Kommentar Rassismus in Reinkultur

Stephan Alfter über Flüchtlingspolitik in der EU

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Stephan Alfter
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Es ist einfach unglaublich, welche Solidarität Europa gerade an den Tag legt, wenn es um Menschen geht, die aus der Ukraine fliehen. Laut einer Hochrechnung von Statista haben schätzungsweise 4,8 Millionen ihr Land bis Dienstag zumindest vorübergehend verlassen. Auch in den großen Städten und den kleinen Orten in der Rhein-Neckar-Region hat man sich sehr schnell und professionell vorbereitet und allerseits Hobbykeller von Tischtennisplatten befreit, um Raum für Schlafsofas zu schaffen. Es klemmt hier und da, ja – aber eigentlich ist vieles gut gelungen. Patrick Münz kommt aus Schifferstadt in der Pfalz und begibt sich in diesen Stunden gar in Lebensgefahr, um Menschen in gepanzerten Fahrzeugen einer Hilfsorganisation aus den umkämpften Gebieten zu evakuieren. Eigentlich arbeitet er seit zwei Jahren als Beauftragter einer Hilfsorganisation auf der griechischen Insel Lesbos, wo weiterhin rund 2000 Menschen im Auffanglager Moria 2.0 um den Schutz der EU-Staaten bitten. Er schüttelt zurecht den Kopf, wenn er sieht, welche Unterschiede die EU-Staaten machen, wenn es um Geflüchtete aus Afghanistan geht oder um solche aus der Ukraine. Seit vielen Monaten essen Menschen auf Lesbos mitunter vergammelte Lebensmittel, sie schlafen in unbeheizten Containern und benutzen täglich Dixie-Toiletten und andere Kloaken.

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Wäre es nicht der richtige Zeitpunkt, auch diesen nicht mal 2000 Menschen eine Perspektive in Europa zu geben und anzuerkennen, dass ein Antrag auf Asyl infolge der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban gerechtfertigt ist? Die Europäische Union und damit auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verrät ihre eigenen Werte und Gesetze, wenn es um die Zurückweisung von Geflüchteten (Pushbacks) an der Europäischen Außengrenze geht. Gerade der Umgang mit Menschen, die aus der Ukraine fliehen, macht das absurde Theater perfekt. Wer vor wenigen Wochen Migranten, die über die Grenze zwischen Belarus und Polen in die EU wollten, half, dem drohten in Polen drakonische Strafen. Wer Ukrainern heute in Polen über die Grenze hilft, dem wird auf die Schulter geklopft. Und das alles nur wegen Hautfarbe, Kultur, Sprache und Herkunft. Das ist Rassismus und Diskriminierung in Reinkultur und einer EU nicht würdig, die für sich in Anspruch nimmt, die Werte des christlichen Abendlandes zu vertreten. Es wäre auch ein Zeichen der neuen Bundesregierung, diese Politik endlich zu beenden und zu besseren Lösungen zu kommen. Der Zeitpunkt ist optimal.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar