Was Glück sei, habe ich in letzter Zeit immer wieder mal Leute auf der Straße gefragt. Okay, die waren alle eher gut situiert und hatten, global betrachtet, nur kleinere Probleme wie: In welcher Farbe kaufe ich mir nun den Tesla Model S Plaid? Wahrscheinlich musste ich mir auch deshalb Antworten anhören wie: Gesundheit, genügend Geld (was beim Tesla 130 000 Euro sind), gutes Essen, guter Wein. Solches Zeug. Bla. Bla. Bla. Okay, ich will nicht unfair sein. Manch eine sagte als Fünftes oder so auch Familie. Oder Freunde. Einmal hörte ich Liebe. Da kommen wir der Sache schon näher.
Dass ich mit Alya, Bela und Caro die optimale Schicksalsgemeinschaft habe, zeigte ihre Reaktion. Bevor sie etwas sagten, stellten sie in einer großen Frühjahrsoffensive Rückfragen: Meinst du Glück als Abwesenheit von Unglück (Alya: „… etwa vom Lkw überrollt zu werden“)? Oder einen Sechser im Lotto zu haben? Oder etwas Großes, Philosophisches?
Leute, die mich kennen, wissen: Es geht um Letzteres. Mein Fehler bei der Sache war – ja, ich mache leider immer noch täglich Fehler – nach Glück zu fragen statt nach Erfüllung. Was ist für dich ein erfülltes Leben? Da wird man doch gleich von so einem schwarzen Löchlein eingesaugt und in eine funkelnde Gedankengalaxie geschleudert, in der Zeit, Raum und Materie greifbar vor einem schweben. Dort stellt man sich dann die großen Fragen: Wozu bin ich da? Und wenn ja, warum?
Also der alte Goethespruch – Welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! – trägt schon Wahrheit in sich. Aber wie entsteht Liebe, wenn sie nicht genetisch ist? Oder erotisch? Wohl doch durch Hinwendung, Fürsorge, Da-Sein-für-andere. Auf Lieben folgt Gegenlieben. In der Regel. Ich will ja jetzt keine Bibelstunde abhalten. Da bin ich nicht kompetent. Aber natürlich wusste das keiner besser als Good Old Jesus. Und jeder, der die Sache mit der Liebe und dem Da-Sein-für-andere ernst nimmt, weiß auch, dass dieses Zuerst-an-die-anderen-und-dann-an-mich-Denken bis zu einem gewissen Punkt mit Selbstverleugnung zu tun hat. Um für andere da zu sein, muss ich mich erst mal vergessen. Das ist der Punkt. Und will hier jemand bestreiten, dass die Freude und Liebe desjenigen, dem man hilft, extrem erfüllend sind?
Aber dann bliebe für die Erfüllung noch die Sache mit dem, was von einem bleibt, wenn man weg vom Fenster ist. Kinder, Werke, Taten. Ein Buch. Ein Baum. Eine Stiftung. Große Sachen. Also mein Leben wäre am Ende erfüllt, wenn die Leute bei meiner Beerdigung denken würden: „Der Detti war ein cooler Typ, der war für andere da, hatte immer einen lustigen Spruch auf den Lippen, er war hilfsbereit, bereichernd und kreativ und hat sich in Worten und Taten gegen den Irrsinn der Weltzerstörung eingesetzt (auch wenn es noch mehr hätte sein können). Außerdem hat er sein Leben lang nach einer metaphysischen positiven Energie gesucht.“ Wenn die Leute das von mir denken würden, wäre es mir auch relativ egal, wenn sie sagen würden: „Nur sein Tennis, das war echt mies.“ Aber das schaffe ich nie! Nur beim letzten Satz – da bin ich mir ganz sicher.
Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben_artikel,-ansichtssache-das-macht-uns-gluecklich-und-beschert-uns-ein-erfuelltes-leben-_arid,2092650.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.demailto:mahlzeit@mamo.de