Filme übers Filmemachen sind fester Bestandteil des Kinos, darunter Schlüsselwerke wie François Truffauts „Die amerikanische Nacht“ (1973) oder Quentin Tarantinos „Once Upon a Time ... in Hollywood“ (2019). Aus deutscher Sicht kommt einem sofort Oskar Roehlers Cannes-Wettbewerbsbeitrag „Enfant terrible“ (2020) über Rainer Werner Fassbinder in den Sinn. Nun legt er mit „Bad Director“ noch einmal nach. Seinen Roman „Selbstverfickung“ hat er nach eigenem Drehbuch adaptiert. Wieder ist er ganz bei sich: provokant, deftig und böse.
Ein provokanter Film über das Filmemachen
Sein (Anti-)Held heißt Gregor Samsa (Oliver Masucci), wie der Protagonist aus Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“. Beruf: Regisseur. Alter: Ende 50. Aus Puffbesuchen, Alkoholkonsum und Streitereien besteht der Alltag des schamlosen Narzissten. Die Branche hasst er aus tiefstem Herzen. Betrunken besucht er den Empfang des Deutschen Filmpreises, kommentiert das Schaulaufen der Kollegen mit Spott. Einer Bedienung (Frida Lovisa-Hamann) klagt er sein Leid - freilich nicht, ohne zu versuchen, sie abzuschleppen. Überstürzt verlässt er die Feier, flüchtet sich in ein Antiquariat. Feenhaft taucht hier Grete (Bella Dayne) auf, die er wenig später zufällig in einem Bordell wieder trifft und als Muse auserwählt.
Am Set seines neuen Films - der erste Drehtag steht bevor - läuft derweilen alles schief. Mit der arroganten, explizit auf künstlerische Tiefe bedachten Hauptdarstellern (Anne Ratte-Polle) gerät er sich in die Haare, ebenso wie mit dem eigenmächtigen Regieassistenten Reiner (Götz Otto) und seinem selbstgefälligen, ausschließlich profitorientierten Produzenten Sommerwind (Anton Rattinger). Bevor überhaupt die erste Klappe fällt, droht das Projekt zu scheitern. Gregor wählte die Flucht nach vorne: zu Grete, zur Liebe…
Oliver Masucci schreckt vor keiner Selbstentblößung zurück
Kolportage pur. Kitsch in bester Lore-Roman-Qualität. Ein Angriff auf überholte Machtstrukturen, ein Kampf gegen die (innere) Leere. Eine sarkastische, streckenweise plumpe Abrechnung mit der Sinnentleertheit der (Medien-)Welt. Ein hemmungsloses, provokatives Werk - reichlich expliziter Sex inklusive -, das mit drastischer Komik auch von der Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit erzählt. Die wütenden Tiraden des Antihelden gegen alle Systemprofiteure richten sich stets auch gegen sich selbst.
Roehler über Roehler und sein berufliches Umfeld. Eine mutige, enervierende Nabelschau über lächerliche, sich selbst überschätzende Figuren. Masucci („The Palace“) zieht in seiner dritten Zusammenarbeit mit dem Filmemacher als geplagtes Künstler-Enfant-Terrible vom Leder. Mit dämlich geöffnetem Mund, kein Satz ohne „äh“ oder „öh“. Schonungslos, komisch und tragisch zugleich, vor keiner Selbstentblößung zurückschreckend. In jeder der häufig überlangen Szenen ist er im Bild, hysterisch schreiend oder seine nachlassende Potenz bejammernd. Mit Ratte-Polle („Dark“) als zickige Diva, Dayne („Girl You Know It’s True“) als freizügiges Lustobjekt und Roehler-Regular Samuel Finzi („Der Hauptmann“) in einem Gastauftritt als Samuel Finzi.
Eine Misanthropie. Gleich in der Eröffnungsszene mit „Psycho Killer“ von den Talking Heads musikalisch festgemacht. Viel Ironie und Sarkasmus, wenig subtil aufbereitet. Böse, wer den Namen des Regisseurs mit dem Filmtitel in Verbindung bringt.
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