Kommentar Uniklinikum Mannheim: Verzögerung bei Aufklärung von Hygiene-Skandal schadet allen

Veröffentlicht
Kommentar von
Martin Geiger
Lesedauer

Mannheim. Bei den hoch umstrittenen „Cum-Ex“-Aktiengeschäften hatte es nach der ersten Anklage in Deutschland durch die Staatsanwaltschaft eineinhalb Jahre gedauert, bis das Gericht das Hauptverfahren eröffnete. Nach der Anklage gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler in Sachen Diesel-Skandal vergingen zehn Monate, bis es soweit war. Bei der Hygiene-Affäre am Mannheimer Uniklinikum ist jedoch selbst knapp drei Jahre nach der Anklage gegen den Ex-Geschäftsführer noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens – und damit das Stattfinden eines Prozesses – entschieden. Das ist beschämend – und grenzt an eine Bankrotterklärung der Justiz.

Wohlgemerkt, es geht nicht um die Dauer der oft hoch komplizierten Ermittlungen. Sondern darum, dass Polizisten und Staatsanwälte jahrelang in akribischer Kleinarbeit die Fakten des Falls untersucht, zusammengetragen und ausgewertet haben. Dass sie ihre Erkenntnisse in einer Anklage zusammengefasst und dem Landgericht vorgelegt haben. Dass dieses aber bis heute nicht über den weiteren Verlauf des Verfahrens entschieden hat.

Wichtig für die Demokratie

Nun weiß man, dass viele Gerichte überlastet sind. Und kann nachvollziehen, dass sie zuerst Fälle verhandeln, bei denen die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen, um diese möglichst kurz zu halten. Auch wäre es anmaßend, von außen beurteilen zu wollen, wo genau der Fehler liegt. Aber dass es einen gibt, ist offensichtlich. Und das schadet allen.

Es schadet dem Beschuldigten, der jahrelang in Ungewissheit leben muss; der sich weder von den Vorwürfen reinwaschen kann noch eine eventuelle Strafe verbüßen. Es schadet den weiteren Beteiligten der Vorgänge, von denen sich manche womöglich als Opfer fühlen, und die endlich Aufklärung verlangen. Es schadet dem Klinikum, das erst nach der juristischen Aufarbeitung die Affäre endgültig abhaken kann.

Vor allen Dingen aber schadet es dem Rechtsstaat, dessen Funktionsfähigkeit und Glaubwürdigkeit für unsere Demokratie so wichtig sind. Er bietet hier eine Angriffsfläche, die es all jenen viel zu leicht macht, die nur zu gern etwas von Vertuschungsabsichten faseln oder krude Verschwörungstheorien streuen. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Demokratie und das Vertrauen in den Staat ohnehin einer Belastungsprobe ausgesetzt sind.

Nicht vorzustellen wäre es, wenn die umfassende und transparente juristische Aufarbeitung der Vorwürfe durch eine Verjährung behindert würde. Dies wäre dann der Skandal nach der Affäre.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Thema : Klinikum Mannheim

  • Eigentumsverhältnisse Mannheimer Klinikum fordert Tempo beim Verbund mit Heidelberg

    Nach zweieinhalb Jahren Debatte um das Mannheimer Klinikum steht immerhin fest, dass es einen Verbund mit der Heidelberger Uniklinik geben soll. Doch die Kritik an der Hängepartie des Landes reißt nicht ab

    Mehr erfahren
  • Finanzen Mannheimer Klinikum: Auch 2023 droht ein Millionen-Loch

    Schon dieses Jahr musste die Stadt Mannheim ihrem Klinikum mit 55 Millionen Euro unter die Arme greifen, auch im nächsten Jahr droht als Folge von Corona ein ähnlich großes Defizit. Wir erklären die Hintergründe.

    Mehr erfahren
  • Medizin Universitätsklinikum Mannheim bekommt Finanzspritze vom Land

    Das Land Baden-Württemberg unterstützt das Universitätsklinikum Mannheim wegen der Corona-Belastungen zusätzlich mit fast 38 Millionen Euro. SPD-Abgeordnete kritisieren die Summe als unzureichend.

    Mehr erfahren