Musik, Tanz und Kino gehen gut zusammen. Wie Cyd Charisse und Fred Astaire in „Seidenstrümpfe“, John Travolta und Olivia Newton-John in „Grease“, Jennifer Beals in „Flashdance“ oder Gene Kelly in „Du sollst mein Glücksstern“. Jennifer Grey und Patrick Swayze ist es mit „Dirty Dancing“ gar geglückt, in der Kinosaison 1987/88 den kurz vor der Insolvenz stehenden deutschen Verleih zu retten. Sechs Millionen Dollar betrug das Budget - bei 218 Millionen Dollar Umsatz.
Ein vergleichbarer Erfolg wird „Die Rumba-Therapie“ wohl nicht werden, gute Unterhaltung ist dennoch garantiert. Dabei ist Tanzen „nur was für Frauen und Männer, die irgendwie seltsam sind“. So zumindest formuliert es Schulbusfahrer Tony (Franck Dubosc), als ihm sein Kollege gesteht, dass er gerne Eiskunstlauf verfolge. Der Mittfünfziger verbringt seine Abende lieber rauchend und trinkend auf der Couch. Verpflichtungen meidet er ebenso wie Freundschaften, begründet dies damit, dass niemand an seinem Grab weinen soll.
Dass er jedoch mehr am Leben hängt, als er zugeben will, stellt er fest, als er in Folge eines Herzinfarkts im Krankenhaus aufwacht. Tony beschließt, seinem Dasein einen späten Sinn zu geben. Er sucht den Kontakt zu Tochter Maria (Louna Espinosa), die als Tanzlehrerin in Paris tätig ist. Das Problem: Er hat ihre Mutter (Karina Marimon) noch vor der Geburt verlassen und die junge Frau weiß nicht, wer ihr Vater ist. Also schreibt sich der Eigenbrötler unter falschem Namen in einem ihrer Rumba-Kurse ein. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt er so, hat ihm doch sein Arzt (Michel Houellebecq) dringend zu sportlicher Tätigkeit geraten.
Aus der Lethargie erwacht
Ein verwegener Plot, vom Hauptdarsteller und Regisseur zu Papier gebracht. Die Story ist nicht unbedingt neu, Dubosc versteht es indes, seine zweite Regiearbeit nach „Liebe bringt alles ins Rollen“ mit unerwarteten Volten zu versehen. Aus seiner Lethargie erwacht der (Anti-)Held, der von der Freiheit und Weite der USA träumt, sich aber nie zu einer Reise ins „gelobte Land“ hat durchringen können. Cowboy-Stiefel sind sein bevorzugtes Schuhwerk. Im Bus übt er via Bordmikrofon mit den Kindern Englisch, übersetzt dabei bewusst Vokabeln falsch: „Son of a bitch“ - „Sonne am Strand“. Humor hat der Mann.
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Dafür, wie er selbst meint, zwei linke Füße. Also rekrutiert er seine dralle kongolesische Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga) als Tanzsozia. Obwohl die alleinerziehende Frau nichts von Rumba versteht, macht sie mit. Inmitten leicht bekleideter Damen (und Herren), deren wackelnde Hinterteile das Weltbild des konservativen Schnauzbartträgers ins Wanken bringen, lernt Tony, dass es lohnenswert ist, sich auf Neues einzulassen. Mehr noch. Er entpuppt sich als Naturtalent, wird von Maria, der er sich immer noch nicht zu erkennen gegeben hat, auserkoren, sie als Partner zum Blackpool Dance Festival zu begleiten.
Unerwartete Voten schlägt die Geschichte, Spaß und Ernst wechseln sich ab. Der Ton bleibt leicht, Tempo und Timing sind makellos, Klischees werden weitgehend vermieden. Man merkt, dass der in Frankreich beliebte Stand-up-Komödiant sein Handwerk versteht. Mit viel Fingerspitzengefühl hat er die Nebenrollen besetzt. Einen Coup mit dem Engagement des streitbaren (Skandal-)Schriftstellers Houllebecq („Elementarteilchen“) gelandet, der ganz in seinem Part des ewig qualmenden, zynischen Herzspezialisten aufgeht.
Gegelte Haare und Glitteranzug
Selbstironisch, mit wuchtiger körperlicher Präsenz, gibt sich Nga („Die purpurnen Flüsse“), die Tony seine (rassistischen) Vorurteile austreibt, derweilen der zuverlässige Charakterdarsteller Jean-Pierre Darrousin („Le Havre“) als dessen empathischer Mitarbeiter und Lebensretter Gilles sich von der schroffen Art seines widerborstigen, maulfaulen Kumpels nicht abschrecken lässt.
Für den feministischen Touch - und den optischen Augenschmaus - sorgt Espinosa („Fires in the Dark“), die ihre Compagnie mit nötiger Strenge fest im Griff hat - und bald auch den Papa, der mit gegeltem Haar im schwarzen Glitzeranzug „bella figura“ macht. Es ist kurzweilig seiner langsamen Wandlung vom hüftsteifen Macho und Schwindler zum liebenswerten Zeitgenossen zuzuschauen. Das ergibt in Summe gut umgesetztes, flüssig erzähltes Arthouse-Kino, das in allen technischen Belangen - von der Kamera über das Produktionsdesign bis hin zur Musik- keinerlei Wünsche offen lässt.
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