Versammlungsbehörden sind nicht zu beneiden. Sie müssen im Zusammenhang mit dem hochkomplexen Nahost-Konflikt über die Durchführung von Demonstrationen entscheiden. Die Stadt Mannheim hat eine solche unter dem Motto „Stoppt den Genozid in Gaza! – Freiheit für Palästina!“ am Donnerstag verboten – und sich in eine Reihe von Kommunen gestellt, die zuletzt ebenso entschieden haben.
Eine Demonstration zu verbieten und so das Recht auf Äußerung der Meinung und auf Versammlungsfreiheit zu beschränken, rüttelt an den Eckpfeilern der Demokratie. Die Abwägung muss deshalb mit größtmöglicher Sensibilität geschehen und die Gründe für das Verbot müssen gravierend sein. In Baden-Württemberg können Demonstrationen grundsätzlich nur verboten werden, wenn mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass es zu Verstößen gegen Rechtsvorschriften kommt und die öffentliche Sicherheit dadurch unmittelbar gefährdet ist. Ob das am Donnerstag tatsächlich passiert wäre? Schwer zu sagen – die Crux an verbotenen Demonstrationen.
Die Behörde in Mannheim ist zuletzt übrigens nicht unbedingt für eine rigorose Verbotspolitik bekannt gewesen. Selbst nachdem eine pro-palästinensische Demonstration 2021 völlig außer Kontrolle geraten war, sind zwei Veranstaltungen in den folgenden beiden Jahren nicht verboten worden. Die Gründe hätten für ein Verbot nicht ausgereicht, hieß es stets. Man muss deshalb davon ausgehen, dass sich die Behörde das jetzige Verbot nicht leichtgemacht hat. Wer die Demonstration angemeldet hat, ist öffentlich nicht bekannt.
Das Vorgehen wirft aber die Frage auf, wie die Behörde mit einer angemeldeten pro-palästinensischen Demonstration am Samstag umgehen wird. Waren am Donnerstag 20 Personen angekündigt, gehen die Veranstalter am Samstag von etwa 100 aus. Auf jenen vergangenen Demonstrationen dieser palästinensischen Gruppe waren radikale Parolen zu hören, die sich aber – teilweise gerichtlich bestätigt – im Spektrum der Meinungsfreiheit bewegt haben sollen. Auch auf sozialen Medien ist eine Radikalität zu beobachten.
Angesichts der dramatisch zugespitzten Lage liegt die Befürchtung nahe, dass unter dem Motto einer „Solidaritätskundgebung“ der Angriff der Hamas mindestens gebilligt, aber sicher nicht verurteilt wird. Dazu darf es auf Mannheims Straßen – bei allen zu führenden Debatten – nicht kommen. Gleichzeitig müssen demokratische Rechte aber gewahrt bleiben. Das ist eine Gratwanderung.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Palästina-Demo in Mannheim verboten: Eine Gratwanderung
Die Mannheimer Versammlungsbehörde hat eine Palästina-Demo verboten. Die Behörde hat sich diese Entscheidung wahrscheinlich nicht leichtgemacht. Ein Verbot ist in der Demokratie eine Gratwanderung, so Sebastian Koch