Beide Seiten wissen, dass sie nicht weiterkommen, wenn sie auf Sieg oder Niederlage setzen. Im Streit zwischen London und Brüssel kann es nur zwei Gewinner oder zwei Verlierer geben. Auf beiden Seiten des Ärmelkanals ringen weite Teile der Wirtschaft ums blanke Überleben. Ist das wirklich der Zeitpunkt, um sich gegenseitig noch Steine in den Weg zu legen? Die Zeit des Pokerns ist vorbei.
Ab diesem Mittwoch müssen die Delegationen der EU und des Vereinigten Königreiches zusammenfinden. Niemand darf ein Interesse daran haben, den Karren gegen die Wand zu fahren. Aber genau das passiert, wenn die Verhandlungen über ein tragfähiges Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union weiter so verlaufen und jeder nur auf Maximalforderungen besteht. Die Gemeinschaft muss Londons Wunsch nach Unabhängigkeit ebenso verstehen wie die Briten die Furcht der Europäer vor einer Sabotage des Binnenmarkts.
Bis Ende September ist wenig, eigentlich sogar zu wenig Zeit. Grund genug, diese zu nutzen. Im Kreis der Staats- und Regierungschefs der Union wächst längst die Erkenntnis, dass man nicht bekommen wird, was man in den jahrelangen Verhandlungen um den Brexit und eine gemeinsame Zukunft nebeneinander gefordert hatte. Und auch die Briten dürften inzwischen wissen, dass Brüssel ihnen nicht einen attraktiven Binnenmarkt öffnet, ohne dass es Gegenleistungen gibt. Wenn schon kein Kompromiss in den Grundfragen möglich ist, dann sollte zumindest Klarheit über die britisch-europäische Realität nach dem 1. Januar 2021 geschaffen werden. Eine saubere Trennungsvereinbarung ist immer noch besser und klärender als ein Bruch, der ins blanke Chaos führt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Letzte Chance
Detlef Drewes zu den finalen Brexit-Verhandlungen