Mannheim. Übrigens … muss man keine telepathischen Fähigkeiten besitzen, um zu prophezeien, dass bei der Wahl am 9. Juni vorab verschickte Stimmen einen beachtlichen Anteil ausmachen werden. Heutzutage dürfte wohl niemanden (mehr) umtreiben, ob per Post auch Tote votieren. Solcherart Argwohn waberte freilich jahrelang durch die öffentliche Meinung, nachdem 1957 die Briefwahl eingeführt worden ist. Davon künden damalige „MM“-Berichte. Beispielsweise wird in einer Reportage über das einstige IBM-Rechenzentrum an der Breiten Straße, wo im September 1961 das Mannheimer Ergebnis der vierten Bundestagswahl „aus den Maschinen quoll“, ein leitender Mitarbeiter zitiert: „Wissen Sie, dass vielleicht Tote mit gewählt haben?“
Der Mann mit zwei Doktortiteln erläutert verblüfften Kommunalpolitikern, Bürgermeistern und Journalisten, dass in jener Frist, in der ein Polit-Votum auf die Post gegeben werden darf, etwa hundert erwachsene Menschen im Mannheimer Wahlbezirk sterben. Und einige könnten noch vor dem Tod ihre Stimmzettel verschickt haben. Der Briefwahl-Kritiker verweist auf die im Grundgesetz verankerte geheime Wahl. Diese müsse auch innerhalb der Familie gewahrt bleiben, argumentiert der IBM-Mann und gibt zu bedenken, dass „ein Vater für die ganze Familie die Kreuze malen könnte“. Mit dem Einwand, ein gleich Urlaubsgrüße verschickter Stimmzettel entwerte den Gang zur Urne und leiste „Vermassung“ Vorschub, stand der Mahner seinerzeit keineswegs allein. Gleichwohl hat sich, wie allseits bekannt, die vom Wahlsonntag unabhängige Option durchgesetzt. Bereits 1961, so ist dem „MM“-Artikel zu entnehmen, sind allein in Mannheim vor der Bundestagswahl knapp 15 000 entsprechende Stimmunterlagen beantragt worden. Salopp ausgedrückt: Bei der Briefwahl ging allen Einwänden zum Trotz schon früh die Post ab!
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Glosse "Übrigens" Warum bei der Kommunalwahl in Mannheim auch Tote wählen könnten
Der Anteil der Breifwahl wird immer größer - so auch bei der anstehenden Kommunal- und Europawahl am 9. Juni. Statistisch gesehen, könnten bei dieser Wahl auch zahlreiche bereits verstorbene Wählerinnen und Wähler dabei sein