„Oma, halt die Klappe!“, riet man mir, weil ich es wagte, die Anspruchshaltung und die Hybris junger Leute zu kritisieren. Kommt nicht in Frage. Im Gegenteil habe ich ein ganzes Buch darüber geschrieben. Denn wir müssen alle etwas tun, um den Generationenkonflikt einzudämmen.
Was ein Shitstorm ist, wusste ich. Wie es einem ergeht, wenn man Zielscheibe unfreundlicher bis boshafter Wortmeldungen aus der Bevölkerung ist, ahnte ich nur. Seit vergangenen Juni weiß ich es. Damals erschien ein Gastkommentar von mir im „Handelsblatt“ mit der Überschrift „Generation Z floppt in der Arbeitswelt“.
In diesem Kommentar berichtete ich über die eklatante Anspruchshaltung junger Leute, ihre absurd überzogenen, bisweilen unverschämten Forderungen an Unternehmen. Ich verwies zudem auf die Hybris junger Erwachsener: „Unter der Weltrettung machen sie es nicht. Denn die Wohlstandskinder der Generation Z fühlen sich zu Höherem geboren.“ Und ich riet Arbeitgebern: „Sie sollten besser auf die über 45-Jährigen setzen – die sind krisengestählt und leistungsbereit.“
Ärger über die Generation Z
Mein Artikel verbreitete sich in rasendem Tempo über die sozialen Medien – und ich, selbst nicht mehr ganz jung, hatte einen veritablen Shitstorm am Hals. „Oma, halt die Klappe!“, gehörte noch zu den freundlicheren Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Na klar, ich hatte zugespitzt. Aber es handelte sich um Tatsachen, mein Befund war kein Hirngespinst.
Führungskräfte und Unternehmer schrieben denn auch prompt in Mails an mich oder auf Portalen: „Endlich spricht es mal jemand aus!“ Denn Firmen aller Größen – vom Handwerksbetrieb bis zum DAX-Konzern – können es nicht tun. Würden sie wie ich derlei Kritik laut äußern, wären sie bei jungen Leuten unten durch. Doch auf die sind sie wegen des Personalmangels dringend angewiesen.
Fakt jedenfalls ist: Das Problem ist in allen Teilen der Wirtschaft bekannt und wird heiß diskutiert. Dabei befinden sich die Unternehmen in einer abstrusen Situation. Sie beschweren und ärgern sich permanent über Angehörige der Generation Z, also die Jahrgänge von 1995 bis 2010, aber umgarnen sie zugleich und erfüllen alle Wünsche, damit sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Vier-Tage-Woche? Na klar! Sabbatical? Gerne! Home-Office? Selbstverständlich! Exorbitantes Einstiegsgehalt? Gerne, wenn es sein muss!
Die Gastautorin
Susanne Nickel ist Expertin für Arbeit und Wandel und selbstständige Unternehmensberaterin, Coach und Speakerin.
Die Autorin mehrerer Bücher studierte bei Pina Bausch Tanz und danach – als alleinerziehende Mutter – Jura. Sie war anschließend als juristische Pressesprecherin tätig.
Sie ist niedergelassene Rechtsanwältin, studierte Wirtschaftsmediatorin und war langjährige Managerin bei der Haufe Akademie und bei Kienbaum. Zu ihren Kunden gehören fast alle 30 Dax-Unternehmen. Susanne Nickel lebt in Bayern.
Susanne Nickel: „Verzogen. Verweichlicht. Verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt.“ Finanzbuch Verlag, 208 Seiten.
Schauen Sie nur mal auf eine Webseite einer Firma: Dort werden Klimaschutz, Nachhaltigkeit und die Sinnhaftigkeit des Tuns gepriesen, wird gegendert und es geht divers zu. Denn darauf stehen sehr viele junge Erwachsene. Der Generation Z geht es nämlich nicht darum, was ein Unternehmen verkauft, sondern, ob ein Ziel über allem steht, am besten die Verhinderung des Weltuntergangs.
Ich weiß, das ist voller Polemik. Ist Absicht. Ich will eine Debatte anstoßen, um zu verhindern, dass sich der Generationenkonflikt, den es schon gibt, verschärft und der Streit vollends zu Lasten der Wirtschaft geht, die unter dem Fachkräftemangel schon genug leidet. Ich befürchte, dass das Thema gesamtgesellschaftlich total unterschätzt wird. Es treibt mich um, weshalb ich sogar ein ganzes Buch dazu geschrieben habe. Denn die große Mehrheit der Unternehmen kann schon jetzt offene oder demnächst frei werdende Stellen nicht besetzen. Der demografische Faktor wird das Problem millionenfach verschärfen, da die älteren Generationen, vor allem die Babyboomer, in die Rente gehen.
Früher hieß es: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Diese Entwicklung gefährdet – zusätzlich zu Kriegen und Krisen in der Welt – unseren Wohlstand. Und die in weiten Teilen verwöhnte Generation Z verhält sich so, als gehe sie das nicht wirklich etwas an, als falle Wirtschaftswachstum vom Himmel, als fülle sich die Staatskasse wie von selbst.
Milliarden Euro sind nötig, um Klimaschutz, sozialen Frieden und Ausgaben zur Verteidigung der Demokratie zu ermöglichen – also genau das, was junge Menschen verständlicherweise und zurecht fordern. Nur fehlt viel zu vielen banales ökonomisches Wissen, um den Zusammenhang zu erkennen, dass nur ausgegeben werden kann, was verdient wird.
