Long Covid ist bittere Realität

Julia Emmrich fordert, dass alles getan werden muss, um Long Covid zu lindern und schwere Verläufe zu verhindern

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Julia Emmrich
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Olaf Scholz ist kein großer Sprachkünstler. Trotzdem gelingt ihm manchmal ein Wurf, der im Gedächtnis bleibt: Die „Bazooka“ war so einer, oder die „Zeitenwende“. Jetzt hat Scholz nach dem Treffen mit den Ländern ein neues Bild ins Programm genommen: Mit Blick auf die Pandemiepolitik will der Kanzler, dass Deutschland im Herbst „die Winterreifen aufzieht“, vielleicht sogar die Schneeketten bereitlegt. Oh Mann. Was für ein hausbackenes Bild.

Aber egal: Millionen Menschen werden es gerne gehört haben. Winterreifenaufziehen ist eine sehr erwachsene Art, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen. Statt lange herumzujammern, dass Winterreifen lästig, langsam und teuer sind, zieht man sie einfach auf und ist wieder sicher unterwegs. Die gleiche erwachsene Haltung wünscht man sich insgesamt gegenüber Corona.

Beispiel Long Covid. Der Umgang mit dem Phänomen, das manche Experten bereits als kommende Volkskrankheit bezeichnen, muss definitiv erwachsener werden. Es bringt nichts, die Augen vor heftigen Langzeitfolgen einer Covid-Erkrankung zu verschließen, dafür gibt es längst zu viele Fälle. Es bringt auch nichts, den Betroffenen Hysterie zu unterstellen.

Schwere Viruserkrankungen können zu massiven Spätfolgen führen, das Corona-Virus macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil: Weil die Zahl derer, die sich bereits mit Corona infiziert haben, so hoch ist, muss man zwangsläufig auch mit einer hohen Zahl von Langzeitfällen rechnen – allein aus statistischen Gründen.

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Das Label „Volkskrankheit“ sagt genau das: Es geht nicht um Einzelfälle, es geht um viele. Und es kann, nach allem was man bislang weiß, prinzipiell jeden treffen. Den jungen Marathonläufer genauso wie den übergewichtigen Kettenraucher. Und offenbar sogar Kinder und Jugendliche.

Long Covid ist bittere Realität. Statt sich darüber zu ereifern, hilft die gelassen-erwachsene Frage: Was tut man gegen Volkskrankheiten? Die Antwort muss lauten: Man investiert in Vorsorge. Gegen Übergewicht, Rückenschmerzen und Bluthochdruck schickt man die Leute zum Sport und hilft ihnen bei der Umstellung auf ein gesünderes Leben.

Gegen Long Covid muss man alles tun, um Infektionen und schwere Verläufe zu verhindern. Impfen hilft, solider Infektionsschutz hilft. Masken sind die Winterreifen der Pandemie.

Der Sommer wird zeigen, wie erwachsen Deutschland ist. Ob es wie ein kleines Kind einfach drauflos lebt – oder den Herbst schon mitdenkt und solide gesetzliche Grundlagen für die Virusbekämpfung schafft. Der größte Bremser in diesem Punkt ist gerade der größte Verlierer der letzten Landtagswahlen: die FDP.

Vielleicht kann ja mal jemand die Liberalen daran erinnern, dass Winterreifen kein Angriff auf die Freiheit sind. Dass Winterreifen die Freiheit überhaupt erst möglich machen. Weil Freiheit ohne Sicherheit nicht viel wert ist. Und, um im Bild zu bleiben, vielleicht erinnern sich die Freien Demokraten selbst daran, dass Maskentragen und Impfnachweise dafür sorgen können, dass Infektionskurven flacher und weitere Einschränkungen nicht nötig werden.

Im Moment fremdelt die FDP noch heftig mit der Idee, das Infektionsschutzgesetz fit für den nächsten Corona-Winter zu machen. Vielleicht hilft ihnen Scholz’ Reifenwechsel beim Umparken im Kopf.

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