert, zerstört und in der Hand wechselnder Eigentümer, verwaltet heute eine Stiftung den markanten Bau. Am Eingang prangt ein Logo der Europäischen Kommission, hat sie das Schloss doch 2015 mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet – denn es gilt als Wiege der deutschen Demokratie. Hinter dicken Wänden aus hellen Sandsteinbuckelquadern erklärt die erst kürzlich um digitale Angebote ergänzte, informative Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ die Bedeutung des Hambacher Fests und den langen Weg zum vereinigten, demokratischen Deutschland. Für diesen Kampf stellt der 27. Mai 1832 ein wichtiges Datum dar. Die Pfalz gehört damals als „bayerischer Rheinkreis“ zu Bayern, aber Frankreich ist nah – und damit das Gedankengut der Französischen Revolution. Der dort laut gewordene Wunsch nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit regt sich auch hier.

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Dabei sind die Pfälzer für damalige Verhältnisse relativ frei, denn trotz der bayerischen Herrschaft gilt noch aus der Zeit französischer Besatzung der „Code civil“, das von Napoleon 1804 erlassene Bürgerliche Gesetzbuch. Doch nach der französischen Juli-Revolution 1830 und dem gescheiterten Aufstand der Polen gegen die russische Fremdherrschaft brodelt es in der Pfalz. Schließlich flüchten hierher auch viele der unterdrückten Polen. Der bayerische König will daraufhin die Zensur verschärfen, Vereins- und Versammlungsfreiheit einschränken. Aber damit stachelt er die Proteste nur noch mehr an.

Publizist Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und Johann Georg August Wirth (1798-1848) gründen daher im Januar 1832 in Zweibrücken den „Deutschen Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“ (kurz Pressverein). Er wird zur Keimzelle der Proteste. Der mit Druckverbot belegte Siebenpfeiffer ist es, der mit die Initiative zu dem ergreift, was man heute „Hambacher Fest“ nennt.

Volksfest am Hambacher Schloss für die "Erstrebung gesetzlicher Freiheit“ 

Zunächst planen einige Pfälzer ein „Konstitutionsfest“ am 26. Mai, um an die an diesem Tag 1818 verkündete bayerische Verfassung zu erinnern. Doch eine Gruppe Neustadter Mitglieder des Pressvereins ruft einen Tag später, also für den 27. Mai 1832, zu einem Fest „für Erstrebung gesetzlicher Freiheit“ auf. Da von den 32 Unterzeichnern aus Neustadt sechs Miteigentümer des Schlosses sind, steht einem Fest dort oben auf dem Berg nichts im Wege – denken sie. Aber die Behörden wollen es verbieten, lenken erst unter großem Druck der Bevölkerung sowie der Zusicherung, dass es ein Volksfest wird, ein.

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Und es wird ein Volksfest. Es gibt Karussells und Verpflegungsbuden, Drehorgeln, Blasmusik und Trommelwirbel. Aber auch etwa 25 Reden, Statements und Grußbotschaften – für die Freiheit der Presse, für Versammlungsfreiheit, für eine größere Rolle der Frauen, für internationale Verständigung und die Einheit der Nation. „Deutschlands Wiedergeburt“, so lautet ein Schlagwort.

Die "Hambacher Hauptfahne" zeigt Schwarz-Rot-Gold

Diese zwei Worte stehen auch auf jener Fahne, die der Kaufmann Johann Philipp Abresch im Festzug trägt. Er hisst das große Tuch in Schwarz-Rot-Gold mit jener Inschrift auf dem Turm des Schlosses. „Hambacher Hauptfahne“ wird sie seither genannt. Nun liegt sie hinter einer dicken Glasscheibe im Hambacher Schloss.

Heute gilt das Hambacher Fest als erster Akt der Mündigkeit des deutschen Volkes – auch wenn sie zunächst im Keim erstickt wird. Die Monarchen schlagen zurück, verschärfen die Zensur, verbieten Vereine, verhaften die Initiatoren des Fests. Aber es bleibt Quelle der Inspiration für die deutsche demokratische Bewegung. Zwar scheitert auch deren nächste Erhebung bei der Revolution 1848/49, aber die Pfälzer Forderungen bleiben aktuell – und sind es bis heute.

Redaktion Chefreporter

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