„Ich lehne Leistungsorientierung ab“, sagte ein Teilnehmer aus der Generation Z bei einem von mir geleiteten Workshop, der bezeichnenderweise ständig von „Freizeit“ und „wohlfühlen“ sprach. „Wichtig ist mir, dass es mir gut geht, ich genug Freizeit habe für Sport und das, was mir Spaß macht. Und auch im Job will ich mich wohlfühlen.“
Früher hieß es: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Heute verkehren das viele junge Leute ins Gegenteil. Was ich sehr gut verstehe, denn die Generation Z ist aufgewachsen unter Eltern und Großeltern, die für den Job ihre Gesundheit ruinierten, manchmal – im wahrsten Sinne des Wortes – bis zum Umfallen schufteten und wochen- oder monatelang mit Burnout ausgeknockt waren. Wer das erlebt hat, wird dafür sorgen, dieses Schicksal nicht zu teilen. Richtig so.
Autorin kommt aus Ludwigshafener Arbeiterfamilie
Aber deshalb den Leistungsgedanken zu verpönen – das halte ich für völlig falsch. Ich komme aus einer Ludwigshafener Arbeiterfamilie, wo viele meiner Verwandten in der BASF gearbeitet haben. Schon früh war für mich klar: Ich will etwas erreichen, gut verdienen. Heute arbeite ich als Coach und Beraterin, die Unternehmen und Belegschaften fit für Veränderungen macht, damit es nicht zu Verwerfungen kommt. Der Job entspricht meiner Lebenserfahrung. Ich war auf der Tanzakademie in Mannheim, konnte aber aus persönlichen Gründen nicht Berufstänzerin werden, studierte als alleinerziehende Mutter Jura. Ich sah mich regelrecht in der Pflicht, es nach oben zu schaffen, da ich das erste Mitglied meiner Familie war, das zur Uni gehen konnte.
Und heute? Macht so gut wie jede/r Abitur, weil Eltern glauben, dass ihre Kinder unbedingt studieren müssen, denn Handwerksberufe oder andere Jobs ohne Uni-Besuch sind angeblich nicht gut angesehen, was Unsinn ist. Der Nachwuchs wird verwöhnt und verhätschelt. Was dabei herauskommt, berichte ich vielfach in meinem Buch. Etwa die Geschichte des jungen Mannes, der im Bewerbungsgespräch von der für ihn erschütternden Realität erfuhr, dass die Firma – man lese und staune – das ganze Jahr arbeitet. Er stellte daher die für ihn wichtige Frage: „Wie, im Winter muss ich auch arbeiten? Da ist es doch aber kalt, das mag ich nicht so gern.“ Zu Ihrer Info: Es handelte sich um einen Sanitärbetrieb! Die haben bekanntlich gerade im Winter viel zu tun.
Die Wettergötter kannten keine Gnade mit der Firma: Der junge Mann sagte ab, der Gedanke an eiskalte Fahrten durch verschneite Straßen war ihm offenbar zu viel des Horrors. Immerhin konnte der Betrieb sich rechtzeitig nach Alternativen umschauen. Bitterer ist es für Unternehmen, wenn Auszubildende oder neu Eingestellte nach wenigen Wochen oder Monaten hinschmeißen und der Einstellungsprozess für die Katz war. Das tun nämlich nicht wenige.
Die richtige Mischung macht es
Es geht aber noch schlimmer: Junge Leute, die Lehr- und Arbeitsverträge unterschrieben haben, erscheinen gar nicht erst an Tag eins im Job und verschwinden von der Bildfläche. Leisten können sie es sich. Denn das Unternehmen ein paar Straßen oder spätestens ein Stadtviertel weiter sucht ebenfalls Personal – das macht die Generation Z so mächtig.
Führungskräfte in Unternehmen zitieren junge Leute so: „Acht Stunden am Stück an einem Tag arbeiten, das schaffe ich einfach nicht, das ist mir zu anstrengend.“ Köstlich ist das Statement eines jungen Mannes, das mir so wiedergegeben worden ist: „Ich hätte gerne immer am Montag und am Freitag frei.“ Die Stelle war „Vollzeit“ ausgeschrieben. Ich weiß, all das klingt wie aus einer anderen Welt. Aber die Zitate und Begebenheiten, von denen ich berichte, stammen sämtlich aus Bundesländern zwischen Flensburg und Füssen.
Natürlich ist das die Spitze des Eisbergs. Es gibt viele fleißige junge Leute, den Begriff der „Generation faul“ lehne ich strikt ab. Aber Sie werden nun verstehen, warum ich der Meinung bin, dass diese Entwicklungen öffentlich benannt werden müssen. Die Generation Z zwingt uns, die Arbeitswelt neu zu denken. Das ist gut so. Die älteren Generationen sind nicht fehlerlos. Jung und Alt können voneinander lernen und Arbeit für alle besser machen. Es ist wichtig, dass wir trotz anderer Sozialisierung, Werte und Bedürfnisse Bereitschaft zum Dialog schaffen, um konstruktive Lösungen zu finden. Nur die richtige Mischung macht es. Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der wirklich funktioniert. Ich helfe gern!
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