Wie können wir wieder den Frühling in unsere Beziehung einkehren lassen, Frau Jornitz?

Nach Frühling, Sommer und Herbst hält in vielen Beziehungen der Winter Einzug. Mit welchen Tricks Paare die Eiszeit überwinden können, verrät Therapeutin Ina Jornitz. Ein Gastbeitrag

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Ina Jornitz
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Auch Paare, die schon lange Zeit gemeinsam durchs Leben gehen, können Frühlingsgefühle füreinander wieder zum Leben erwecken. © istock

Mannheim. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Anfangszeit in Ihrer Beziehung als frisch verliebtes Paar? An dieses Gefühl von Leichtigkeit und dem Glaube daran, dass daraus etwas Großes werden kann? Grund für dieses Hochgefühl ist ein Hormoncocktail in unserem Körper. Vor allem das Hormon Dopamin sorgt dafür, dass wir die bekannten Schmetterlinge im Bauch spüren.

Die Gastautorin

Ina Jornitz ist 38 Jahre alt und arbeitet als Systemische Beraterin, Systemische Paartherapeutin und Systemische Sexualtherapeutin mit eigener Beratung im Rhein-Neckar-Kreis (bei Sinsheim in Neckarbischofsheim) und überwiegend online.

Privat lebt sie in einer Patchworkkonstellation mit einem acht Jahre altem Sohn im Wechselmodell sowie einem Hund und seit drei Jahren mit einem jüngeren Partner. Zuvor führte sie eine Fernbeziehung.

Sie ist nach jahrelanger Ehe geschieden und weiß daher genau, wie sich alle vier Jahreszeiten anfühlen und auch, wie man es anders gestalten kann.

Wir befinden uns im Frühling unserer Beziehung. Alles ist aufregend und neu. Doch auch der sonnige Frühling wirft seine Schatten voraus. Trotz der rosaroten Brille bemerken wir hier und da bereits kleinere und größere Unterschiede zwischen uns und unserem neuen Lieblingsmenschen. Aber natürlich übersehen wir diese Differenzen zu diesem Zeitpunkt noch sehr gerne. Zu schön ist der Rausch der Hormone!

Ausnahmezustand tut nicht gut

Doch wie jeder Ausnahmezustand tut uns auch dieser auf Dauer nicht gut. Aufgrund dessen hat die Natur Abhilfe geschaffen und dafür gesorgt, dass sich die hormonelle Zusammensetzung in unserem Körper nach zwei bis drei Jahren verändert. Wir produzieren weniger Dopamin, die rosarote Brille wird blasser und wir nehmen die Unterschiede und Eigenarten bei unserem Partner inzwischen sehr bewusst wahr. Wir schauen nicht mehr weg, und Trennungen sind die Folge. Aus der Verliebtheit ist keine Liebe geworden.

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Doch längst nicht alle Paare gehen hier bereits getrennte Wege. Haben wir erstmal diesen Übergang gemeistert, produziert der Körper vermehrt Serotonin und Oxytocin – unsere „Bindungs- und Kuschelhormone“. Wir sind im Sommer der Beziehung – es ist ruhig und entspannt. Wir fühlen uns angekommen. Das Beziehungskonto ist prall gefüllt, sind wir uns sicher. An dieser Stelle werden Hochzeiten gefeiert, gemeinsame Häuser bezogen und Familien gegründet. Dadurch entstehen neue Herausforderungen. Aber alles halb so wild! Oder doch nicht?7

Prioritäten ändern sich

Nach sieben bis zehn Jahren ist unsere Beziehung „älter“ und längst nicht mehr so frisch wie am Anfang. Aus der vielen exklusiven Paarzeit wurden seltene Verabredungen. Auch die Gesprächsthemen haben sich verändert. Aus: „Welche Träume hast du für die Zukunft?“ wurde ein: „Was machen wir mit den Kindern, damit sie weniger vor dem Tablet sitzen?“

Die Prioritäten haben sich verändert. Die Routine hat sich eingeschlichen. Häufig merken wir dies daran, dass wir weniger Lust auf Zärtlichkeiten und Intimität verspüren. Wir ziehen uns emotional zurück und die Konflikte nehmen zu. Die Hormone Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol haben parallel zu unseren schönen Gefühlen des Sommers an Raum gewonnen. Enttäuschung und Wut kommen auf und die Illusion eines „für immer“ wackelt. Sie denken es sich vielleicht schon: Der Herbst ist da! Es kann stürmisch werden zu dieser Jahreszeit – muss es aber nicht, denn es gibt Möglichkeiten, das Ruder rumzureißen. Aber welche?

Entfremdung schreitet weiter voran

Im Winter schreitet die Entfremdung weiter voran und wir tauschen uns kaum noch darüber aus, wie es uns eigentlich geht, was wir fühlen und was uns beschäftigt. Die Zärtlichkeiten sind fast gänzlich verschwunden, wir streiten uns manchmal laut und manchmal schweigend. Das Interesse an unserem liebsten Menschen ist kaum noch vorhanden. Langeweile macht sich breit. Vielleicht gab es bereits Kontakte zu Personen außerhalb der Beziehung, Menschen die uns wieder das Gefühl des Frühlings geben. Der Ist-Zustand fühlt sich nicht gut an! Resignation, Frust und Verbitterung machen sich breit. Was haben wir nur falsch gemacht? Wie konnte es soweit kommen?

Wir alle lernen Beziehungen bereits in jungen Jahren von unseren Bezugspersonen über Beobachtung, durch verbale Interaktion und vor allen Dingen durch deren Bewertung unseres Verhaltens. Wenn in unserer Herkunftsfamilie bestimmte Themen unter den Teppich gekehrt wurden, dann tendieren wir auch als Erwachsene dazu, beispielsweise Konflikten aus dem Weg zu gehen. Mit Streit wird das Ende der Beziehung verbunden. Daher lieber nichts sagen, als einen Streit zu riskieren.

Das sind die Lösungen

Doch wie es die Liebe will, haben wir uns ausgerechnet eine Beziehungsperson gesucht, die in dieser Hinsicht ganz anders tickt. Bei dieser wurde in der Familie diskutiert, konfrontiert und gestritten. Unser lieber Mensch hat gelernt, dass Konflikte nicht tragisch und sogar notwendig sind. Was also tun, wenn zwei so unterschiedliche Charaktere gemeinsam durchs Leben gehen wollen?

Die Lösung liegt darin, Verständnis und Akzeptanz für die Andersartigkeit des Partners zu entwickeln. In den wenigsten Fällen sorgen die Partner vorsätzlich für Konflikte. Meistens ist es schlichte Fahrlässigkeit, die dem Umstand geschuldet ist, dass wir unserem Partner nicht mehr die Aufmerksamkeit aus der Anfangszeit schenken und vermehrt mit anderen Themen beschäftigt sind. Aber wie ist es möglich, das Interesse über all die Jahre aufrechtzuerhalten? Was ist das Geheimnis von glücklichen Paaren? Wie schaffen sie es, die Andersartigkeit des Partners zu akzeptieren und sich die Leichtigkeit aus dem Frühling der Beziehung immer wieder herzustellen? Ganz „einfach“: Diese Paare haben die Verantwortung für ihre Beziehung und ihr Leben übernommen und gelernt, wie ihre Beziehung funktioniert. Und das Schöne ist: Das können Sie auch, denn Beziehung ist lernbar! Sexualität ist lernbar!

Wandel der Beziehung annehmen

Sicher, auch diese Paare hatten ihre Höhen und Tiefen, aber sie sind aktiv geworden, als sie gemerkt haben, dass sich die Beziehung in eine falsche Richtung entwickelt. Sie haben gelernt, den Wandel der Beziehung anzunehmen und sie aktiv zu gestalten und individuelle Lösungen für ihre Probleme zu finden. Doch dafür ist eines nötig: Das Eingeständnis, dass eben nicht alles glatt läuft und man als Paar manchmal Unterstützung benötigt.

Wir alle wissen, dass Krisen Teil von Beziehungen sind und dennoch werden diese zu selten offen kommuniziert. Die Scham ist groß. Was denken nur die anderen über uns? Während es in anderen Ländern – allen voran in den USA – gängig ist, sich Hilfe zu suchen, läuft in Deutschland vieles gar nicht oder im verborgenen ab. Gute Paartherapeut:innen und vor allem Sexualtherapeut:innen werden hinter vorgehaltener Hand weiterempfohlen und am besten passiert dies noch anonym, dabei sollte es Standard sein, sich und seiner eigenen Beziehung den Wert zu geben, sich einen freudigeren Umgang miteinander zu gönnen.

Das machen glückliche Paare richtig

Das ist schade, denn es würde den meisten von uns ausgesprochen gut tun, genauer hinzuschauen, zu sich und der Beziehung zu stehen und ihr die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient. Ist sie doch ein wesentlicher Bestandteil in unserem Leben.

Glückliche Paare tun das. Sie haben gelernt, dass sie die Umbruchphasen, die jede Beziehung mit sich bringt, gemeinsam gestalten und den Partner mit jedem Konflikt ein Stück weit besser kennenlernen können – auch nach Jahren. Wenn Paare wissen, was sie brauchen, um Differenzen bewältigen zu können, sorgt Streit dafür, dass sie sich danach näher sind als vorher. Es entstehen Bindungsmomente anstatt Gräben.

Wahren Bedürfnisse erkennen

Hierfür ist es notwendig, die wahren Bedürfnisse hinter den Streitthemen zu entdecken. Es geht selten wirklich um die Themen, die der Anlass der Konflikte sind: „Du hast den Müll schon wieder nicht rausgebracht!“ oder „Jetzt hatten wir schon wieder wochenlang keinen Sex mehr!“ Paare streiten auf der Verhaltensebene, wobei es häufig zugeht wie vor Gericht. Anklage und Verteidigung.

Dabei geht es in diesen Beziehungsprozessen vielmehr darum, endlich wieder gesehen und gehört zu werden, wichtig zu sein und begehrt zu werden. Wenn wir uns füreinander öffnen, uns wahrgenommen und respektiert fühlen, öffnet das die Tore für die Frühlings- und Sommergefühle, die wir alle so lieben. Etwas anders machen als bisher – einen Unterschied machen, damit sich das Beziehungskonto wieder füllen kann. Das ist es, worum es in Beziehungen geht.

Stabilität und Nähe erzeugen über Akzeptanz und Neugestaltung. Es geht nicht darum, recht zu haben, gar nichts-, oder mehr vom Selben zu tun, denn dabei verliert meist die Beziehung. Das alles muss nicht sein. Beziehungen sind persönlicher und gemeinsamer Wachstum, wenn wir den Wandel annehmen und ihn selbst gestalten. Erinnern Sie sich daran!

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