Der neue Film

Ziemlich bizarr: "Kinds of Kindness" von Yorgos Lanthimos

In seinem neuen Film „Kinds of Kindness“ erforscht "Poor Things"-Regisseur Yorgos Lanthimos die Abgründe der menschlichen Seele. Das ist nichts für schwache Nerven

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„Kinds of Kindness“ ist ganz schön rätselhaft. Margaret Qualley, Jesse Plemons und Willem Dafoe übernehmen in dem Film immer wieder andere Rollen. © The Walt Disney Company

Yorgos Lanthimos hat einen Lauf. Seit Jahren ist der griechische Regisseur, 1973 in Athen geboren, Liebling der Cineasten. Die Kritiker sind von seinen Werken begeistert und die Produzenten freuen sich über die Zuschauerzahlen, die seine Filme generieren.

Mit Musikvideos hat Lanthimos seine Karriere 1995 begonnen. 2009 erregte er mit „Dogtooth“ erstmals internationale Aufmerksamkeit und gewann auf den Filmfestspielen von Cannes den Preis der Sektion Un Certain Regard. 2015 präsentierte er an selber Stelle seine erste englischsprachige Arbeit „The Lobster“.

Fünf Mal wurde Lanthimos bereits für einen Oscar nominiert, darunter für seine Publikumshits „The Favourite - Intrigen und Irrsinn“ (2018) und „Poor Things“ (2023). Beide in Venedig Wettbewerbsbeiträge, beide auf dem Lido - mit dem Jurypreis respektive dem Goldenen Löwen - prämiert, beide mit Emma Stone in einer Hauptrolle.

2017 hatte er an der Côte d’Azur „The Killing Of A Sacred Deer“ vorgestellt. Dieses Mal kam er mit „Kinds of Kindness“, der dritten Kooperation mit seiner Lieblingsschauspielerin Stone - und die nächste ist bereits angekündigt.

Drei unkonventionelle Geschichten, gemeinsam zu Papier gebracht mit Efthimis Fillipou, erzählt Lanthimos in seinem 165 Minuten langen Triptychon. In den heutigen kalt, trost- und herzlos gezeichneten USA sind die „Der Tod von R.M.F“, „R.M.F. fliegt“ und „R.M.F. isst ein Sandwich“ betitelten Episoden angesiedelt - als Art Mini-Serie kann man das Projekt deuten.

Emma Stone

  • Bereits im Alter von elf Jahren war Emma Stone auf der Bühne des Valley Youth Theatre in Phoenix, Arizona, in „The Wind in the Willows“ zu sehen.
  • 2004 zog die 1988 in Scottsdale, Arizona, geborene Aktrice mit ihrer Mutter nach Los Angeles. Erste Rollen hatte Stone beim Fernsehen, unter anderem in Serien wie „Malcolm Mittendrin“, ehe sie 2007 neben Jonah Hill in der Teen-Komödie „Superbad“ ihr Leinwanddebüt gab. Nach Parts in Filmen wie „Zombieland“ gelang ihr 2010 in „Einfach zu haben“ der Durchbruch.
  • Seitdem ist sie eine fixe Größe in Hollywood, ist als Produzentin - jüngst etwa bei „Problemista“ - tätig und in Boxoffice-Hits wie „Birdman“ ebenso präsent wie bei Arthouse-Produktionen wie etwa „The Help“.
  • Sie hat mehr als 100 Filmpreise gewonnen, darunter Oscars für ihre Hauptrollen in „La La Land“ und „Poor Things“.

In jeder Folge treten dieselben exzellenten Schauspieler in immer neuen Looks und Konstellationen in Aktion - darunter Emma Stone, der zu Recht mit dem Darstellerpreis belohnte Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley, Mamoudou Athie und Hong Chau.

Es geht um einen Mann, der bei seinem despotischen Chef in Ungnade gefallen ist und in der Folge versucht, wieder die Kontrolle über seinen Alltag zu erlangen. Und um einen verzweifelten Polizisten, dessen auf hoher See vermisste Gattin nach ihrer unerwarteten Rückkehr eine völlig andere Person zu sein scheint - so isst sie plötzlich gerne Schokolade, die sie früher immer verabscheut hat. Und um eine Sektenangehörige, die jemanden finden soll, der dazu bestimmt ist, ein spiritueller Führer zu werden und angeblich Tote zum Leben erwecken kann ...

Spannender Mix: düsterer Soundtrack und klare Bilder

Das ist prototypisches, verqueres Kopfkino, schwer zu entschlüsseln, mannigfaltig auslegbar. Allgegenwärtige, bekannte Themen werden in den kunstvoll miteinander verzahnten Abschnitten verhandelt: Verlust, Macht, Willkür, Entfremdung, Hörigkeit - sprich die dunklen Seiten des Daseins. Mit Menschen in Extremsituationen.

Dazu passt - logisch konsequent - die optische Drastik in Form abgeschnittener Finger oder einer Großaufnahme von Kotze auf nackten Füßen. Die bedrückende Atmosphäre hat Jerskin Fendrix - er ist in einem Kurzauftritt als Barpianist zu sehen - mit einen düsteren Soundtrack unterlegt. Der steht im Gegensatz zu den sauberen, klaren Bildern von Kameramann Robbie Ryan. Ein spannender Mix, jedoch nichts für empfindsame Seelen.

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Ein filmisches Enigma, dem man vielleicht am besten mit dem Eurythmics-Hit „Sweet Dreams“ auf die Spur kommt. In voller Lautstärke ist zu Filmbeginn Annie Lennox’ markante Stimme zu hören: „Some of them want to use you / Some of them want to be used by you / Some of the want to abuse you / Some of them want to be abused” („Einige von ihnen wollen dich ausnutzen / Einige von ihnen wollen von dir ausgenutzt werden / Einige von ihnen wollen dich missbrauchen / Einige von ihnen wollen missbraucht werden“).

Übrigens ist ein wenig bekannter Schauspieler namens Yorgos Stefanakos in die Nebenrolle des R.M.F. geschlüpft. Ein Monogramm auf seinem Hemd verrät ihn. Und ja: Er isst final ein Sandwich, während Emma Stone eine tolle Tanznummer hinlegt. Die allein lohnt den Kinobesuch.

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