Ein erfolgsverwöhnter Mann um die fünfzig in der Krise: Als Filmschauspieler hat es Mathieu (Guillaume Canet) zu einiger Beliebtheit gebracht, doch vor dem Wagnis, sich auch als Darsteller auf der Bühne zu versuchen, hat er gekniffen. Wenige Wochen vor der mit Presseberichten vorbereiteten Premiere hat er alles hingeschmissen und sich in ein nobles Spa-Hotel am Meer zurückgezogen. Dort sieht man ihn in Stéphane Brizés neuem Spielfilm „Zwischen uns das Leben“ mit ausdruckslosem Gesicht durch die steril wirkenden Gänge schleichen.
Mathieus Verunsicherung illustriert die Regie durch tragikomische Details: Eine Massageanwendung oder ein hypermoderner Kaffeeautomat offenbaren Tücken des technischen Objekts fast so, als ob hier ein Jacques Tati Regie geführt hätte. Den Wünschen von Bediensteten, Selfies mit ihm zu machen, kommt Mathieu nur zögerlich nach. Und als er seine Frau bei der Arbeit anruft, wird diese dauernd von Kollegen unterbrochen, was seine Frustration noch steigert. Doch der Erzählton und die Gestimmtheit des Films ändern sich, als Mathieu unerwartet von seiner Ex-Partnerin kontaktiert wird, die er vor 15 Jahren verlassen hatte. Alice wohnt just in dem Örtchen, wo sich Mathieu in diesem Herbst eine Auszeit gönnt.
Als die beiden sich treffen, stellt sich schnell wieder Vertrautheit ein, die sich alsbald noch steigert. Eine süße Melancholie durchzieht fortan den Film. Den steril wirkenden Innenräumen werden nun Bilder von Strand und Meer entgegengesetzt, die Weite atmen und von Freiheit künden. Und auch Mathieu atmet zunehmend auf, seine Gesichtszüge entspannen sich.
Was sie sich vom Leben erwartet und was sie erreicht haben
Mehrmals treffen sich Alice und Mathieu, kommen sich wieder näher und schließlich ganz nah. Differenziert machen die Darsteller die Annäherung spürbar, wobei besonders Alba Rohrwacher beeindruckt: Man spürt regelrecht, wie sie sich als Alice Stück für Stück öffnet und ihrem ehemaligen Partner wieder mehr Raum in ihrem Innenleben gibt. Die beiden unterhalten sich, reden davon, was sie sich vom Leben erwartet und erreicht haben. Alice gibt vor, als Mutter einer Tochter und Klavierlehrerin zufrieden zu sein, räumt aber schließlich doch ein, dass sie glaubt, viel verpasst zu haben. Und Mathieu gibt zu, dass er schlicht aus Angst vor einem Misserfolg das Theaterprojekt abgebrochen hat.
Traurig-schön und tief menschlich ist diese zarte Liebesgeschichte, die Stéphane Brizé klug und diskret in Szene setzt. Dialoge erhalten den Raum, den sie brauchen, und das Privatleben von Alice und Mathieu wird knapp, aber deutlich genug in Szene gesetzt, um den Zuschauer spüren zu lassen, welche Defizite sie verspüren. „Zwischen uns das Leben“ heißt die deutsche Fassung des Films mit Recht. Denn im Gespräch machen Alice und Mathieu einander klar, was sie sich vom Leben erhofft haben - oder sich noch immer von einer Partnerschaft erhoffen.
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