In der seit nunmehr drei Wochen anhaltenden heftigen Debatte über die Abschaffung des Amtes der Pfälzischen Weinkönigin könnte ein sachlicher Blick auf den konkreten Streitpunkt helfen. Florian Stahl ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und kümmert sich um das Themenfeld quantitatives Marketing und Konsumentenverhalten.
Er findet, dass eine Weinkönigin in dieser Zeit vielleicht nicht mehr das geeignete Instrument ist, um in einem immer umkämpfteren Markt zu den unterschiedlichen Zielgruppen durchzudringen. „Niemand zahlt wegen einer Weinkönigin einen Euro mehr für seinen Wein“, sagt er. Die Zielgruppe der Menschen zwischen 18 und 30 Jahren erreiche man mit einer Weinkönigin womöglich weniger als mit einem guten Influencer-Marketing. Stahl geht sogar soweit zu sagen: „Wenn man an der Weinkönigin festhält, wird der Konsum abwärts gehen.“
Was kostet eine Kampagne der Pfälzischen Weinkönigin?
Tatsächlich ist es so, dass der europäische Weinmarkt unter Druck geraten ist. Das hat aus Sicht von Brancheninsidern im wesentlichen drei Gründe: Teurere Energie, die generellen Preissteigerungen und der merklich höhere Mindestlohn haben die Kosten der Weinerzeuger in Deutschland in die Höhe getrieben. Ihre gestiegenen Ausgaben können die deutschen Winzer ob der internationalen Konkurrenz aber nur sehr begrenzt an die Kunden weitergeben. Außerdem hat sich das Konsumverhalten verändert. Gerade bei jüngeren Konsumenten hat sich die Priorität zu anderen alkoholischen Getränken verschoben. Dazu geht der Trend aufgrund eines höheren Gesundheitsbewusstseins hin zu „No and low“-Alkohol, also zu Genussgetränken mit wenig oder null Promille. Die Produktionsmenge von alkoholfreiem Bier in Deutschland hat sich nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft binnen zehn Jahren nahezu verdoppelt.
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Pfalzwein e.V. mit Geschäftsführer Josef Greilinger und dem Vorsitzenden Boris Kranz hat diesen Trend registriert. Als Werbungsgemeinschaft für den pfälzischen Wein ist es ihre Aufgabe gegenzusteuern. Angesetzt haben sie beim Marketing - mit dem Ziel des Verzichts auf eine Pfälzische Weinkönigin. Stattdessen soll es einen professionelleren PfalzWeinBotschafter oder einer Botschafterin geben.
Nun jedoch sind sie mit dem Vorwurf aus Politik und Bevölkerung konfrontiert, mit einer Tradition zu schnell zu brechen, ohne es vorher genügend diskutiert und kommuniziert zu haben. Uni-Professor Stahl ist inhaltlich auf der Seite der Pfalzwein-Werbung. „Was kostet denn eine solche Weinkönigin“, fragt er? Eine öffentliche Antwort darauf gibt es weder von Geschäftsführer Greilinger noch von anderer Seite. Absolutes Stillschweigen sei da vereinbart. Stahl sagt, dass es im Marketing allgemein immer darum gehen, wie man den einzelnen Euro so investiert, dass er möglichst viel Effekt bringt.
Wie eine Lösung in dem Streit ausehen kann, wird sich sehr bald zeigen. Der Zeitplan ist eng, denn bis zu den Weinköniginnen-Wahlen in Neustadt im Herbst sind es nur noch wenige Wochen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Keine Pfälzische Weinkönigin mehr: Gleiches Recht für alle