Zeitreise

Industriegeschichte im Tal der Hämmer zwischen Freudenstadt und Baiersbronn erleben

Bergbau, Eisenverarbeitung - spannende Einblicke in die beginnende Industrie im Tal zwischen Freudenstadt und Baiersbronn bietet unter anderem das Museum Königshammer und derzeit die Gartenschau.

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 

Plong, Plong, Plong, macht es immer wieder. Plong, Plong, Plong. Laut, durchdringend, monoton. Ununterbrochen sind hier die metallischen Geräusche zu hören, immer im gleichen, eintönigen Rhythmus. Im „Königshammer“ in Baiersbronn ertönt dieses Geräusch von einem mächtigen Hammer, der auf das glühende Eisen auf dem Amboss herabsaust. Aber es ist nur ein einzelner Hammer. Wie laut wird das erst gewesen sein, als hier um das Jahr 1884 herum 14 solcher Hämmer standen, um Sensen herzustellen?

Rund um die Uhr im Schichtbetrieb haben Arbeiter in diesem „Königshammer“, benannt nach dem württembergischen König Friedrich und angetrieben vom Wasser des Forbachs, einst geschuftet. Der ständige metallische Klang der Hammerwerke macht das Friedrichstal zum „Tal der Hämmer“. 1365 entstehen hier die Königlichen Hüttenwerke, das älteste Industrieunternehmen Deutschlands. Die Wurzeln lassen sich sogar bis ins Jahr 1267 zurückverfolgen.

Heute zeigt das kleine Museum die Industriegeschichte im Nordschwarzwald, die sich auch anhand der Tafeln eines Erlebnispfads und - gerade jetzt während der Gartenschau Freudenstadt und Baiersbronn - bei einigen weiteren attraktiven Stationen von der Feilenschmiede bis zum Platzmeisterhaus, wo der örtliche Verwalter residiert hat, oder dem Laborantenhaus genannten Arbeiterhaus erkunden lässt.

Museum Königshammer: Informationen für Besucher

Museum Königshammer: Am Sensenhammer 9, 72270 Baiersbronn-Friedrichstal, Tel: 07442 604210

Erlebnispfad: Am Museum beginnt der rund vier Kilometer lange Erlebnispfad „Im Tal der Hämmer“, der rund um Friedrichstal zu interessanten geschichtlichen Stationen führt.

Gartenschau : Museum und Erlebnispfad sind derzeit Teil der Gartenschau Freudenstadt & Baiersbronn „Tal X“. Sie dauert bis 12. Oktober. Kassen Marktplatz Freudenstadt und Gartendorf Baiersbronn täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Tageskarten kosten 19 Euro, ermäßigt 17 Euro (Kinder ab 17, Azubi, Studenten, Schwerbehinderte, Freiwilligendienst, Schüler mit Nachweis). Kinder bis einschließlich 16 Jahre sind kostenlos. Zwei-Tageskarten für zwei aufeinanderfolgende Tage kosten 30, ermäßigt 25 Euro. Tagestickets und Zweitagestickets gelten gleichzeitig als Fahrkarte für den ÖPNV des Tarifverbunds im gesamten Landkreis Freudenstadt. Es empfiehlt sich daher, die Karten vorab online zu bestellen: www.tal-x.de

Museum im Stadthaus Freudenstadt: Dienstag bis Sonntag 10 Uhr bis 17 Uhr. Eintritt frei.

Baden-Württemberg verfügt aufgrund seiner vielfältigen Geologie über zahlreiche Erzlagerstätten. Bereits seit der Jungsteinzeit und bis ins 20. Jahrhundert hinein werden sie zur Gewinnung einer Vielzahl unterschiedlicher Rohstoffe genutzt. Gerade im Tal zwischen Freudenstadt und Baiersbronn sind vom Abbau der Erze und ihrer Verhüttung zu Eisen, Silber, Blei, Kupfer und anderen Metallen viele ehemalige Bergwerke, Schmelzplätze, Arbeitsstätten und Verwaltungsgebäude erhalten geblieben. Beata Hertlein, Referatsleiterin Denkmalfachliche Vermittlung im Landesamt für Denkmalpflege, hat deren Geschichte aus Anlass der Gartenschau aufgearbeitet.

Harte Arbeit am heißen Ofen der Schmiede

Das Museum im „Königshammer“ geht indes auf einen Verein, die Dorfgemeinschaft Friedrichstal, zurück. Bis 1961 in Betrieb, hat der ihn bereits 1996 restauriert, nun aber erneuert und mit verdoppelter Ausstellungsfläche erweitert. Von der Stechuhr, einem Anwärmofen, beispielhaften Werkzeuge und Produkten bis zur prächtigen rot-schwarzen Fahne mit dem württembergischen Wappen wird hier an die große Zeit der Schmiede erinnert. Eine Puppe trägt die Uniform der einstigem Werkskapelle, die über drei unterschiedliche Kopfbedeckungen verfügt – mit roter Feder für den Alltag, mit weißer Feder für Hochzeiten und mit schwarzer Feder für Beerdigungen. Und eine gesticktes Geschenk für ein Arbeitsjubiläum verkündet: „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, schuf auch die Eisenmänner. Drum segne Herr auch überdies den Amboss und die Hämmer“ aus dem Gedicht „Vaterlandslied“ von Ernst Moritz Arndt von 1812.

Aber das ist nur ein bisschen Folklore, während der Schwerpunkt auf der harten Arbeit liegt. 13 Stationen zeigen die 36 Produktionsschritte, bis eine Sense fertig ist. Dazu muss erst ein zwölf Zentimeter langes Stück von einem Roheisen abgeschnitten („Ablängen“), dieser dann „Zain“ genannte Rohling erhitzt, angeschmiedet und so zum Sensenblatt ausgeformt werden („Breiten“). Es wird im Ofen gehärtet, im Ölbad abgeschreckt, mit Sägemehl abgeputzt, nochmal in den Ofen gesteckt. Der „Abschneider“ schneidet mit einer Schere das Blatt dem Sensenmuster entsprechend vom Bart bis zur Spitze zurecht. Durch „Tupfen“ erhält das Sensenblatt unzählige kleine Wölbungen, die es später stabiler machen. Beim „Dengeln“ wird die vordere Kante des Sensenblattkorpus so dünn geklopft, dass eine scharfe Schneide entsteht. Dann Polieren, Lackieren, mit dem Markenzeichen versehen und in Ölpapier einwickeln – es ist aufwendig und anstrengend, so ein Werkzeug herzustellen; vom feinen Staub, der beim Schleifen entsteht, den Dämpfen des Ölbads oder der Lärmbelastung abgesehen.

Neue Stadt für Glaubensflüchtlinge gegründet

Harte Arbeit kennzeichnet das Leben in dem Schwarzwaldtal aber über Jahrhunderte. Erste Hinweise auf Erzvorkommen, deren Abbau und Verarbeitung gibt es schon im Jahr 1267. „Bauliche Spuren finden sich aber erst aus jüngerer Zeit“, so Beata Hertlein. Herzog Christoph von Württemberg (1515–1568), auch bekannt für seine politische Führungsrolle unter den deutschen Protestanten während der Reformation, intensiviert den Abbau – Christophstal heißt daher ein Teil des Landstrichs hier, das daran anschließende Friedrichstal erinnert an Friedrich I. (1593–1608). Diese beiden Regenten seien die Hauptförderer des Bergbaus in der Region gewesen, sagt Beata Hertlein.

Schon der Christophstollen bringt eine so eine gute Ausbeute, dass ab 1572 eine kleine Siedlung (Christophstal) und eine Schmelzhütte errichtet werden. Friedrich gründet ein Eisenwerk, treibt den Bergbau voran und ruft 1599 nach Plänen des Baumeisters Heinrich Schickhardt eine Renaissance-Planstadt ins Leben, um Arbeiter für den Bergbau anzusiedeln: Freudenstadt, ausgelegt für 3500 Menschen. Vor allem Glaubensflüchtlinge aus der Steiermark, Kärnten und Krain kommen dadurch in den Schwarzwald, die hier mit Freuden aufgenommen werden – daher der Name. Sie sorgen für eine enorme Blüte des Bergbaus. Mit dem Erlös des Bergbaus will Herzog Friedrich I. sein im Zentrum von Freudenstadt geplantes, aber doch nie realisiertes Schloss finanzieren.

