Das Wichtigste in Kürze
- Die AfD sorgt in Heidelberg mit Ausreisetickets für Empörung.
- Die Staatsanwaltschaft prüft mögliche Volksverhetzung.
- Malte Kaufmann bestreitet die Verteilung in Heidelberg.
Heidelberg. Erst Karlsruhe, jetzt Heidelberg: Erneut sind im Umfeld eines AfD-Kreisverbands Abschiebetickets verbreitet worden. Dabei handelt es sich um ein Stück Papier, das von der Aufmachung her wie ein Flugticket aussieht und Migranten konkret zur Ausreise animieren soll. Die Empörung ist groß, weil die Pseudo-Formulare am Samstag direkt an einem Infostand der AfD am Bismarckplatz verteilt worden sein sollen. Doch der AfD-Kreisverbandssprecher und Bundestagsabgeordnete Malte Kaufmann weist die Anschuldigungen zurück. Er sei selbst in der Zeit von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr dort gewesen. „Was ich nicht ausschließen kann, ist, dass irgendwelche Leute etwas fingiert haben“, sagte er auf Anfrage. „Definitiv sind die Flyer nicht von uns“, fügt er an.
Aktion erinnert an Umgang mit Juden bereits im Kaiserreich
Anders hört sich das an, wenn man Grünen-Stadträtin Dorothea Kaufmann und Anna-Maria Aggelakos, politische Geschäftsführerin bei der Heidelberger FDP, fragt. An beiden Ständen, die unweit der AfD positioniert waren, tauchten am Samstag Menschen auf, die solche Ausreisetickets in die Hand gedrückt bekommen hatten. Drei Jungs zwischen 15 und 17 Jahren seien bei ihr vorbeigekommen und hätten sich die „Tickets“ betrachtet. „Ich habe sie angesprochen“, so Kaufmann.
Der Jüngste habe gesagt, dass er doch in Deutschland geboren sei, und habe Tränen in den Augen gehabt. Erzählt hat die Grünen-Politikerin das auch dem Staatsschutz, der nun in der Angelegenheit ermittelt. Jonathan Waldschmidt, Erster Staatsanwalt, sprach von einer Überprüfung. Ob diese in konkrete Ermittlungen – etwa wegen Volksverhetzung oder Beleidigung – übergingen, sei noch abzuwarten. Es sei auch sinnvoll, das auf den Prozess in Karlsruhe abzustimmen, wo bisher nichts entschieden sei.
Aggelakos will es nicht beschwören und hat auch keine konkreten Beweise, ist sich aber recht sicher, dass die Abschiebetickets mitsamt anderen Materialien auch in der Zeit der Anwesenheit des Bundestagsabgeordneten Malte Kaufmann von der AfD verbreitet worden seien. Das würde seinen Angaben widersprechen. Die FDP-Frau wollte diese Angaben am Mittwoch auch gegenüber dem Staatsschutz wiederholen, der inzwischen wegen einer Aussage bei ihr nachgefragt hatte.
Besonders geschmacklos sind die Abschiebe-Flyer, weil neben dem „One-Way-Economy“-Transport in ein sicheres Herkunftsland auch noch die Einstiegszeit abgedruckt ist. Dort spielen die Macher mit der Zahlensymbolik rund um den Namen Adolf Hitler. Der Flug solle am 23. Februar (Bundestagswahl) um 8:18 Uhr starten. In rechten Kreisen steht die Ziffer „8“ für „H“ wie Hitler oder Heil und die „1“ für „A“ wie Adolf. Für 8:18 Uhr könnte man demnach „Heil, Adolf Hitler“ lesen.
Tatsächlich lehnen sich die Ausreisetickets an antisemitische Propganada im Kaiserreich an, wie Carl-Eric Linsler, wissenschaftlicher Sammlungsleiter des „Arthur Langerman Archiv“ für die Erforschung des visuellen Antisemitismus am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, gegenüber dieser Redaktion sagt. So seien erstmals in den 1890er Jahren Freifahrkarten aus Berlin, München und Frankfurt Juden in die Hand gedrückt oder in Briefkästen geworfen worden.
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