Soziales

Ungewollt schwanger: Hilfe bekommen in Mannheim schwierig?

Die SPD-Landtagsabgeordneten Fulst-Blei und Weirauch wollten wissen, wie versorgt Mannheims Frauen im Schwangerschaftskonflikt sind. Die Antwort ist ernüchternd.

Von 
Lea Seethaler
Lesedauer: 
Demo mit überdimensionalem Uterus für sexuelle Selbstbestimmung und für Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. © Jens Kalaene/dpa

Mannheim. Die Mannheimer Landtagsabgeordneten Boris Weirauch und Stefan Fulst-Blei haben im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage die Versorgung mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in Mannheim abgefragt.

Die Anzahl der Beratungsgespräche liegt laut Antwort von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) in den letzten fünf Jahren relativ konstant bei etwas über 1.000. Für den Mannheimer SPD-Landtagsabgeordneten Weirauch erscheint das Beratungsangebot „auf den ersten Blick bedarfsgerecht“.

Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 5 SchKG bieten in Mannheim derzeit drei Träger an: Pro Familia, das Diakonische Werk und der Sozialdienst katholischer Frauen.

Weirauch spart aber nicht mit Kritik: „Gesundheitsminister Lucha kann nicht sagen, wo in Baden-Württemberg Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können. Es gibt nicht einmal eine landesweite Versorgungsplanung.“ Der grüne Minister müsse „in seiner Stellungnahme daher einräumen, dass er selbst und sein Ministerium nur ein unvollständiges Bild der Versorgungssituation – welche und wie viele Kliniken oder niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durchführen – haben“, stellen die SPD-Abgeordneten fest.

SPD fordert Sicherstellung wohnortnaher Versorgung mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen

In Mannheim listet die Bundesärztekammer zwei Anlaufstellen für Schwangerschaftsabbrüche auf. Aber nicht alle Ärztinnen und Ärzte die Abbrüche durchführen, sind dort aufgelistet. Weitere Stellen können auch bei der Beratung im Gespräch erfragt werden. Die bisher verfügbaren Listen, etwa die oben genannten, beruhen auf freiwilligen Angaben und sind daher unvollständig, weiß auch das Ministerium und erklärt sich so. Andere Bundesländer wiederum erheben und verfügen so über Listen, von Ärzten, die Abtreibungen durchführen, wie etwa Berlin und Hamburg.

Um die Datenlage zu verbessern, wurde 2024 eine neue Regelung eingeführt, die ab Berichtsjahr 2023 eine detailliertere, regionale Auswertung der Meldestellen vorsieht. Dadurch soll künftig besseres Bewerten der Versorgungssituation möglich werden, betont das Ministerium.

Nicht für jeden bedeutet ein positiver Schwangerschaftstest eine gute Nachricht. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Das Gesundheitsministerium kann auch keine genaue Angabe zur Entfernung machen, die man bis zur nächsten Beratungsstelle oder Einrichtung für Schwangerschaftsabbrüche zurücklegen muss. Laut Gesetz gilt eine Beratungsstelle als wohnortnah, wenn sie an einem Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Im abgefragten Gebiet Mannheim sei diese wohnortnahe und auch weltanschaulich vielfältige Versorgung gewährleistet, antwortet das Ministerium Fulst-Blei und Weirauch.

ELSA-Studie: Baden-Württemberg mit erheblichen Versorgungsmängeln für Frauen

Fatale Versorgungslücken hatte indes jüngst die ELSA-Studie (die erste umfassende Studie zur Versorgungslage dieses Themas überhaupt) aufgezeigt – insbesondere im ländlichen Raum. 4,5 Millionen Menschen leben in Deutschland außerhalb angemessener Erreichbarkeit zum nächsten Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch. ELSA definiert, dass das in 40 Autominuten erreichbar sein muss. In 85 von 400 Landkreisen sind die Kriterien für die nicht erfüllt. Spitzenreiter der Mangelversorgung: die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz – und Baden-Württemberg.

Fulst-Blei stellt klar: „Die SPD fordert den ungehinderten Zugang zu wohnortnahen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Schwangerschaftsabbrüchen, wie es das Gesetz vorsieht. Der grün-schwarze Blindflug muss ein Ende haben und endlich eine aussagekräftige Datengrundlage erstellt werden.“

Weirauch und Fulst-Blei abschließend: „Wir müssen auf die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen drängen. Ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen gehört nicht ins Strafgesetzbuch.“

Abtreibungsgegner in Lauerstellung: Gehsteigbelästigungen in Mannheim?

In der Bundesrepublik gibt es derweil immer weniger Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, so das Statistische Bundesamt. Laut Bundesärztekammer ist stärkerer Druck radikaler Abtreibungsgegner mit ein Grund, dass immer weniger Abtreibungen anbieten.

Auch Frauen werden von den Gegnern belästigt. Sind Vorfälle sogenannter „Gehsteigbelästigungen“ durch Abtreibungsgegner in Mannheim bekannt, bei denen Frauen, die Beratung aufsuchen, dort quasi aufgelauert wird, war daher eine weitere Frage von Fulst-Blei und Weirauch. Das verneint das Ministerium, und erklärt zugleich, wie in einem solchen Fall vorgegangen werden kann: Versammlungsbehörden können etwa Versammlungen mit Auflagen versehen oder untersagen, wenn die öffentliche Sicherheit oder das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gefährdet sind. Dabei wird zwischen Persönlichkeitsrechten der Frauen und Versammlungsfreiheit abgewogen, betont das Ministerium.

Mehr zum Thema

Soziales

Mannheimer Pädagogin: Wie sich Schwangerschaftskonfliktberatung verändert hat

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Kommentar Was Frauen beim Thema Abtreibung brauchen

Veröffentlicht
Kommentar von
Lea Seethaler
Mehr erfahren
Soziales

Neue Gesetzeslage nach Fehlgeburt und Kurse in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Außerdem wollten Fulst-Blei und Weirauch vom Ministerium wissen: „Falls es eine klinische Versorgung im Landkreis gibt, wie werden Schwangerschaftsabbrüche in Aus- und Weiterbildung integriert?“

Die Approbationsordnung für Ärzte erlaubt, dass Schwangerschaftsabbrüche im Medizinstudium gelehrt werden, lautet die Antwort des Ministeriums. Die konkrete Ausgestaltung liegt bei den medizinischen Fakultäten, die sich am Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin orientieren können.

Luchas Ministerium verweist auch darauf, dass das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundesärztekammer ein gemeinsames Konzept zur Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten entwickelt haben, das auch Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung enthält. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hat dazu eine Leitlinie für Schwangerschaftsabbrüche im ersten Trimester erstellt.

Mythos Teenieschwangerschaft: Die meisten Frauen, die abtreiben, sind Ü-30 und haben schon ein Kind

Frauen aus Baden-Württemberg haben 2023 deutlich mehr Schwangerschaftsabbrüche durchführen lassen als im Vorjahr. Es wurden rund 11.400 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet, wie das Statistische Landesamt mitteilt. Das sind rund 800 Abbrüche und acht Prozent mehr als im Vorjahr. Eine Ursache lasse sich aus den Daten nicht ablesen, so allerdings das Statistische Landesamt.

Im Vergleich zu vor zwanzig Jahren sind die Schwangerschaftsabbrüche von Frauen aus Baden-Württemberg jedoch zurückgegangen. Im vergangenen Jahr kamen damit auf 100 lebendgeborene Kinder 11,6 Schwangerschaftsabbrüche von Frauen aus Baden-Württemberg.

Mehr als die Hälfte der Frauen, die 2023 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, hatte bereits mindestens ein Kind geboren. Im Zehnjahresvergleich sieht man besonders eins: Jüngere Frauen treiben weniger ab. Dagegen sind Schwangerschaftsabbrüche bei älteren Frauen häufiger geworden. Bei den 40- bis unter 45-Jährigen ist die Quote um 15 Prozent angestiegen.

Die in Mannheim ansässigen Schwangerschaftsberatungsstellen haben für die Jahre 2019 bis 2023 folgende Konfliktberatungsfälle bzw. -gespräche gemeldet: 2019 gab es 1004 Konfliktberatungsfälle, im Jahr 2021 987 und im Jahr 2023 dann 1035.

Schwanger und in einer Konfliktsituation? Hier gibt es Hilfe:

  • Sie befinden sich selbst in einer schwierigen Situation mit Ihrer Schwangerschaft? Das Hilfetelefon „Schwangere in Not“ (0800 40 40 020) unterstützt anonym, kostenfrei und 24 Stunden.
  • Die Stadt Mannheim hält eine sehr übersichtliche Hilfe- und Infoauflistung für den Konfliktfall bereit.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke