Warum“, fragt Bela, „spielen bei den French Open eigentlich nur die Männer drei Gewinnsätze, die Frauen gewinnen immer schon mit zwei?“ Wir sitzen bei Spargel. Spargel mit Kartoffeln. Mit Pfannkuchen. Mit Schinken (für Tierfresser). Caro, die sicher noch nie Tennis gespielt hat, sagt: „Du fragst, obwohl du die Antwort schon kennst: Wir sind das schwache Geschlecht! “ Das war ironisch. Natürlich. Und Caro läuft ein wenig grün an. „Stimmt“, sagt Bela, „ihr seid in allen – in allen? – ja: in allen Sportarten schwächer als wir. Außer beim Boule-Spiel vielleicht.“ Das erhoffte Lachen bleibt jetzt selbstverständlich aus.
„Frauen können in allem exakt so gut sein wie Männer“, sage ich, „sie sind genau so klug oder doof. Aber Männerkörper sind einfach größer und haben mehr Muskeln. Das hat neulich auch Andrea Petkovic gesagt, ihr wisst schon: die ehemalige Top-10-Tennisspielerin.“ Aber, so Bela, man sage doch immer, Frauen seien leidensfähiger und zäher, und da bei Grand-Slams ja sowieso Frauen gegen Frauen spielten, spreche doch nichts gegen Gleichbehandlung!“ Da hat er irgendwie recht. Spiele des wehleidigen Geschlechts dauern da oft vier, fünf Stunden, John Isner und Nicolas Mahut haben einmal sogar elf Stunden und fünf Minuten gespielt. Die Rekordhalterinnen des harten Multitasking-Geschlechts, Francesca Schiavone und Swetlana Kusnezowa, kommen nur auf vier Stunden 44.
„Ich kann euch sagen, warum das alles so ist“, triumphiert Bela und bekommt (natürlich) unsere volle Aufmerksamkeit. „Damenprofitennis“, sagt er, „war, als sich – sorry – kein Schwanz dafür interessierte, von Anfang an eine sexualisierte Veranstaltung mit modebewussten, attraktiven jungen Spielerinnen. Es ging nicht nur um Sport.“ Caro fragt, was denn junge attraktive Spielerinnen sein sollen. Na ja. Schwamm drüber. Jedenfalls erzählt Bela jetzt von den 1920ern, als eine Suzanne Lenglen ohne Strümpfe, dafür mit Pelzmantel, Plissee-Rock und qualmender Kippe den Court betrat und für Aufsehen sorgte. Er erzählt von Billie Jean King, die das Damentennis mit der Gründung des WTA-Verbandes professionalisierte und forderte: Die Preisgelder müssen so hoch sein wie bei den ATP-Männern. „Aber wisst ihr was?“, fragt er uns mit offenem Mund Zuhörenden, „die haben sich 1973 dafür prostituiert. Denn weil sich einfach kein Mensch, der im Sport nun mal oft ein X- und ein Y-Chromosom besitzt, für Damentennis interessiert hat, wurden die Röcke immer kürzer, die T-Shirts enger und der Körperkult wichtiger – und siehe da: Damentennis war plötzlich an die Männerwelt verkaufbar.“
„Da seht ihr’s wieder: Die Männer sind schuld“, sagt Caro angeekelt. Nein, sagt Bela: „Die Konsequenz, dass sich niemand für Damentennis interessierte, hätte auch lauten können: Okay, dann spielen wir halt zum Spaß und üben andere Berufe aus. Die DFB-Fußballerinnen spielen ja auch nicht im Beachvolleyballbikini, nur damit mehr Männer gaffen und die Werbegelder fließen.“ Ich habe noch nie erlebt, dass Caro mal nichts eingefallen ist. Sie schaut nur. Ich glaube, sie gibt Bela recht. Es ist das erste Mal.
Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben_artikel,-ansichtssache-wie-sich-die-tennisdamen-einst-mit-kurzen-roecken-prostituierten-_arid,1955160.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.demailto:mahlzeit@mamo.de