Justiz

AfD-Ausreisetickets: Wohl keine Strafen in Heidelberg

Die Justizbehörden konnten keine Geschädigten ermitteln. Die unappetitliche Aktion der Rechtspopulisten in der Heidelberger Innenstadt bleibt daher eventuell ohne Folgen.

Von 
Stephan Alfter
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One-Way-Ticket Richtung Heimat: Mit diesen Flyern warb die Alternative für Deutschland im jüngsten Wahlkampf um die Stimmen der Bürger in der Heidelberger Innenstadt. © Dorothea Kaufmann

Heidelberg. Die Verbreitung von Abschiebe- oder Ausreisetickets an einem Infostand der AfD in Heidelberg im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl bleibt zunächst wohl ohne Folgen. „Es gibt bisher keine Geschädigten, aber vielleicht meldet sich ja auf die Veröffentlichung in der Zeitung noch jemand“, sagte der Heidelberger Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt am Donnerstag auf Anfrage dieser Redaktion.

Die Ermittlungsergebnisse der Heidelberger Kriminalpolizei lägen der Staatsanwaltschaft seit dieser Woche vor, so Waldschmidt. Es seien zahlreiche Zeugen befragt worden. Anfang Februar sind die AfD-Flyer, die aussehen wie Flugtickets, rund um den Wahlwerbestand der in Teilen rechtsextremen Partei am Bismarckplatz in der Heidelberger Innenstadt aufgetaucht. Unter den AfD-Mitgliedern am Stand war auch der neue und alte Bundestagsabgeordnete Malte Kaufmann, der gegenüber dieser Zeitung aber angab, nicht wahrgenommen zu haben, dass jemand solche Tickets verbreitet habe. Er könne nicht ausschließen, dass das eine fingierte Aktion von politischen Gegnern sei, so Kaufmann damals.

Mit solchen Tickets warben Antisemiten schon im frühen 20. Jahrhundert für die Ausreise von Juden Richtung Jerusalem. © Jüdisches Museum Frankfurt

Fakt ist: Es gibt die Tickets. Denn Dorothea Kaufmann, Fraktionsmitglied der Grünen in Heidelberg, hat sie fotografiert und Menschen getroffen, die sehr betroffen gewesen seien, als man ihnen das Stück Papier in die Hand gedrückt habe. Nur konnten diese Menschen nun von den Ermittlern nicht ausfindig gemacht werden. Etwa drei Wochen vor der Verbreitung in Heidelberg waren solche Exemplare bereits im Januar von AfD-Mitgliedern in Karlsruhe verteilt worden. Eine Nachfrage, zu welchen Ergebnis die dortigen Ermittlungsbehörden gekommen sind, beantwortete die Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Die Untersuchungen seien bisher nicht abgeschlossen.

Alphabet-Code 18 bedeutet A wie Adolf und H wie Hitler

Auch wenn sich konkret niemand von den Ausreisetickets beleidigt fühlt, so besteht für die Staatsanwaltschaft dennoch die Frage, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt sein könnte. Immerhin tauchte auf den „Tickets“ als Einstiegszeit für den Flieger der Zahlencode 08:18:00 auf dem Flyer auf. Die Ziffern 1 ( im Alphabet A wie Adolf) und 8 (im Alphabet H wie Hitler) hätten bewusst eingefügt worden sein können. Aber: Auch hier besteht Interpretationsspielraum, denn die AfD könnte zu ihrer Verteidigung ins Feld führen, dass das auf dem Ausreiseticket angegebene Datum der Bundestagswahl nur durch die Öffnungszeiten der Wahllokale ergänzt worden sei. Diese Öffnungszeiten sind jeweils von 8 Uhr bis 18 Uhr.

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Waldschmidt spricht von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die zu den Aufgaben seiner Behörde gehöre. Im Wahlkampf kommt der freien Meinungsäußerung überdies eine besondere Bedeutung zu. Ist das Verteilen von Ausreisetickets also von der freien Meinungsäußerung gedeckt? Zu diesem Schluss könnte die Staatsanwaltschaft kommen. Vor allem, wenn durch die Tickets solche Menschen angesprochen werden, die tatsächlich ausreisepflichtig sind. Dann würde es sich sogar um eine legitime Forderung handeln. Spätestens in der kommenden Woche will sich Waldschmidt dazu abschließend erklären. Beweise für Volksverhetzung hat er bisher nicht.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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