OB-Wahl Ludwigshafen

Abgelehnter AfD-Kandidat Paul: So warnt der Verfassungsschutz in einem Brief an Steinruck

Der ausgeschlossene AfD-Bewerber Joachim Paul ist seit Jahren mit rechtsextremen Botschaften unterwegs. Das zeigt das dieser Redaktion vorliegende Schreiben des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes.

Von 
Stephan Alfter
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Joachim Paul, seit 2016 im rheinland-pfälzischen Landtag, will gegen seine Nicht-Zulassung als OB-Kandidat das Verwaltungsgericht in Neustadt anrufen. © picture alliance/dpa

Ludwigshafen. Wie genau ist das gelaufen mit dem AfD-Kandidaten Joachim Paul, der in Ludwigshafen nicht zur Wahl zugelassen wird, weil ihm nach Meinung des Wahlausschusses Verfassungstreue fehle? Diese Frage stellen viele Bürger gerade in den Sozialen Netzwerken und bei der Zeitungslektüre im Internet oder auf Papier.

Nun liegt dieser Redaktion das Schreiben vor (zum Download hier klicken), das am 29. Juli 2025 aus dem Mainzer Innenministerium nach Ludwigshafen geschickt wurde. Und zwar zu Händen der Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck.

Unterzeichnet hat es der Abteilungsleiter Verfassungsschutz, Elmar May. Aus dem Brief geht hervor, dass sich Jutta Steinruck elf Tage zuvor selbst an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion sowie an das Innenministerium gewendet hat. Sie hatte - wohl mit Blick auf die Sitzung des Wahlausschusses - offenbar einige Anhaltspunkte geschildert, warum es Zweifel an der Verfassungstreue Pauls geben könnte.

Der Leiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Elmar May, hat in einem Brief die Ludwigshafener OB Jutta Steinruck über den AfD-Bewerber Joachim Paul informiert. © picture alliance/dpa

May antwortet auf diese Bedenken mit einer elf Seiten langen Aufführung von Aufzeichnungen zu Paul und der AfD. Diese Beobachtungen beginnen konkret im September 2022 und reichen bis zum 31. Mai 2025. Meist sind es Veröffentlichungen auf sehr unterschiedlichen Plattformen im Internet.

  • May beginnt mit den 20 Artikeln, die Paul im österreichischen „Freilich“-Magazin, ehemals Tagesstimme veröffentlicht hat. Im September 2022 sei dort ein Beitrag von Joachim Paul mit Bezug zur Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“ veröffentlicht worden. Paul ziehe dort Parallelen zum Nationalismus und der von der „Neuen Rechte“ verfolgten „Konservativen Revolution“. Paul schreibt dort: „Tatsächlich spiegelt das gesamte Werk Tolkiens eine konservative Geisteshaltung wider, die gerade weil sie ohne Weiteres in die Breite wirkt, von besonderem Wert für den zeitgenössischen Konservatismus ist. Die Protagonisten im „Herrn der Ringe“ kämpfen für eine Sache, die größer ist als sie selbst, die Heimat, den Fortbestand ihrer Kultur, eine gerechte Ordnung, die Abwehr einer Weltgefahr. Sie sind bereit, ihr Leben dafür aufs Spiel zu setzen. Auch wenn sie sich frei für diesen Weg entscheiden, spüren sie eine tiefe Verpflichtung ihrem Volk, ihrer Kultur, ihren Vorvätern gegenüber.“
  • May hat einen weiteren Beitrag in diesem Magazin gefunden, der aus seiner Sicht den Verdacht der Verfassungsuntreue nähren könnte. „Eine Warnung“ habe Paul dort verfasst. Migranten mit islamischem Hintergrund seien grundsätzlich von asozialem Gruppenegoismus geprägt, der sich in Form von Clan-Strukturen äußern würde.

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  • Auch in anderen Medien ist der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz auf Äußerungen Pauls gestoßen: In der vierten Quartalsausgabe aus dem Jahr 2023 der Burschenschaftlichen Blätter des Dachverbands Deutschen Burschenschaft (DB) erschien demnach ein Bericht über einen Vortrag Joachim Pauls zum Thema „Schicksalsfrage Einwanderung – Warum Remigration nötig und machbar ist“. Paul habe diesen Vortrag am 18. November 2023 als rheinland-pfälzischer AfD-Abgeordneter und als Mitglied der „Alten Breslauer Burschenschaft Raczeks zu Bonn“ bei der „Hannoverschen Burschenschaft Ghibellinia-Leipzig“ gehalten. Erneut bezog sich Joachim Paul dabei auf die von der Identitären Bewegung geforderte erzwungene Rückführung von Migrantinnen und Migranten in ihre jeweiligen Herkunftsländer.
  • Im Jahr 2023 soll Joachim Paul außerdem auf einer AfD-Veranstaltung den sogenannten White-Power-Gruß gezeigt haben. Dabei werden Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis geformt und die übrigen drei Finger abgespreizt. Darin kann man die Buchstaben „W“ und „P“ erkennen. Der Ausdruck wird in der rechtsextremistischen Szene verwendet, um Macht und Vorherrschaft von Menschen mit weißer Hautfarbe zu unterstreichen.
  • Erneut im Freilich-Magazin habe Paul im Juli 2024 einen Artikel unter dem Titel „Das Vorfeld vor der Haustür der AfD: Warum das mehr als nur Heckenschützentum ist“ veröffentlicht. In seinem Beitrag betonte er die Wichtigkeit des politischen Vorfelds der AfD und dessen (finanzieller) Förderung durch Abgeordnete: „Führt man sich die finanziellen Möglichkeiten der Abgeordneten und Fraktionen vor Augen, dürfte die Förderung des Vorfelds finanziell niemanden überfordern.“
  • Die Artikelserie im Freilich-Magazin setzt sich im Oktober 2024 fort. In einem Beitrag unter dem Titel „Deutscher Mythos kehrt zurück: ‚Hagen – im Tal der Nibelungen‘ als Schritt in die richtige Richtung“ kritisiere Joachim Paul die rheinland-pfälzische Landesregierung, da sie sich seiner Meinung nach nicht bemüht habe, sich in Bezug auf die Neuverfilmung der Nibelungensage mit Rheinland-Pfalz als Drehort in Szene zu setzen und diese Tatsache zu vermarkten. Für ihn habe der Film eine große Bedeutung in Bezug auf nationalen Stolz. Er bezeichne ihn „als Geschichte großer Männer und Frauen, die tun, was getan werden muss, weil sie ihren Werten und damit sich selbst treu bleiben wollen.“

  • Der Verfassungsschutz hat weiterhin beobachtet, dass die nationalistische Frauen-Gruppierung „Lukreta“ am 8. März 2025 ein Forum anlässlich des internationalen Frauentags veranstaltet hat. Ursprünglich wurde die Veranstaltung für die Region Mayen beworben. Durch Bilddokumentation und anschließende Veröffentlichung auf den Social-Media-Seiten der Gruppierung habe jedoch festgestellt werden können, dass das „Quartier Kirschstein“ in Koblenz als Örtlichkeit gedient habe und offensichtlich durch Joachim Paul zu Verfügung gestellt worden sei.

  • Wie eng Joachim Paul mit der laut Bundesverwaltungsgericht gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Compact-Magzin GmbH verbunden ist, habe sich am 16. Feburar 2025 gezeigt. Auf der Videoplattform YouTube sei eine Reportage unter dem Titel „Wahlkampf: Hinter den Kulissen der AfD“ veröffentlicht worden. Hierfür sei Joachim Paul von einem Kamera-Team begleitet worden. Die Zusammenarbeit verdeutliche erneut, dass Paul keinerlei Berührungsängste mit dem „Compakt-Magazin“ und deren Verantwortlichen habe. Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht das Verbot durch die ausgeschiedene Innenministerin Nancy Faeser aufgehoben.

Elmar May führt in dem Schreiben an Steinruck mehr als ein Dutzend weitere Verstrickungen, Verbindungen, Handlungen und Aussagen von Joachim Paul auf, die den Wahlausschuss letztlich bestärkt zu haben scheinen, Joachim Paul nicht zur Oberbürgermeister-Kandidatur zuzulassen.

Diese Redaktion hat zum wiederholten Mal versucht, mit Paul über das vorliegende Dokument zu sprechen. Dieser lehnt „eine Zusammenarbeit“ mit dem „Mannheimer Morgen“ grundsätzlich ab, wie er am Telefon sagte.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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