Mannheim. Stillstand, Corona-bedingt und weisungsgemäß: Das gilt nicht zuletzt für die Kultur, deren Institutionen geschlossen bleiben und die sich nur zuweilen mit digitalen Angeboten zu Wort melden. Gerade von großen öffentlichen Häusern hört und sieht man wenig – zu wenig, meinen immer mehr und machen dafür auch die Institutionen selbst verantwortlich, wie soeben ein offener Brief Mannheimer Kulturpolitiker zeigte, der „die fehlende Aktivität unserer Kulturverwaltung und unseres Nationaltheaters“ moniert. Dagegen setzt eine andere große Institution der Region geradezu ein Hoffnungszeichen. Die Kunsthalle, die seit November darauf wartet, ihre Anselm-Kiefer-Schau eröffnen zu können, verkürzt die Zeit durch ein neues digitales Angebot.
Vier von insgesamt 18 Ausstellungsstücken werden von diesem Montag an in einer Kooperation mit dem ZDF erlebbar, im Ganzen wie im Detail, in hochauflösenden Bildern und verschiedenen Perspektiven, was echtem Kunsterleben immerhin nahe kommt. Dass es dennoch kein Ersatz sein kann, ist allen Beteiligten klar. Im digitalen Raum lassen sich Kunstverkäufe und Auktionen realisieren, kleinere Schauen nach dem Motto „Besser als nichts“ präsentieren, doch von langer Hand und mit großem organisatorischen Aufwand betriebene Ausstellungen finden hier keinen gemäßen Ort.
Dass etwa große Museen digitale Lizenzen verteilten, sich hochwertige Reproduktionen schickten, um thematische Ensembles zu präsentieren, ist keine kühne Vision, sondern ein banausischer Einfall. Fürs künstlerische Original gibt es keinen Ersatz. Also warten die Verantwortlichen weiter auf bessere Zeiten und reale Eröffnungen. In Mannheim ebenso wie etwa in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe oder im Kölner Museum Ludwig, wo fertig aufgebaute Schauen mit Werken des Rokokomalers François Boucher beziehungsweise des Pop-Artisten Andy Warhol ohne öffentliche Wahrnehmung bleiben.
Die Situation mutet paradox und unwirklich an; aber je länger sie dauert, desto weniger ist man bereit, die Umstände schlicht zu akzeptieren. Digitale Angebote zeigen, was man derzeit entbehrt, wecken die Vorfreude auf authentische Erlebnisse und sorgen dafür, dass die realen Kulturschätze nicht in Vergessenheit geraten. Dass man sich daran gewöhnen könnte, ohne Kunst und Kultur in Fülle zu leben, muss kein Angsttraum der Institutionen werden – aber vielleicht ein Weckruf, um das zu bieten, was die widrigen Umstände immerhin doch zulassen.