Bauinnung Rhein-Neckar

Bauwirtschaft in Mannheim und Region steckt in der Krise

Fehlende Aufträge, mangelnde Fachkräfte, übertriebene Vorschriften – die Bauinnung Rhein-Neckar hat auf dem Maimarkt ihre Situation geschildert

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
Hausbau in der Halle des Handwerks auf dem Maimarkt, hier Fliesenkleben am Musterhäuschen mit Niklas Smentek und Finn Lange, beides Fliesenleger-Azubis. © Christoph Blüthner

Mannheim. Dramatisch beschreibt Markus Böll, Vorsitzender der Bauinnung Rhein-Neckar, die Situation seiner Branche. Die Situation der von seiner Innung vertretenen kleinen und mittelständischen Baubetriebe habe sich „nicht nur Richtung Tiefpunkt entwickelt“, so Böll: „Wir sind in einen tiefen Krater gestürzt“, weist er auf stark sinkende Zahl von Aufträgen gerade im Wohnungsbau hin.

Zwar sähen die Zahlen noch etwa besser aus als die Stimmung sei, räumt er ein, aber das sei rein aus statistischen Gründen so – weil etwa der Februar durch das Schaltjahr einen Tag mehr habe, an dem eben auch mehr gearbeitet worden sei. Tatsächlich gehe es gerade im Wohnungsbau abwärts. Schon 2023 sei der Auftragseingang über alle Sparten um 9,2 Prozent zurückgegangen, doch der Wohnungsbau sei mit einem Minus von 30,7 Prozent besonders stark getroffen. Das werde nur zum Teil durch ein Plus beim öffentlichen Hochbau und beim Wirtschaftsbau ausgeglichen, erläuterte Böll.

Überall in Baden-Württemberg werden Wohnungen gesucht

Noch entscheidender seien langfristig die Zahlen der Baugenehmigungen, ergänzt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Hier gebe es im Januar und Februar diesen Jahres einen Rückgang von 50 Prozent bei Wohnungsbau, obwohl doch überall Wohnungen gesucht würden. „Und diese Zahl ist der Indikator dafür, wie es in den nächsten Monaten dann in unserer Branche aussieht – denn was jetzt nicht genehmigt worden ist, wird in den nächsten Monaten nicht gebaut“, erklärte Möller.

Mehr zum Thema

Nach massiver Kritik

Stadt Mannheim bessert Pläne für Sportpark Feudenheim nach

Veröffentlicht
Von
Steffen Mack
Mehr erfahren
Verkehr

Warum die Baustellen in Mannheim-Sandhofen so viele Autofahrer nerven

Veröffentlicht
Von
Bernhard Haas
Mehr erfahren
Nachhaltigkeit

Zwei dritte Plätze für Mannheimer Spinelli-Areal bei "polis Awards"

Veröffentlicht
Von
Jakob Walter
Mehr erfahren

Die Gründe für die Wohnungsbaukrise liegen laut der Innung in einem, so Möller, „toxischen Mix“ aus gestiegenen Bauzinsen, hohen Energie- und Materialpreisen und einer verschlechterten staatlichen Förderung. Zudem werde das Bauen durch eine überbordende Bürokratie, langwierige Genehmigungsverfahren, hohe Auflagen und überzogene Baustandards gebremst. Diese schwierigen Rahmenbedingungen führten dazu, dass trotz Wohnungsnot und hohem Baubedarf viel zu wenig gebaut werde. Die Politik scheine die Brisanz der Situation noch nicht vollständig erkannt zu haben, klagte Böll. „Wir vermissen den großen Wurf und die Entschlossenheit, den Wohnungsbau mit massiven und effizienten Gegenmaßnahmen wirklich anzukurbeln“, sagte Böll. „Eine schnelle Erholung sehe ich daher nicht“, fürchtet er.

Notwendig seien etwa Maßnahmen wie eine Bezuschussung. In Baden-Württemberg habe man der Landesregierung auch vergeblich den Verzicht auf die Grunderwerbssteuer vorgeschlagen, so Möller ergänzend, denn die bremse gerade bei Familien den Bau eines Eigenheims sehr oft.

Die Zahl der Beschäftigen in der Bauwirtschaft bleibt bestehen

In der Branche gibt es in Mannheim 198 Betriebe mit 4000 Beschäftigten. Hinzu kommen im Rhein-Neckar-Kreis, im Neckar-Odenwald-Kreis und in Heidelberg zusammen weitere 500 Baubetriebe mit knapp 3300 Mitarbeitern. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen habe es die baden-württembergische Bauwirtschaft 2023 geschafft, die Zahl ihrer Beschäftigten zu halten – auch deshalb, um selbst bei Auftragsflauten die Fachkräfte nicht zu verlieren. Schließlich meldeten bei einer Umfrage des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg im November vergangenen Jahres 58 Prozent der Unternehmen einen Mangel an Fach- und Hilfsarbeitern. Durch den demografischen Wandel drohe sich die Situation bald zu verschärfen, da die geburtenstarken Jahrgänge bald in Rente gehen.

Die Bauwirtschaft nutzt daher den Maimarkt, um für Berufe in ihrer Branche zu werben. Die Halle des Handwerks sei „dafür eine gute Plattform“, so Handwerkskammerpräsident Klaus Hofmann. Dazu entsteht in der Halle 5 Jahr für Jahr ein kleines Haus – Stein für Stein gemauert, verputzt, mit Boden ausgekleidet und einer Fliesenwand versehen von Auszubildenden aus dem Handwerk im Zuge der überbetrieblichen Ausbildung in der Bildungsakademie der Handwerkskammer, die im Wohlgelegen ist. Während des Maimarkts dient das Häuschen als Erlebniswerkstatt für Schüler, die sich im Rahmen der Berufsorientierung über Handwerksberufe informieren. Dort können sie selbst – unter Anleitung von Ausbildern oder Fliesenleger-Azubis – Fliesen an die Wand bringen.

13 verschiedene Berufe beim Maimarkt in Mannheim

Insgesamt präsentieren die Innungen in der Halle 13 Berufsbilder, vom Kraftfahrzeugbereich über Schreiner und Schornsteinfeger oder Zahntechniker bis zu Bäckern. Es entstand sogar ein gewerkeübergreifendes Azubi-Projekt, ermöglicht von Stephan Kolb, Elektromeister und Geschäftsführer von Kolb und Schmelcher Elektro in Mannheim. Sein Auszubildender Yannik Duffner, der erst im September mit seiner Lehre begonnen hat, sorgte dafür, dass die Wand mit den vielen Fächern zur Präsentation der verschiedenen Brotsorten am Stand der Bäckerinnung Mannheim Stadt und Land neuerdings schön ausgeleuchtet ist und richtig auffällt.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke