Mannheim. „Kürzungen im Sozialbereich wirken sich oft nicht unmittelbar auf die Stadtgesellschaft aus, sondern zeitverzögert, aber dann mit erheblichen Auswirkungen. Das wird aus unserer Sicht oft zu wenig bei den Entscheidungen zur Finanzierung beziehungsweise Einsparungen bedacht“, sagt Philip Gerber, einer von fünf Kreisvorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Unter dem wohlfahrtsverbandlichen Dach des Verbandes befinden sich 51 Mitgliedsorganisationen, die alle als gemeinnützige Träger Aufgaben für die Stadt Mannheim und deren Bürger übernehmen. „Studien belegen, dass Kürzungen im Sozialbereich zukünftig wesentlich höhere Folgekosten für die Gesamtgesellschaft erzeugen“, so Gerber weiter.
Durch die im Haushalt 2025/2026 bereits beschlossenen und ab 2026 beginnenden Kürzungen müssten Projekte oder Leistungen trägerseits abgebaut werden, sagt Gerber. Neben den beschlossenen Kürzungen sind viele Zuschüsse nicht dynamisiert, sodass durch die gestiegenen Lohn- wie Lebenshaltungskosten dies zum weiteren Leistungsabbau führen werde.
„Unter dem Einsparzwang der 40 Millionen Euro als Auflage des Regierungspräsidiums sehen wir die bereits beschlossenen Kürzungen als Vorgeschmack darauf, was auf den Sozialbereich und damit auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen wird“, führt Claudia Schöning-Kalender, ebenfalls eine von fünf Kreisvorsitzenden des Verbandes, aus. „Zusätzlich stellen wir uns die Frage, was der politische wie Verwaltungswille bezüglich der Angebotspalette in unserer Stadt ist. Wir vom Paritätischen Kreisverband sprechen uns klar für eine diverse Struktur aus, die möglichst für alle Betroffenen Angebote vorhalten kann.“
Betroffene: „Kürzungen sind existenzvernichtend“
Der Kinderschutzbund Ortsverband Mannheim ist von den Etatkürzungen betroffen. Der Doppelhaushalt für 2025 und 2026 sieht eine Kürzung um rund ein Drittel der Zuschüsse für den „begleiteten Umgang“ vor. Dieser ist Kernprojekt des Kinderschutzbundes. Er findet oft als Auflage des Jugendamts statt und ist aus pädagogischen Gründen notwendig. Ob begleiteter Umgang dem Elternteil auferlegt wird, orientiert sich am Wohl der betroffenen Kinder.
Im begleiteten Umgang wird dem umgangsberechtigten Elternteil und dem Kind die Möglichkeit gegeben, sich auf neutralem Grund – im Kinderschutzbund – zu treffen, miteinander zu spielen, zu lernen oder Zeit zu verbringen. „Wir können uns zwar für die Jahre 2025 und 2026 aus Spenden, Bußgeldern und Rücklagen des Vereins finanzieren. Das ist trotz der um etwa ein Drittel gekürzten Fördermittel der Stadt möglich – vorausgesetzt die Spenden und Bußgelder fließen weiter wie bisher. Danach ist aber eine Einschränkung unseres Angebots für den Bereich begleiteter Umgang denkbar. Sollten die Spenden und Bußgelder dagegen zurückgehen, müssen wir voraussichtlich die Zahl der Umgänge reduzieren“, so Kinderschutzbund-Vorstandsmitglied Ralf König.
„Durch die existenzvernichtenden Mittelkürzung ab 2026, von denen das Antidiskriminierungsbüro betroffen ist, werden neben den Betroffenen auch Organisationen – kleine und größere – sowie Unternehmen eine verlässliche Anlaufstelle genommen“, sagt indes Vorstandsmitglied Mete Tuncay. Die Arbeit des Antidiskriminierungsbüros trage auch zur Fachkräftesicherung, zur Reduktion von Produktivitätsverlusten, Fluktuation und Krankheitskosten bei, betont Tuncay. „Eine Entscheidung, unsere Förderung auch 2026 und darüber hinaus aufrechtzuerhalten, entlastet neben Betroffenen, Arbeitgebenden, Organisationen der Daseinsfürsorge auch Polizei und Justiz.“
Von Senioren- bis Queerberatung: Zusammenhalt in Gefahr?
