Seit Produktionen wie „Rumtreiber“ (1990) oder „Confusion - Sommer der Ausgeflippten“ (1993) gilt der aus Houston, Texas, stammende Richard Linklater als einer der innovativsten Filmemacher der USA. Spannende filmische Experimente waren „Waking Life“ (2001) und „A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm“ (2006), bei den Kritikern punktete er mit seiner „Before“-Trilogie (1995/2004/2013) mit Julie Delpy und Ethan Hawke sowie seiner Oscar-prämierten Langzeitstudie „Boyhood“ (2014). Sein Talent für publikumswirksame Unterhaltung stellte er beim Western „Die Newton Boys“ (1998), dem Baseball-Film „Die Bären sind los“ (2005) oder der Musikkomödie „School of Rock“ (2003) unter Beweis.
Vom Psychologie-Professor zum Undercover-Killer
Zu letztgenanntem Spaß mit Jack Black besitzt sein aktuelles Werk „A Killer Romance“, Überraschungshit auf den vergangenen Filmfestspielen von Venedig, eine interessante Verbindung: Hier wie da geben die Hauptdarsteller vor, jemand anderer zu sein als sie wirklich sind. Schlüpfte Black als von seiner Band geschasster Rock’n’Roller in die Rolle eines Lehrers, gibt Glen Powell alias Gary Johnson vor, Psychologie-Professor zu sein.
Als verkopft und langweilig empfinden ihn seine Studenten, über sein Auto machen sie sich lustig. Die perfekte Tarnung. Denn der Nebenjob beim New Orleans Police Department ist Garys wahre Berufung. Als Undercover-Agent ist er tätig. Dient als vermeintlicher Auftragsmörder als Lockvogel, um seine Klienten hinter Gitter zu bringen. Überraschendes Talent legt er an den Tag, wenn es gilt, sich für jeden seiner Kunden Killer-Persönlichkeiten auszudenken und diese zu spielen.
Für Garys erstes Treffen mit der attraktiven Madison Masters (Adria Arjona), die sich ihres gewalttätigen Ehemanns entledigen will, schlüpft er in die Figur des Ron, seines Zeichens der abgebrühte „Hit Man“ des amerikanischen Originaltitels. Doch diesmal läuft nicht alles so glatt wie sonst. Madison gefällt ihm und erstmals versucht Gary, jemanden vor dem Gefängnis zu bewahren, statt ihn hinter Gitter zu bringen. Als die attraktive Frau sich dann tatsächlich in den mega-entspannten Ron verliebt, löst ihre heiße Affäre eine unheilvolle Kettenreaktion aus. Denn auch Madison hat noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt …
Die klassische Femme fatale trifft auf den coolen Ermittler
Ein Neo-Noir, eine bitterböse romantische Posse, die wohlige Erinnerungen an die temporeichen Screwball-Komödien eines Howard Hawks oder Frank Capra weckt. Die klassische Femme fatale trifft auf den coolen Ermittler, die Funken fliegen, die sprichwörtliche Chemie passt. Arjona („True Detective“) und Powell („Top Gun: Maverick“) harmonieren perfekt.
Wie ein Chamäleon wechselt Gary/Ron seine Outfits. Ob als tätowierter Redneck oder russischer „Dienstleister“ in schwarzem Ledermantel, jede seiner „Verkleidungen“ nimmt man ihm ab. „Daniel Day“ - als Referenz an den großen Daniel Day-Lewis („There Will Be Blood“), der dreimal einen Academy Award als bester Schauspieler gewonnen hat - nennt ihn eine Kollegin bewundernd, während Linklater sich augenzwinkernd über bekannte Rollenklischees lustig macht.
Madison geizt derweilen nicht mit ihren Reizen, erweist sich als spitzzüngig und schlagfertig, erwartet als Pilotin ausstaffiert im Bett „heftige Turbulenzen“. Ganz klar, so einem Paar kann man nur ein Happy End wünschen - trotz fragwürdiger „Problemlösungen“ und politisch wenig korrekter Vorgehensweise.
Glen Powell - sexy Überflieger
Spätestens seitdem er in „Top Gun: Maverick“ (2022) neben Tom Cruise als Jetpiloten Jake „Hangman“ Seresin agierte, ist er in Traumfabrik angekommen: Glen Powell. Er wurde 1988 in Austin, Texas, geboren, eine Karriere als Sportler - genauer gesagt als hochbegabter Lacrosse-Spieler - hatte er zunächst im Sinn.
Bis er dem legendären Hollywoodagent Ed Limato über den Weg lief und der ihm riet, sein Glück im Filmbusiness zu versuchen. Nach Los Angeles zog er daraufhin um, an der Seite von Antonio Banderas und Sylvester Stallone war er 2003 in „Mission 3D“ erstmals auf der Leinwand zu bewundern.
Als Nebendarsteller, primär in Serien wie „CSI: Miami“, „Rizzoli & Isles“ oder „The Lying Game“, schlug er sich zunächst durch, ehe ihm Christopher Nolan 2012 einen kleinen Part im Blockbuster „The Dark Knight Rises“ übertrug. Damit nahm seine Karriere Fahrt auf, Glen Powell war seitdem unter anderem im Actioner „The Expendables 3“, Richard Linklaters Komödie „Everybody Wants Some!!“, Theodore Melfis „Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen“ oder in 16 Folgen von „Scream Queens“ zu sehen.
Der Teenagerschwarm war mit „Vampire Diaries“-Star Nina Dobrev liiert, für seinen Ben an der Seite von Sydney Sweeneys Bea in der romantischen Komödie „Wo die Lüge hinfällt“ (2023), wurde er für einen People’s Choice Award nominiert.
Der Regisseur und sein (Anti-) Held haben gemeinsam das launige, clevere Skript verfasst, das wie schon Linklaters Bestatter-Farce „Bernie - Leichen pflastern seinen Weg“ (2011) auf einem Artikel des Journalisten Skip Hollandsworth fußt.
Herz und Hirn sind gleichermaßen gefragt, die philosophischen Exkurse in Garys Vorlesungen besitzen Tiefe, hintersinnige Bezüge zur Handlung inklusive. Da ist es nur von logischer Konsequenz, dass seine beiden Katzen nach Siegmund Freud auf „It“ und „Ego“, sprich „Es“ und „Ich“, hören.
Eingespieltes Produktionsteam überzeugt wieder handwerklich
Im handwerklichen Bereich wurde unaufgeregt gearbeitet, der Stab ist im Vertrauen auf die starke Geschichte funktional und schnörkellos vorgegangen. Kein Schnickschnack, kein falsches Bemühen.
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Die Kamera von Shane F. Kelly bildet sauber ab, die Musik von Graham Reynolds akzentuiert den Plot. Man sieht und hört, dass die beiden langjährige, treue Weggefährten Linklaters sind, etwa in „A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm“. Dieser wiederum befindet sich erneut in Bestform, liefert Entertainment ohne Durchhänger ab. Über seine ungewöhnlichen „odd couple“-Protagonisten würde man gerne mehr erfahren. Fortsetzung bitte!
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