Kommentare Mannheimer Nationaltheater muss für alle da sein

Die Saisonzahlen mit 165.000 Besuchen in 870 Vorstellungen findet das Nationaltheater Mannheim eine "erfreuliche Bilanz". Vor dem Hintergrund vieler Probleme sind sie das auch. Dennoch warten große Herausforderungen aufs NTM

Veröffentlicht
Kommentar von
Stefan M. Dettlinger
Lesedauer

Mannheim. Mit Bilanzen ist es ein bisschen wie mit Statistiken. Die, die sie machen oder beauftragen, stellen am Ende (fast) immer Gutes vor und sich selbst ins beste Licht. So weit, so gewohnt, so verständlich. Mit 165 000 Besuchen in 870 Vorstellungen zieht nun auch das Nationaltheater Mannheim (NTM) wieder mal eine erfreuliche Bilanz für die vergangene Saison. Sogar ein Zuwachs an Abonnements habe man zu verzeichnen, so das NTM.

Hinsichtlich der negativen Vorzeichen, die man zuerst mit Corona, dann der Sanierung und der Pleite der Ersatzspielstätte der Oper hinnehmen musste, klingt das tatsächlich nicht so schlecht. Nicht zu vergessen ist aber, dass mittelfristig der letzte Höhenflug zehn Jahre her ist, als fast 393 000 Menschen kamen. Danach ging es in mehr oder weniger großen Amplituden abwärts. Ohne Schillerbühne (rund 600 Plätze) und Opernhaus (1150) ist man derzeit aber auch kaum in der Lage, auf einen Schlag viele Menschen zu erreichen. Die seltenen Opernabende im Pfalzbau und Musensaal sowie das Open Air „Schloss in Flammen“ waren die einzigen Ereignisse, wo das NTM mit wenig viel erreicht hat. So sind es im Durchschnitt nur knapp 190 Gäste pro Vorstellung.

Mehr zum Thema

Hintergrund

Nationaltheater Mannheim freut sich über 165.000 Zuschauer

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Nationaltheater

Mannheimer Nationaltheater: Woolfs "Orlando" als witzige Jonglage zwischen Identitäten

Veröffentlicht
Von
Susanne Kaulich
Mehr erfahren
Nationaltheater

Was bei der Sanierung des Nationaltheaters für Mehrkosten sorgt

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Das alles bestätigt den bundesweiten Trend, mit immer mehr (kleinen) Veranstaltungen immer weniger Menschen zu erreichen. Selbst die Festspiele in Bayreuth spüren es. Hätte man vor 15 Jahren dort noch 480 000 Karten verkaufen können, so sind in diesem Jahr gerade mal die 60 000 weg. Die Folgen des demografischen Wandels machen auch vor der „Mutter der Festspiele“ nicht halt – und schon gar nicht vor dem kommunalen Theater der stark migrantisch geprägten Arbeiterstadt Mannheim.

Es wird in den kommenden Jahren – während der Sanierung und noch mehr danach – großer Anstrengungen bedürfen, die Abwärtsspirale zu verlangsamen. Es wird viele populäre Formate brauchen, eine große Charmeoffensive für neue gesellschaftliche Partikulargruppen, die man dringend achten, hören, einbinden muss, um allen, wirklich allen Menschen entgegenzukommen und mit ihnen die großen Säle zu füllen. Mannheim darf auch, aber keineswegs ausschließlich, auf intellektueller Ebene begegnet werden. Wir sind nicht Stuttgart. Und schon gar nicht Berlin.

Hoffnung macht da jemand wie Tilmann Pröllochs. Der Geschäftsführende Intendant wirkt so offen, kommunikativ, sympathisch und nahbar, wie man sich einst das Ideal eines Generalintendanten vorstellte – und sich in der Zukunft das ganze Nationaltheater wünscht.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

VG WORT Zählmarke