Mannheim. Einerseits ist es nicht ungewöhnlich, was sich rund um die Geflüchteten abspielt, die bei Stadtrat Chris Rihm wohnen. Nachdem die Verwaltung ihre Anträge abgelehnt hat, bemühen die den gerichtlichen Weg, ihren Umzug nach Mannheim zu erstreiten. Das ist ihr gutes Recht. Im funktionierenden Rechtsstaat wird nun die Justiz entscheiden.
Auf der anderen Seite ist der Fall allein schon ungewöhnlich, weil zwei Protagonisten - Stadtrat Rihm und die zuständige Dezernentin Diana Pretzell - der gleichen Partei angehören. Zwar sind alle Grünen bemüht, Politik und das formaljuristische Vorgehen der Verwaltung zu trennen. Dass sich der Streit aber tatsächlich nicht auf die Zusammenarbeit der sowieso fragilen Fraktion auswirkt, fällt schwer zu glauben.
Der Vorgang ist auch bemerkenswert, weil er zeigt, dass Recht und Humanität zwei Dinge sind. Es leuchtet nicht ein, warum eine Stadt, die Tausende Geflüchtete aufgenommen hat und noch aufnehmen wird, als viel zitierte „Integrationsstadt“ zwei Erwachsene und eine Zweijährige nicht beherbergen kann. Oder will?
Fayaz Ahmad und Zoriana Iavna haben in Deutschland gearbeitet. Iavna will ihrer angeschlagenen Zwillingsschwester helfen. Ahmad spricht sieben Sprachen. Beide können Deutsch. Beide wollen Geld verdienen. Andere Geflüchtete hatten schon weitaus schlechtere Voraussetzungen, um Fuß zu fassen. Deshalb ist es menschlich schwer zu verstehen, weshalb sich die Stadt mit Vehemenz gegen ihren Verbleib wehrt.
Nachweise zum Teil nur auf Ukrainisch
Man hat der Familie zum Nachreichen von Attesten eine Frist gewährt - eine Fristverlängerung nicht. Dass es aber in 14 Tagen - noch dazu zwischen Weihnachten, Silvester und Jahresstart - schwer wird, Fachärzte zu finden, dürfte kein Geheimnis sein. Dass vorhandene Nachweise nicht zur Entscheidung beitrugen, weil sie nur auf Ukrainisch vorlagen, wirkt in Zeiten, in der die Stadt täglich mit Ukrainisch Sprechenden zu tun hat, absurd. Formaljuristisch mag das in Ordnung sein - in einem sensiblen Fall aber ist es schwer nachvollziehbar, dass niemand in der Lage war, die Dokumente notfalls zu übersetzen. Flexibilität, die die Verwaltung selbst bei der Aufnahme von Geflüchteten von Gastgebern häufig verlangte, sieht anders aus.
Die Verwaltung lobt das Engagement vieler bei der Aufnahme von Geflüchteten. Zurecht. Mannheim muss in diesem Jahr aber wieder Tausende aufnehmen. Wer diesen Fall verfolgt, könnte zum Schluss kommen, sein Engagement zurückzufahren. Für die Stadt wäre das ein großer Schaden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Verwaltung agiert im Fall Rihm ohne Flexibilität!
Die beim Stadtrat Chris Rihm wohnende Geflüchtetenfamilie klagt gegen die Stadt. Die Mannheimer Verwaltung hat in dem Fall bislang kaum Flexibilität gezeigt und muss nun mit Konsequenzen leben, meint Sebastian Koch