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Film "Love, Lies, Bleeding": Wie Tarantino, aber mit Tempo

Ihr zweiter Spielfilm "Love Lies Bleeding" dürfte die britische Regisseurin Rose Glass weithin bekannt machen. In der schrägen Geschichte glänzt Kristen Stewart in einer Hauptrolle

Von 
Thomas Groß
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Finden Gefallen aneinander: Katy M. O·Brian (l) als Jacky und Kristen Stewart (r.) in der Rolle der Lou im Spielfilm „Love Lies Bleeding“. © A24/Plaion Pictures/dpa

Es sind berühmt-berüchtigte Filme, die das Presseheft zu dieser internationalen Produktion als Referenzen aufruft: „Natural Born Killers“ von Oliver Stone, der Mitte der 1990er Jahre eine Diskussion darüber auslöste, wie viel filmische Gewalt man akzeptieren sollte. Zudem die Filme Quentin Tarantinos, die solche Fragen souverän weglächeln, weil sie auch in puncto Gewalt derart überzeichnet sind, dass ein Gros des Publikums sie kaum mehr als blutrünstig empfindet. Dann ist da noch das ikonische Frauenpaar „Thelma & Louise“ im Film von Ridley Scott von 1991 - Geena Davies und Susan Sarandon, die durch den weiten Südwesten der USA fliehen und es der Männermachowelt tüchtig heimzahlen. Ein anderes, weil viel diskutiertes Werk ließe sich ergänzen: „Baisse-moi“ von Virginie Despentes - oder auch „Monster“ von Patty Jenkins.

Die Britin Rose Glass folgt mit ihrem Film "Love Lies Bleeding" Quentin Tarantino

Ist damit der Horizont umrissen für „Love Lies Bleeding“ (etwa: Die Liebe blutet), den prominent besetzten zweiten Spielfilm der Britin Rose Glass, die Tarantinos Spuren folgen will, aber auch eine feministische Vision verfolgt? Es ging ihr laut einem Zitat im Presseheft um „eine Art Pulp und Bombast mit viel schwarzem Humor“. Das trifft es ungefähr - ebenso wie die Etikettierung des Filmverleih

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s, der den in Sundance und auf der Berlinale gezeigten Film als „,Thelma & Louise’ fürs 21. Jahrhundert“ anpreist.

Typisierung ist angesagt, Ed Harris, der bislang noch in jeder Rolle überzeugen konnte, ist hier so richtig böse; er kann vor Wut auch mal einen seiner geliebten Käfer zerbeißen und trägt ein irres Haarteil, das seinen Charakter unterstreicht. Für schauspielerische Differenzierung sorgt vor allem Kristen Stewart in einer der zwei weiblichen Hauptrollen des Films: Sie ist Lou, eine Tochter des erwähnten bösen Lou senior (Harris). Die aufstrebende Schauspielerin (und Kampfsportlerin) Katy M. O’Brian beeindruckt daneben vor allem buchstäblich physisch und wirkt enorm präsent in der Rolle der Tramperin Jackie, die davon träumt, einen Wettbewerb im Bodybuilding zu gewinnen.

Die beiden Frauen verlieben sich und fallen regelrecht über sich her

In einer Muckibude in einem Provinzkaff trifft Jackie auf Lou, die dort als Mädchen für alles den Laden am Laufen hält. Schnell verlieben sich die beiden ineinander, fallen nach Ladenschluss regelrecht übereinander her. Dann kommt eins zum anderen, Lous Schwester wird von ihrem gewalttätigen Ehemann krankenhausreif geprügelt, was in Lou unbändige Wut weckt. Die überträgt sich auf Jackie, die den Prügelknaben mit bloßen Fäusten derart zerlegt, dass er das Zeitliche segnet.

Durch die Weise, wie man ihn mitsamt seinem Auto verschwinden lässt, wird der Verdacht indes auf Lou senior gelenkt, mit dem Tochter Lou noch so manche Rechnung offen hat. Und dann kreuzt blöderweise noch die dusslige Daisy auf, die verdächtige Beobachtungen macht und somit auch die Kreise der eigentlich ja wohlgesinnten Lou und Jackie stört …

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Zu viel verraten sollte man freilich nicht, wenngleich die Schauwerte dieses tatsächlich sehenswerten und stilistisch interessanten Films sowieso die Hauptsache sind. Es wird typisiert und stilisiert; die Bilder prägen düstere Farbnuancen, die nichts Gutes ahnen lassen. Zwischendurch wird es etwas surreal, wenn sich Jackie buchstäblich zur Superheldin aufbläst - und werden weitere Referenzfilme zitiert wie etwa „Lost Highway“ von David Lynch. Aber der Regisseurin gelingt es dennoch, aus alldem ein stimmiges Ganzes mit eigener Handschrift zu formen.

Hymne auf die Freiheit und weibliche Selbstermächtigung

Dass sie die Geschichte in den späten 1980er Jahren ansiedelt, hat mehrere Gründe. Einer liegt darin, dass so wie nebenbei auf einem Fernsehgerät Nachrichtenbilder der beginnenden deutschen Wiedervereinigung laufen können. „Das Individuum wird gefeiert“, kommentiert ein TV-Sprecher dazu. Das ist zwar eine nicht ganz nahe liegende Interpretation des Geschehens, fügt sich aber umso besser in den Film von Rose Glass. „Love Lies Bleeding“ ist ja auch eine Hymne auf die Freiheit und (weibliche) Selbstermächtigung. Hier werfen zwei Frauen ordentlich Ballast ab, um zu sich selbst und zueinander zu finden.

Die diskussionswürdigen Kollateralschäden auf diesem Weg sind einem Filmemachen à la Quentin Tarantino geschuldet. Und einen Pluspunkt verbucht die Regisseurin diesem gegenüber noch zusätzlich: Statt alles endlos zu zerdehnen, produziert Rose Glass ein temporeiches Kinostück, das gerade mal kompakte 100 Minuten dauert!

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Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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