Leben

Der neue Film „Alma und Oskar“: die Muse und der Maler

In Dieter Berners „Alma und Oskar“ geht es um die stürmische Beziehung zwischen Alma Mahler-Werfel und Oskar Kokoschka. In den Hauptrollen spielen Emily Cox und Valentin Postlmayr

Von 
Gebhard Hölzl
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Sie liebten und hassten sich: die Grande Dame Alma Mahler-Werfel (Emily Cox) und der Künstler Oskar Kokoschka (Valentin Postlmayr). © Aliocha Merker/Film AG Productions GmbH

„Dem Menschen sollte man jeden Finger einzeln brechen, damit er keinen Pinsel mehr in die Hand nehmen kann!“, raunzt Erzherzog Franz Ferdinand (Cornelius Obonya) im Jahr 1912 bei einer Ausstellung in der Wiener Secession. Sein Unmut gilt einem Werk Oskar Kokoschkas, das die Frau an der Seite des Thronfolgers geschickt verteidigt: Alma Mahler (Emily Cox), die nach dem Tod ihres Mannes Gustav Mahler in die Donaumetropole zurückgekehrt ist.

Die feine Gesellschaft der Stadt liegt der jungen Witwe - vom Komponisten Arnold Schönberg anlässlich ihres 70. Geburtstags als „Gravitationszentrum (eines) eigenen Sonnensystems, von strahlenden Satelliten umkreist“ geehrt - zu Füßen, drängt sich mit ihr gesehen zu werden. Die Liste ihrer Verehrer ist lang, ihr freizügiges Sexual- und Liebesleben gleichermaßen in noblen Salons wie grindigen Tschocherln Tagesgespräch. Ihr aktueller Favorit ist der Expressionist Kokoschka (Valentin Postlmayr), halsstarriges „Enfant terrible“ der Kunstszene. Mit seinen radikalen Arbeiten sorgt er regelmäßig für Skandale. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, bei der unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinanderprallen.

Die Geschichte einer Amour fou, die sich zu einem Spiel um Macht und Abhängigkeit entwickelt.

Oskar betrachtet Alma als seine Muse, ist rasend eifersüchtig, leitet aus der Liaison Besitzansprüche ab: „Ich dulde keine fremden Götter neben mir!“ Sie will sich nicht binden, nicht für einen einzigen Mann entscheiden: „Ich fühl mich einfach wohl, wenn ich von Genies umgeben bin“.

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Darunter ihr Verlobter, der Berliner Bauhaus-Gründer Walter Gropius (Anton von Lucke): „Bald der bedeutendste Architekt in ganz Deutschland“. Oder der deutsche Pianist, Komponist und Dirigent Bruno Walter (Mehmet Ate?çi), mit dem sie die 9. Sinfonie ihres verstorbenen Gemahls (Marcello De Nardo) uraufführen lassen will ...

Ein Spiel um Macht und Abhängigkeit

Nach „Egon Schiele - Tod und Mädchen“ widmet sich der Österreicher Dieter Berner mit „Alma und Oskar“ zwei weiteren Ikonen des Kunstbetriebs der untergehenden k.u.k.-Monarchie, basierend auf dem Roman „Die Windsbraut“ seiner Gattin Hilde Berger, die mit ihm das Skript geschrieben hat. Die Geschichte einer Amour fou, die sich zu einem Spiel um Macht und Abhängigkeit entwickelt, das Paar an den Rand der Selbstzerstörung führt und bei dem sich Zärtlichkeit und Gewalt, Beziehungsabbrüche und Versöhnungen abwechseln.

Emily Cox

  • Emily Cox besitzt im deutschsprachigen Raum einen guten Namen als Bühnen- und Filmschauspielerin.
  • Sie wurde 1985 in Wien als Tochter eines britischen Vaters und einer irischen Mutter – beide Pianisten – geboren.
  • Sie besuchte nach der Matura das Max Reinhardt Seminar.
  • Noch während ihrer Ausbildung gab sie 2008 in Tobias Dörrs Kurzfilm „Verwehte“ ihr Leinwanddebüt. Die Rolle des „Mädchens“ bescherte ihr den Schauspielpreis des Internationalen Filmfestivals der Filmakademie Wien.
  • Seitdem ist die wandlungsfähige Mimin in unterschiedlichsten Rollen zu sehen gewesen, darunter im Dokudrama „Dutschke“, in Marie Kreuzers „Die Vaterlosen“, in Til-Schweigers „Head Full of Honey“ und „Die Rettung der uns bekannten Welt“ sowie in Krimireihen wie „Tatort“.
  • Der internationale Durchbruch gelang ihr als Brida in der BBC/Netflix-Serie „The Last Kingdom“. 

Dazwischen - eine kurze Landflucht auf den Semmering inklusive - entsteht Kunst. Oskar fertigt Mahlers Totenmaske an, Alma gibt bei ihm ein Porträt von ihr in Auftrag: „Ich weiß, dass sie ein Bild von mir malen werden, das mich so berühmt machen wird wie die Mona Lisa.“ Weitere Gemälde folgen. „Die Windsbraut“ oder das Jahrhundertbild, das Kokoschka und Mahler zeigt, wie sie sich wie zur Verlobung die Hände reichen. Doch das gemeinsame Glück ist von kurzer Dauer. Traute Zweisamkeit ist nicht nach Almas Geschmack, Kokoschka ärgert, dass ihm die Anerkennung als Künstler weitgehend verwehrt bleibt.

Mit viel Gespür fängt der Filmemacher Lokal- und Zeitkolorit ein.

Wenn Kokoschka nicht gerade eine freizügige Performance bestaunt, nackt mit der Angebeteten schwimmt bzw. im Atelier wütet, wird die verruchte „American Bar“ besucht. Im Tabakrauch ist bei hochprozentigen Getränken der ortsübliche Schmäh angesagt. Um den Tisch versammeln sich Adolf Loos, Kaffeehausliterat Peter Altenberg und der legendäre Schnorrer Anton Kuh. Oskar prahlt: „Ich heirat’ die Alma Mahler!“ Prompt kommt die Replik: „Und an wievielter Stelle stehen Sie in der Reihe der Anwärter?“

Dann bricht der Erste Weltkrieg aus. Die Beziehung scheitert. Frontheimkehrer Kokoschka leidet, lässt sich eine lebensgroße Alma-Puppe anfertigen, die er mit in Paris bestellten Dessous kleidet.

Oberflächlichkeit der Figuren bleibt spürbar

Mit viel Gespür fängt der Filmemacher Lokal- und Zeitkolorit ein. Präzise fallen Ausstattung und Kostümbild aus, funktional, stets der Stimmung entsprechend, ist die Kameraarbeit von Jakub Bejnarowicz („Der Fall Collini“). Getragen wird das Biopic von der strahlkräftigen Emily Cox („jerks.“), der man die emanzipierte Feministin in jeder Szene abnimmt und die in Newcomer Postlmayr („Licht“) einen ebenbürtigen Mit- und Gegenspieler findet.

In Kauf nehmen muss man, dass der Regisseur weitgehend an der Oberfläche bleibt, das Seelen- und Innenleben seiner Figuren nicht herausarbeitet. Dabei bleibt die vielseitige Begabung Alma Mahler-Werfels Behauptung, über weite Strecken wird sie auf einen attraktiven, männerverzehrenden Vamp reduziert. Genauso wenig Erwähnung findet ihr überlieferter Antisemitismus. Aber das wäre dann auch eine andere Art von Film.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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