Mannheim. Im Januar hatte es Chris Rihm angekündigt. „Wir sind bereit, alle rechtlich möglichen Schritte zu gehen“, erklärte er, als diese Redaktion erstmals über die bei ihm lebende und gegen Wohnsitzauflagen verstoßende Familie berichtete. So gesehen ist die neuste Entwicklung in dem Fall also wenig überraschend: Die beim Grünen-Stadtrat wohnenden Geflüchteten ziehen gegen die Stadt vor Gericht, nachdem die Ausländerbehörde ihre Anträge abgelehnt hatte, regulär nach Mannheim ziehen zu dürfen. Gegen diese Entscheidung werde geklagt und beantragt, den Anträgen „stattzugeben“, geht aus der Klage hervor, die laut Rihm beim Verwaltungsgericht (VG) München eingereicht worden sei.
Worum geht es in dem komplizierten Fall?
Chris und Manuela Rihm beherbergen eine Familie ukrainisch-afghanischer Herkunft. Ihre in Bayern gestellten Asylanträge sind abgelehnt worden. Beide nach islamischem Recht Verheirateten dürfen nicht abgeschoben werden, weil in Afghanistan und der Ukraine Krieg herrscht. Um ihrer in Mannheim lebenden, aus der Ukraine geflüchteten und angeschlagenen Zwillingsschwester zu helfen, ist Zoriana Iavna mit ihrem Mann Fayaz Ahmad und ihrer Tochter im Sommer hierher gezogen. Das hätten sie aber nur dürfen, wenn die Stadt den Umverteilungsanträgen zugestimmt hätte. Die wurden im Februar abgelehnt. Dagegen klagt die Familie, die von Rihms betreut wird, nun vor dem VG München, in dessen Bezirk sie ihren gesetzlichen Wohnsitz hat.
Was genau sind diese Umverteilungsanträge?
Geflüchtete, deren Asylantrag nicht genehmigt worden ist, dürfen ihren Wohnsitz nicht frei wählen. Wenn sie umziehen wollen, wie in diesem Fall, muss die zuständige Behörde der aufnehmenden Kommune das bewilligen. Ohne einen bewilligten Umverteilungsantrag dürfen Geflüchtete nicht umziehen.
Die Stadt hat diese Anträge abgelehnt. Warum jetzt die Klage?
Zunächst einmal haben die Geflüchteten dieses Recht. Eine Behörde lehnt etwas ab, wogegen die unterlegene Partei klagt - ein Prinzip des Rechtsstaats. Außerdem hätten sich laut Rihm die Rahmenbedingungen verändert. Zwar sagt der Stadtrat auf Anfrage, dass es „wohl schwierig“ sei, abgelehnte Umverteilungsanträge zu kippen. „Insbesondere ein fachärztliches Attest könnte ein Ansatzpunkt sein, um zu einem erfolgreichen Ausgang zu kommen.“
Von welchem Attest ist die Rede?
Um zu belegen, dass die Schwester von Iavna hilfsbedürftig ist, hatte die Stadt Atteste verlangt. Die haben Rihm und die Geflüchteten auch vorgelegt - auf Ukrainisch. Die Stadt konnte die Dokumente deshalb nicht berücksichtigen. Im Dezember räumte die Verwaltung eine Fristverlängerung von 14 Tagen ein. „Aufgrund des Unwillens der Verwaltung, die Frist nochmals angemessen zu verlängern, konnten nicht alle Unterlagen zeitgerecht besorgt werden“, sagt Rihm. „Ich vermute, dass wir uns den großen Weg dann hätten sparen können - aber wer weiß das schon?“ Inzwischen liegen Atteste auf Deutsch vor.
Was sagt die Verwaltung zur Klage?
Nicht viel. Laut einem Sprecher des zuständigen Dezernats von Rihms Parteikollegin Bürgermeisterin Diana Pretzell hatte die Stadt am Montag „keine Kenntnisse einer solchen Klage“. Das Personal der Ausländerbehörde treffe täglich Entscheidungen. „So auch in diesem Fall“, teilt er mit. „Bisher liegen uns keine Informationen vor, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.“
Was sagen die Fraktionschefinnen, Stefanie Heß und Nina Wellenreuther, zum Fall um die Grünen Rihm und Pretzell?
Beide erklären, dass es der Komplexität des Falls nicht gerecht werde, „von zwei Seiten zu sprechen, auf die man sich jeweils stellen könnte“. Die Behörde habe auf Grund geltenden Rechts entschieden. „Wenn in der Zwischenzeit neue Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können und das Gericht zu einer anderen Entscheidung gelangt als die zuständige Behörde, freut uns das für die Betroffenen sehr.“
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Hat es Gespräche zwischen Fraktion und den Akteuren gegeben?
Generell sei die Fraktion von dem „Vorgang nicht betroffen und hat die Sachlage nicht diskutiert“, teilen Heß und Wellenreuther mit. Dagegen erklärt das Dezernat von Pretzell, man stehe im Austausch. Es habe „konstruktive Gespräche“ gegeben - „sowohl mit Herrn Rihm als auch mit der Fraktion“. Der Stadtrat berichtet von einem Gespräch Ende Januar. Man habe allerdings vereinbart, zum Teilnehmerkreis und den Inhalten keine Angaben zu machen. „Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich weiterhin vertrauensvoll mit Bürgermeisterin Pretzell zusammenarbeiten werde und auch nicht sehe, warum sich das nun ändern sollte“, sagt Rihm. „Wir streiten in der Sache, und Streit gehört zum Leben dazu - insofern ist das für mich kein Weltuntergang.“
Wie positioniert sich der Oberbürgermeisterkandidat der Partei, Raymond Fojkar?
Fojkar schätze das Engagement von Chris Rihm und seiner Familie sehr, erklärt er. Rihm gehöre zur großen Zahl an Menschen, die mit „hohem persönlichen Einsatz Menschen in Not beistehen“, führt er aus. „Auch kann ich die Beschwerden gegen die Mannheimer Ausländerbehörde nachvollziehen.“ Der Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl im Juni berichtet von Erfahrungen im Zuge des Bosnien-Kriegs in den 1990ern, als Mitstreiter und er „auf eine mehr auf abwehrende Abschreckung als auf hilfreiche Unterstützung ausgerichtete Behörde trafen“, sagt er. „Seither habe ich immer wieder von ähnlichen Erfahrungen von für Migranten und Geflüchtete engagierten Mitbürgern, Mitbürgerinnen und Organisationen gehört.“
Was hält Fojkar vom Verlauf des Falls?
Er habe die Argumentationen beider Seiten „gut nachvollziehen“ können, sagt Fojkar. „Tragisch finde ich, dass, wie bei solchen Konflikten leider recht häufig, nicht die Sachebene allein im Mittelpunkt steht, sondern auch schnell persönliche Bewertungen und Erwartungen, seien sie begründet oder schlimmer nur angenommen, die Atmosphäre belasten.“ Zuletzt hatte Rihm kritisiert, die Behörde habe ihm mangelndes Engagement bei der Betreuung der erkrankten Zwillingsschwester und deren Kinder vorgeworfen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-bei-stadtrat-rihm-wohnende-gefluechtete-klagen-gegen-stadt-mannheim-_arid,2055754.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-warum-mannheims-stadtrat-chris-rihm-illegal-eine-gefluechtetenfamilie-beherbergt-_arid,2036867.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-streit-um-gefluechtetenfamilie-bei-mannheimer-stadtrat-spitzt-sich-zu-_arid,2053482.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Verwaltung agiert im Fall Rihm ohne Flexibilität!