Mein Gott, was schenkt man nur all den Leuten zum Geburtstag – also Leuten, die man mag und schätzt und die umgekehrt betreutes Älterwerden bei einem Festchen schätzen? Natürlich antwortet Gott (mal wieder) nicht. Aber im Ernst: Entweder ich schenke etwas, das ich selbst gern mag. Dann mache ich zwar ein persönliches Geschenk, laufe aber Gefahr, dass das Ding in der Kiste für den Flohmarkt landet. Oder ich schenke etwas, von dem ich ausgehe, dass der Beschenkte es mögen wird. Dann bin ich einfühlsam, laufe aber Gefahr, dass ich etwas schenke, das schon da ist. So habe ich einem meiner Freunde in drei aufeinanderfolgenden Jahren dasselbe Buch geschenkt. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich habe keinen Alzheimer. Soweit ich mich erinnern kann …
Die Sache ist also die, dass ich mit Bela und Caro am Tisch sitze und wir uns fragen, was wir Alya zum Geburtstag schenken sollen. Sie macht Party. Mit allem Drum und Dran. Cocktail. Livemusik. Spiel und Tanz. Pipapo. Wow. Aber was hält man in Händen im Moment, wenn man den Knopf mit der Türglocke drückt?
Wenn man Leuten was schenken will, die sich im Grunde alles kaufen können, was sie begehren – okay, natürlich nicht alles –, da kann man doch nicht mit ’ner ollen Flasche Wein antanzen, finden wir – und haben schnell eine Liste an intellektuellen, kulinarischen, musikalischen, filmischen, grafischen, lustigen oder einfach nur sehr kuriosen Ideen gesammelt. Die intellektuellste Idee ist das neue Buch von Peter Sloterdijk. Wir sind aber nicht sicher, ob Alya Sloterdijk versteht und schätzt. Die kurioseste Idee ist ein Pornomagazin für Frauen, ist Alya doch gerade, nun ja, ohne. Wir sind aber nicht sicher, ob sie Sinn für diese Art von Humor hat.
Irgendwo dazwischen fungiert das Buch „Nachts im Kanzleramt“ (dabei denken wir drei an die vielen ungelesenen Bücher in unseren Regalen, die uns täglich schlechte Gewissen einbläuen), eine CD (gähn …), die Flasche exzellenten Weins (gähn …), eine Eintrittskarte ins Theater (gähn …), ein Gutschein fürs vegetarische Restaurant vor Ort (igitt …) oder ein Wochenende in einem Wellness-Hotel (O Gott, warum hast du mich verlassen …).
Am Ende kommen wir dann zu jenem Schluss, für den wir unsere Eltern und Großeltern immer mit den Worten angeschnauzt haben: „Geld schenken ist so was von unromantisch, Oma!“ Wir kaufen Alya also ein Aktienpäckchen für 150 Euro, weil wir denken: Darüber wird sie sich freuen. Der rebellierende Zorn des antikapitalistischen Karl Marx in Caro und mir lässt sich nur zähmen, weil wir exklusiv in grüne Technologie und also in eine bessere Zukunft investieren werden, wie wir denken. Sonne. Wind. Wasser. Technik. Das ist zwar recht abstrakt als Geschenk. Aber es könnte helfen. Leider fährt der DAX seit einiger Zeit Achterbahn.
So, letzte Woche habe ich alle Oldtimerfahrer gegen mich aufgebracht. Heute sind es die Romantiker und Nostalgiker, die Literatur- und Musikschenker. Irgendwann heißt es dann wohl: Detti gegen den Rest der Welt. Sorry, Leute, ich bin dann mal weg.
Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben_artikel,-ansichtssache-warum-man-zum-geburtstag-auch-mal-ein-aktienpaket-schenken-kann-_arid,1960562.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.demailto:mahlzeit@mamo.de