Kolumne #mahlzeit

Wie Selena Gomez wohl nun den ehelichen Beischlaf vollzieht?

Sie hat sich selbst geheiratet und für ihre 350 Millionen Follower und Followerinnen ein Bild im Brautkleid gepostet. Ehepartner ist sie selbst. Das nennt man dann Sologamie. Kolumnist Stefan M. Dettlinger stellt sich Fragen

Von 
Stefan M. Dettlinger
Lesedauer: 
© kako

Allein. Keiner da. Da können – im regelmäßigen Rhythmus des Kaumuskels, der meine Zähne durch die Zähigkeiten ungekochter Zucchini jagt – auch die Gedanken in der grauen Masse in Ruhe kontrahieren. Relaxation. Kontraktion. Allein sein heißt immer: auf sich selbst zurückgeworfen sein in einen Moment der Selbstbefragung. Heute frage ich mich: Wie ist es wohl, sich selbst zu heiraten? Ich habe darüber gelesen. Selena Gomez etwa, die Popsirene aus Texas, hat es getan. Die Liebe zu sich selbst hat sie durch eine symbolhafte Trauung bestätigt, die schwer von einer gewöhnlichen Hochzeit zu unterscheiden war. Selena hat ein Bild für ihre 350 Millionen Follower (!) gepostet, das die 30-Jährige im Hochzeitskleid mit Blumenkind zeigt. Nur eins fehlt: ein(e) Partner(in).

Kann ja sein, dass es leicht ist, sich selbst zu lieben, wenn man aussieht wie sie. Sologamie ist das. Selbst ernannte Philosophinnen schreiben sich jetzt schon die Finger wund. Zitiert wird der große Philosoph Jean-Jacques Rousseau: Bei der Sologamie, so wird hineingedeutelt, handle es sich nicht um (testosteronale) Eigenliebe, eine Art Pervertierung der natürlichen Liebe zu sich selbst. Nein: um Selbstliebe! Offenbar hat die einen guten Ruf. Also ich stelle mir vor, dass die schöne Selena morgens in ihrer Luxusbehausung aufsteht, sich dort, wo andere das Kotzen kriegen, selbst bewundert, ihrem Spiegelbild ein euphorisches „I love you!“ zuruft und dann sagt: „Du, ich geh’ joggen, machst du so lang Kaffee?“ Dass das Ego erotische Beziehungen zu sich selbst haben kann, steht außer Frage. Und vielleicht würde sich ja auch jeder von uns, sähe er aus wie das Ex-Model Selena, in sich selbst verlieben …

Mehr zum Thema

Kolumne #mahlzeit

Warum wir uns mehr vertrauen sollten - Erfahrungen beim Türken

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren
Kolumne #mahlzeit

Ist Neutöner Karlheinz Stockhausen keine Kunst und kann weg?

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren
Kolumne #mahlzeit

Jetzt wollen sie auch noch Juli Zehs Bücher verbrennen - was noch?

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren

Klar, Rousseau sah in der Selbstliebe einen Antrieb zur Selbsterhaltung. Allerdings: Der eheliche Beischlaf, den Selena nun mit Selena ausübt, erhält wohl kaum die Spezies Homo sapiens (vulgaris). Wie man es dreht und wendet: Es bleibt kurios!

Wer von uns hat als Jugendlicher nicht zwei Bücher von Erich Fromm gelesen: „Haben oder Sein“ und: „Die Kunst des Liebens“. Fromm schrieb: „Paradoxerweise ist die Fähigkeit, allein zu sein, die Bedingung dafür, in der Lage zu sein, zu lieben.“ Abgesehen davon, dass Fromm in Selenas Bücherregal wohl kaum Platz gefunden hat, wird das doch in dem Moment missverstanden, in dem jemand sich selbst ehelicht. Wenn ich nicht polygam veranlagt bin, also eine Art Harem pflege (in dem ich mich selbst erblicke und Lust auf mich kriege), bleibe ich ja selbstliebend. Daraus schließe ich: Selena muss polygam sein.

Also ich sehe da eine ungute Entwicklung. Zeigt Sologamie nicht, dass sich die Menschheit zunehmend von sich entfremdet, dass Menschen im ewigen Egoismus nur noch sich selbst, den eigenen Körper, die eigenen Gedanken, Gefühle, Gerüche und Meinungen ertragen? In dieser totalen Ego-Bubble erblicken sie dann wie einst Narziss ihr Ebenbild. In guten wie in schlechten Tagen. Bis dass der Tod sie scheidet – und erlöst. Apropos: Wann erlösen mich eigentlich Alya, Bela und Caro von solch fatalistischen Gedankenspielen? Schlimm!

Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de 

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen