Heidelberg. Mal Élevé hat beim Start seiner dreimal verschobenen ersten Solo-Tournee im heimischen Heidelberg schon vor dem ersten Beat gewonnen: Ein fast ausverkauftes Konzert mit mehr als 1000 Fans ist ja heutzutage zumindest wie ein Fünfer im Lotto: pures Glück. Das sieht man dem früheren Frontmann der Polit-Band Irie Révoltés auch deutlich an: Der 1983 in Leimen als Pablo Charlemoine geborene Rapper und Sänger strahlt mit dem Publikum um die Wette – und pusht es mit seiner fünfköpfigen Band wie ein kleines vollbiologisches Kraftwerk.
Mal Élevé setzt die Irie Révoltés -Agenda noch konsequenter fort
Natürlich ist der Vergleich mit der 17 Jahre aktiven Vorgängerband unumgänglich. Zumal es immer noch schwer zu verstehen ist, dass die musikalischen Politaktivisten auf dem Höhepunkt ihrer Zugkraft 2017 mit einem Fanal von Abschlusskonzert in der ausverkauften Mannheimer Maimarkthalle aufgehört haben – ausgerechnet zu einer Zeit, als ihr großes Feindbild Rechtsextremismus immer gefährlicher wurde. Aber Mal Élevé setzt die Irie-Agenda inhaltlich nahtlos fort, in seinem Solo-Material sogar noch eine Spur konsequenter. Es geht um Gerechtigkeit und Widerstand – gegen Faschismus, Rassismus, Nationalismus und Diskriminierung. Musikalisch klingen sechs Musiker mit drei Frontleuten natürlich anders als neun fröhliche Revoluzzer (Irie Révoltés). Zumal wenn es gute Freunde sind, teilweise Brüder, so dass die Gesamtwirkung immer die Summe der Qualität der Einzelmitglieder übertroffen hat. Aber wie Jimi Hendrix schon in „If 6 Was 9“ gedichtet hat, ist es eigentlich egal. Auf die Substanz kommt es an.
Und die Energie von Mal Élevés erstem „richtigen“ Konzert seiner Solokarriere ohne große Pandemieeinschränkungen (bis auf einen Test) ist ähnlich wie bei den Irie-Shows. Da seine Songs, vor allem die neuen von der frisch gepressten Sieben-Stücke-EP „Solidaridad“, härter sind, wirkt die Show sogar wuchtiger. Dazu tragen Gitarrist Paolo, Keyboarderin Hilde, Schlagzeugerin Theresa und Bassist Siggi souverän bei. Der Hauptdarsteller ist klug genug, sich einen Co-Frontmann an die Seite zu holen, um die gewohnte Vielfalt am Mikrofon bieten zu können. Der Rapper Osy ist dabei oft mehr als ein reiner Yes-Man, bringt eine tiefere Tonlage sowie etwa wie Delle bei Seeed enorme physische Präsenz mit und darf sogar einen eigenen Song vorstellen. „Internet“ bietet mit einer Art Prog-Rap und Jon-Lord-Orgel ein spannendes Kontrastprogramm zu der Irie-Mixtur aus Dancehall-Reggae, Hip-Hop, Rock und Ska.
Purer Spaß an der Musik kommt nie zu kurz
Schon der Start der mehr als zweistündigen Show mit „Résistance Mondiale“ ist extrem druckvoll. Mal Élevé und Osy vermummen sich zunächst mit Skimasken in Regenbogenfarben, später tragen sie im Song „Mittelmeer“ Rettungswesten (die sich manche Geflüchtete nur wünschen können). Wie intensiv man hier einer Meinung ist, merkt man, als nach diesem Plädoyer für Menschlichkeit fast der komplette Saal die Parole „Hoch! Die! Internationale! Solidarität“ skandiert. Das klingt wie auf einem DDR-Parteitag, nur wesentlich überzeugter.
Aber bei aller Ernsthaftigkeit der Themen kommt der pure Spaß an der Musik nie zu kurz. Da räumen Nummern wie „Rootsreggaeska“, „La Vie Est Belle“ und die ganz neuen „Positiv“ und „Yaya“ (gewidmet Mal Élevés Sinti-Großmutter) genau so ab wie die Hardcore-Nummer „Moshpit“ oder das polizeikritische Stück „Police“. In „Iriemember“ würdigt der 38-Jährige die Vergangenheit und treibt mit Irie-Révoltés-Klassikern wie „Fäuste hoch“, „Antifaschist“ und dem ansteckend fröhlichen „Rebelles“ die Stimmung noch höher. Verbunden mit der Frage „Wer war uff Monnem?“. Trotzdem kann die Zugabe mit Songs des Wahl-Berliners locker mithalten. Wozu auch die großartige Rapperin Sorah mit ihrer dunkel tönenden Soul-Stimme wesentlich beiträgt, deren Namen man sich merken sollte. Auch Tourmanager Manu hat einen gefeierten Auftritt. So gehen neue Nummern wie „Alliance Antiraciste“ und „Passe Le Micro“ noch mal mächtig ab. Bei „Jamais Fatigue“ zeigen sich die Konditionswunder auf und vor der Bühne unermüdlich, bis der durchgängig mitreißende Abend mit „Partigiani“ und dem Ohrwurm „Barrer“ ausklingt. Die zwei Jahre Warten haben sich gelohnt.
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