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Helen Mirren in "Golda - Isreals eiserne Lady": Powerfrau und Kettenraucherin

Über israels ehemalige Ministerpräsidentin Golda Meir gab es einige Verfilmungen. Mit "Golda - Israels eiserne Lady" von Regisseur Guy Nativ folgt die fünfte Adaption. In der Hauptrolle: Helen Mirren. Wie ist der Film?

Von 
Gebhard Hölzl
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Der Film mit Helen Mirren kommt am 30. Mai in die deutschen Kinos. © Sean Gleeso/Aidem Media Ltd/dpa

Hollywood-Star Ingrid Bergman spielte sie - wie auch ihre berühmte Kollegin Anne Bancroft. Die eine in Alan Gibsons zweiteiligem Fernsehfilm „Golda Meir“ (1982), die andere 1977 in der Broadway-Produktion „Golda’s Balcony“ nach dem Ein-Personen-Stück von William Gibson. 2007 wurde der Stoff von Jeremy Kagan mit Valerie Harper fürs Kino adaptiert, 2019 hat Scott Schwartz die legendäre Bühnenproduktion mit vier fest installierten Kameras unter demselben Titel - diesmal mit Tovah Feldshuh als Protagonistin - für die Leinwand festgehalten. Wobei nie an eine Kinoauswertung gedacht wurde. Der Film war ausschließlich auf Festivals zu sehen. Schade eigentlich. Dafür kann man sich nun an Guy Nativs „Golda - Israels eiserne Lady“ - uraufgeführt auf der Berlinale 2023 - schadlos halten.

Helen Mirren unter perfekt gestaltetem Make-up kaum wiederzuerkennen

Golda Meir zum Fünften also. Diesmal verkörpert von niemand geringerem als der Britin Helen Mirren („Die Queen“), der Grande Dame der (neuen) siebten Kunst. Gewohnt souverän bewältigt sie ihren schwierigen Part, ob in Mimik, Gestik oder Körpersprache. Kaum wiederzuerkennen ist sie unter ihrem dicken, perfekt gestalteten Make-up. In den Tagen des Jom-Kippur-Krieges (6. bis 25. Oktober 1973) ist die Handlung primär angesiedelt, das Drehbuch stammt von Nicholas Martin, der sich bei „Florence Foster Jenkins“ (2016) schon einmal biografisch betätigt hat. Aus der Sicht der Heldin schildert er, wie sich der „Nebel des Krieges“ - der Ausdruck geht auf den preußischen Generalmajor und Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz zurück - zum „Rauch des Krieges“ verdichtet.

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An Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, greifen Ägypten, Syrien und Jordanien Israel überraschend an. Ministerpräsidentin Meir, Mitglied der Arbeiterpartei, hat die im Vorfeld sichtbaren Anzeichen für den Überfall ignoriert, sich nicht wie gewohnt auf ihre Intuition verlassen. Vielleicht wegen ihrer schwer angeschlagenen Gesundheit - was sie nicht hindert, wie gewohnt pausenlos zu rauchen. Selbst final auf dem Sterbebett, als sie schon von einem Sauerstoffgerät beatmet wird. Nun muss sie handeln. Schnell. Effektiv. Den übermächtigen Feind stoppen. Auf den Golan-Höhen und der Sinai-Halbinsel.

Golda Meir: im Männer dominierten Krisenstab durchsetzen

Dazu heißt es für die erste Frau an der Spitze des Staates, sich im von Männern dominierten Krisenstab durchzusetzen. Zusammen mit Verteidigungsminister Mosche Dajan (Rami Heuberger), David „Dado“ Elazar (Lior Ashkenazi), Chef des Generalstabs, und Zwi Zamir (Rotem Keinan), der den Auslandsgeheimdienst Mossad leitet, gilt es einen Plan erarbeiten, um die Feinde zurückzuschlagen und den Blutzoll möglichst niedrig zu halten. Dabei setzt sie nicht nur auf Waffengewalt - etwa die Truppen des erfahrenen Panzerdivisionsführers Ariel Sharon (Ohad Knoller) -, sondern zudem auf Diplomatie. So bittet sie den jüdischen US-Außenminister Henry Kissinger (Liev Schreiber) um Hilfe. Zu einem schlechten Zeitpunkt. Denn die Nixon-Administration steckt gerade mitten im Watergate-Skandal.

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Das klingt nach Kriegsfilm, ist es aber nicht. Das Donnern der Waffen bleibt bei Nativ („Skin“), neben Amos Gitai der wohl bekannteste zeitgenössische israelische Filmemacher, Hintergrundgeräusch. Ihn interessiert primär Meirs persönliches Drama, ihr Gewissens- und Loyalitätskonflikt, ihre Strategie und Vorgehensweise. Ob nun bei den endlosen Besprechungen im War Room oder vor dem Untersuchungsausschuss - dieser bildet die erzählerische Klammer -, bei dem sich die Politikerin für ihre Entscheidungen rechtfertigen muss. Fakten vermengt er mit Fiktion, liefert einen kurzen, klaren Abriss in Sachen Nahostkonflikt - hoch aktuell angesichts des aktuellen Blutvergießens in Gaza. Mit Hilfe von TV-Bildern, schnell montierten Zeitungsschlagzeilen und historischem Filmmaterial.

Fokus in "Golda - Israels eiserne Lady" stets auf Helen Mirrens Figur

Der Fokus bleibt stets auf der „eisernen Lady“. Analog zu Phyllida Lloyds Spielfilm über Maggie Thatcher hat sich der deutsche Verleih für diesen Untertitel entschieden. Ein nachvollziehbarer Kniff, jedoch nicht notwendig. Denn Mirren ist ihr eigenes Zugpferd, braucht keinen Vergleich. Sie meistert ihre Rolle mit Bravour, schafft es, die vielschichtige Persönlichkeit Meirs nachvollziehbar zu machen. Ob als Homo Politicus - „Ich bin Politikerin, keine Soldatin“ - oder als biedere Hausfrau, wenn sie mit Kittelschürze angetan beim Fernsehen einen Kuchen anschneidet. Apropos Essen: Ein Highlight ist jene Szene, in der sie Kissinger mit einer Portion Borschtsch gefügig macht und klug für ihre Zwecke einspannt.

Ein stimmiges Porträt, bei dem sich Spannung und Ruhe die Waage halten, aufgelockert durch humoristische Einschübe. Politdrama und Nabelschau, Aufklärung und Unterhaltung. Ein gelungener Balanceakt und vor allem eine One-Woman-Show.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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