AWO-Vorstand Alexander Manz berichtet dieser Redaktion indes zu den anstehenden Kürzungen: Die im Raum stehenden Kürzungen von sogenannten freiwilligen Leistungen im Haushalt der Stadt für das zweite Halbjahr 2025 seien „besorgniserregend“, denn wenn auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Kostendeckung dieser Leistungen seitens der Kommune bestehe, „so sind sie dennoch nicht willkürlich, sondern dienen der sozialen Bedarfsdeckung von Menschen mit Unterstützungsanforderungen in unserer Stadt“.
Die Seniorenberatungsstelle Neckarstadt-Ost etwa, die für ältere Menschen in vielen Fragen des alltäglichen Lebens eine wichtige Anlaufs- und Vermittlungsstelle ist, sei bereits jetzt nicht auskömmlich finanziert, nennt Manz als Beispiel. Mit der bereits beschlossenen Absenkung des kommunalen Zuschusses ab 2026, verbunden mit „gegebenenfalls Kürzungen des bereits jetzt nicht auskömmlichen Zuschusses, besteht die konkrete Gefahr, dass die AWO Mannheim dieses Angebot eventuell würde einstellen müssen“.
Oder das Beispiel zentraler Lehrgarten: „Der erhält einen Betriebskostenzuschuss, der unter anderem in die natur- und umweltpädagogische Arbeit vor Ort investiert wird. Würde dieser Zuschuss reduziert werden, müsste auch das Angebot für Kindergärten und Schulen, aber auch andere Besuchergruppen eingeschränkt werden.“
Es ist absurd: Man hält Reden über Vielfalt und feiert Fortschritte, während genau die Arbeit, die Menschen konkret hilft, keinen Stellenwert mehr zu haben scheint.
Natürlich gebe es Verständnis für die Sparanforderungen der Stadt, so Manz. „Aber gerade in die soziale Bedarfsdeckung ist es wichtig, weiterhin zu investieren, denn Investitionen in soziale Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen und Gesundheitsversorgung, aber auch in Beratungsangebote führen zu einer höheren Lebensqualität und mehr Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger.“
Die Streichung der Förderung der psychologischen Beratung für queere Erwachsene bei PLUS, der Psychologischen Lesben- und Schwulenberatung, ab 2026 und die fehlende Förderung derer Arbeit mit queeren Geflüchteten bezeichnet ein Beratungsstellenmitglied als „nach wie vor aktuell und prekär“. Schon nach der Streichung betonte PLUS: „Es ist absurd: Man hält Reden über Vielfalt und feiert Fortschritte, während genau die Arbeit, die Menschen konkret hilft, keinen Stellenwert mehr zu haben scheint.“ Dennoch: Es würden auch bei aktuell anderen relevanten Themen Gespräche mit der Stadt geführt und alternative Lösungen gesucht, so das PLUS-Mitglied. Der Wille ist also oftmals da.
Lösung für Stadtjugendring gefunden
Keine größeren Konsequenzen hat der knappere Haushalt indes zum Beispiel für die Planung des Stadtjugendrings – dabei sah das zunächst noch danach aus. Nachdem der Gemeinderat unter anderem beschlossen hatte, die Projektstelle „Refresh & Recover“ nicht zu verlängern, hatten die mehr als 30 Mitgliedsverbände des Stadtjugendrings bereits über Einschnitte beraten. So sollte aus Kapazitätsgründen unter anderem das traditionsreiche Kinderspektakel nicht mehr stattfinden, hatten die Vorsitzenden des Stadtjugendrings, Theo Argiantzis und Laura Gattner, dieser Redaktion erklärt.
Ein paar Tage später korrigiert Geschäftsführerin Karin Heinelt: Mittlerweile habe sich dank des Fürsprechens von Oberbürgermeister Christian Specht ein privater Förderer gefunden, der die Projektstelle für weitere drei Jahre sichere. Die Streichungen im Jahresplan seien dadurch hinfällig. Somit könne auch das Kinderspektakel am 20. September im Herzogenriedpark stattfinden, sagt Heinelt.
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