Kupfererz, Fahlerz und Eisennester, zeitweise auch Silber, werden abgebaut, in der Grube Sophia wird sogar Kobalt – was einmalig ist im Nordschwarzwald – entdeckt. Das Revier gehe auf im Tertiär, also bis vor etwa 2,6 Millionen Jahren, mineralisierte Spaltenfüllungen zurück, die parallel zum Oberrheingraben entstanden, so die Fachfrau vom Landesdenkmalamt. Gleich zwei Bergwerke sind teilweise erhalten und zu besichtigen, das Besucherbergwerk „Heilige Drei Könige“ und – derzeit als Teil des Gartenschaugeländes – das Mundloch der Grube Sophia, das lange in Vergessenheit geraten war und erst 1995 wieder von einem Baggerführer entdeckt und freigelegt worden ist. „Ein spannendes Kulturdenkmal“, wie Hertlein findet. Hier ist nachzuvollziehen, wie die Bergleute – oft liegend – in nasskalter, dunkler Umgebung schmalen Erzadern mit Schlägel, Bergeisen und Kratze nachgegraben und gegen eindringendes Wasser gekämpft haben.

Mehrfach wird der Abbau als unwirtschaftlich eingestellt, dann doch wieder aufgenommen. Inzwischen ist nur das Mundloch zugänglich, der Stollen nach 131 Metern eingestürzt. Ende des 18. Jahrhunderts endet der Silber- und Kupferbergbau im Christophstal. Nur Eisenerz und Schwerspat fördern die Bergleute im 19. Jahrhundert noch, aber auch das rentiert sich nicht mehr lange. 1988, 1992 und 2007 wird nochmal nach Schwerspat gesuch. Seit 2009 hat man das endgültig aufgegeben.

Die Firma des Königs gibt es noch heute

Werden zunächst nur die in den Bergwerken gewonnenen Erze vor Ort im Tal durch Nutzung der Wasserkraft weiterverarbeitet, konzentrieren sich Handwerker dann immer mehr auf die Herstellung von Sensen, Sicheln und Messern. Ein schönes Beispiel dafür ist die Feilenhauerei Bührle – denn sie steht gleich für zwei Epochen. Von 1622 bis 1628 ist hier die herzogliche Münze. „Da werden Taler, Gulden und Kreuzer geprägt“, so Hertlein. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) setzt nämlich rasch eine Münzverschlechterung ein – sprich der Edelmettallgehalt der Münzen sinkt. „Kipper- und Wipperzeit“ (1621–1623) nennt sich das, wenn die Fürsten „Kippen“ (Einschmelzen der guten Münzen) und „Wippen“ (Auswiegen der schwereren Stücke). Der Herzog beendet das, lässt 1623 bis zu seinem Tod 1628 im Christophstal nur noch werthaltigere Münzen prägen.

Mehr zum Thema

Zeitgeschichte

Als die Russen abzogen: Wie Österreich 1955 wieder souverän wurde

Veröffentlicht
Von
Konstantin Groß
Mehr erfahren
Hochglanzmagazin

Mit dem „Zeitreise“-Magazin zu Ausflügen in die Region

Veröffentlicht
Von
Stephan Eisner
Mehr erfahren
Zeitreise

Vor 125 Jahren: So kam Mannheims Nahverkehr ins Rollen

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Dann errichten die herzoglich württembergischen Hüttenwerke hier ein Hammerwerk: den „Oberzainhammer“. Von 1841 bis 2010, also in drei Jahrhunderten, stellen mehrere Generationen vom Familienbetrieb Graf & Bührle hier mit Wasserkraft Feilen her. Auch wenn sich das wegen der zunehmenden industriellen Produktion irgendwann nicht mehr rentiert habe, so habe man bis zuletzt noch Schleifdienst geleistet, so Hertlein.

Während dieses Handwerk aber ein Ende gefunden hat, kommen weiter Sensen aus diesem Schwarzwaldtal. 1604 wird die erste herzogliche Hammerschmiede in Christophstal bei Freudenstadt gegründet, 1761 erweitert und mit einem Holzkohlehochofen nach Friedrichstal verlegt. Am 8. März 1805 gelingt es erstmals, Stahl im Friedrichstal herzustellen – es ist und bleibt der einzige Ort im Königreich Württemberg. Das Unternehmen SHW gibt es bis heute. Es geht vom Württembergischen König ins Eigentum des Landes Baden-Württemberg über, wird privatisiert als Schwäbischen Hüttenwerke, verkauft an MAN und 1996 aus dem Konzern herausgelöst. Jetzt ist es in Privatbesitz und stellt mit 95 Mitarbeitern Zinken, Messer und Schlegel für die Landtechnikbranche sowie Gartengeräte her.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke