Mannheim. Totgesagt hat man sie schon öfter – aber noch nie waren so viele Akteure selbst so pessimistisch wie Anfang 2023. Was wurde da nicht alles totgesagt! Die Fasnachtszüge, die Prunksitzungen in alter Form, ja ganz generell die gesamte Fasnacht. Aber jetzt, kurz vor Aschermittwoch, kann man feststellen: Die Fasnacht ist keinesfalls tot! Sie hat sich an vielen Orten, in vielen Sälen und auf vielen Straßen als höchst lebendig erwiesen.
Natürlich war der Neustart nach zwei wegen Corona abgesagter Kampagnen und mitten in Krieg und Inflation anstrengend, teils ziemlich holprig. Auch viele Kulturveranstalter taten sich lange (oder tun sich teilweise immer noch) schwer, das Publikum wieder vom heimischen Sofa zu locken. Wieso sollte es also der Fasnacht anders ergehen? Aber Komplettabsagen von Sitzungen oder dünn besetzte Säle sind die Ausnahme geblieben. Viele Menschen wollten feiern.
Sehr erfolgreich ist die Fasnacht nach wie vor dort, wo sie intensive Jugendarbeit macht, wo alle Generationen angesprochen werden und wo ehrenamtliche Akteure große Kreativität sowie ansteckende Fröhlichkeit zeigen. Da konnte man insbesondere in einigen Vororten ganz tolle, mitreißende Prunksitzungen in prima Stimmung erleben. Dennoch wird es mittelfristig nötig sein, sich auch neue Veranstaltungskonzepte zu überlegen – und einige Vereine experimentieren da auch schon, teils sehr erfolgreich. Wer jedoch nur die ewig gleichen durchreisenden Büttenredner engagiert, die Verankerung im Vorort verloren, die Notwendigkeit von Werbung vergessen oder den Generationswechsel verpasst hat, darf sich nicht wundern, wenn er scheitert.
Manche Karnevalsvereine existieren wirklich nur noch, damit ein paar Leute mit Pelz auf der Narrenkappe sich in ihrer Rolle als Präsident selbst gefallen können. Wenn es diese Vereine in ein paar Jahren nicht mehr gibt, dann bedeutet das eine verständliche Marktbereinigung – aber nicht den Tod der Fasnacht.
Was sie jedoch bedroht, ist die inzwischen ins Irrwitzige wachsende Zahl von behördlichen Auflagen. Das kann in der Tat den Tod von Umzügen und Straßenfasnacht, aber auch von anderen Veranstaltungen das ganze Jahr bedeuten. 25 Sanitäter, dazu Krankenwagen, Verletzten-Zelt und Anti-Terror-Schutz für einen Vorort-Fasnachtszug wie in Neckarau zu verlangen – bei allem Verständnis für die nach einer Amokfahrt bei einem Karnevalsumzug vor drei Jahren in Westfalen verschärften Vorschriften: Da muss dringend wieder mehr Verhältnismäßigkeit her.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bilanz für Mannheim: Die Fasnacht lebt!