Koch-Kolumne

Tristan Brandt: Ein Plädoyer für die Gastronomie

Von 
Tristan Brandt
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Die Kulinarik ist ein essenzieller Teil unserer Kultur. Auch in allen anderen Kulturen dieser Welt. Indem wir gutes Essen gemeinsam zelebrieren, treten wir in Kommunikation miteinander, lernen neue Produkte und Essgewohnheiten kennen und bilden uns weiter. Wir wissen es zu schätzen, was uns die Natur schenkt und was andere daraus kreieren. Die Gastronomie trägt einen entscheidenden Teil zu dieser Esskultur bei. Sie eröffnet den Gästen neue Geschmackserfahrungen, bietet ihnen eine Kommunikationsplattform und einen Treffpunkt für Gleichgesinnte. Jetzt ist diese Kultur aus vielerlei Gründen bedroht.

In meinen bisherigen Kolumnen haben Sie mich als eine Person kennengelernt, die Sie mit Warenkunde, kreativen Rezepten oder spannenden Themen versorgt und Sie gerne mit auf eine kulinarische Auszeit nimmt. Heute lernen Sie einen Tristan Brandt kennen, der sich Gedanken um die Zukunft der Gastronomie macht und die nächsten Zeilen als Sprachrohr nutzen möchte, ein kurzes Plädoyer für den für mich schönsten Beruf dieser Welt zu halten, um junge Menschen zu motivieren in dieser Branche tätig zu werden. Diese Zeilen widme ich meinen lieben Kolleginnen und Kollegen, die gerade alles geben, um ihre Gäste glücklich zu machen und dabei weit über ihre eigenen Grenzen hinaus gehen.

Extremer Nachwuchsmangel

Endlich. Die Türen der Restaurants sind wieder offen. Die Gäste strömen in ihre Lieblingslokalitäten, nehmen Platz und freuen sich auf die Bedienung ihres Stammkellners. Aber wo ist er, wo viele andere Servicekräfte und Köche, die man aus vergangenen Besuchen kennt? Wenn die Corona-Pandemie eines deutlich offengelegt hat, dann eine große Schwachstelle unserer Branche, die sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet: der extreme Personal- und Nachwuchskräftemangel.

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Und dieser Negativtrend offenbart sich nun auch den Gästen, denn das beliebte Stammpersonal ist im vergangenen Jahr in andere Branchen abgewandert, mit besseren Gehältern und familienfreundlicheren Arbeitszeiten. Überall hört man die gleichen, erschreckenden Meldungen: Bislang erfolgreich geführte Gastronomien – vom Gasthaus bis zum Sternerestaurant, die nicht öffnen oder schließen müssen, weil ihnen zu wenig Köche und Servicekräfte zur Verfügung stehen oder überarbeitetes Personal, das nicht mehr hinterherkommt und verständlicherweise unzufriedene Gäste hinterlässt, da zu lange auf Getränke und Speisen gewartet werden muss. Unsere kulinarische und gastronomische Vielfalt ist bedroht!

Zugegebenermaßen, wenn andere feiern, arbeiten wir. Und für die kommende Generation stehen neben einem guten Gehalt auch Karriereaussichten oder Work-Life-Balance im Vordergrund. Und genau an diesen Punkten müssen wir ansetzen, um unsere Branche wieder attraktiver für Personal und Berufsanfänger zu gestalten. Wir sind bereits dabei, entwickeln neue Zeitenmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten oder Mitarbeiter-Events.

Kulinarik eröffnet Horizonte

Für mich persönlich gibt es keinen schöneren Beruf! Die Kulinarik eröffnet Horizonte, die man vorher nicht erahnen kann. Man kann so viele tolle Aromen, Produkte, Zulieferer und Menschen entdecken und kennenlernen. Wer in die Gastrobranche einsteigt, dem begegnet die Welt! Man gewinnt Freunde fürs Leben und ein Netzwerk an Menschen, die sich gegenseitig helfen und zueinanderstehen.

Mitarbeitende in der Gastronomie sind weltoffen und bunt, sprechen viele Sprachen, verreisen gerne und veranstalten gemeinsam kulinarische Events. Der Beruf ist vielfältig und nicht nur auf eine Aufgabe begrenzt. Man kocht, kalkuliert und entwickelt neue Konzepte. Es gibt nichts Schöneres, als das Glänzen in den Augen der Gäste zu sehen, wenn sie das Restaurant verlassen und man weiß, dass man ihnen ein schönes Erlebnis bereitet hat.

Liebe Menschen da draußen, traut Euch! Schnuppert einfach mal in unseren Beruf hinein: ob mit einem Praktikum, als Student im Service oder direkt als Auszubildender. Und gerade für Studenten ist die Gastronomie eine wertvolle praktische Übung in Kommunikation mit Menschen, ein wichtiger Soft Skill für künftige Arbeitgeber.

Mein Aufruf lautet daher: Werdet Teil unserer Kultur und tragt dazu bei, diese zu erhalten! Und den Gästen möchte ich sagen: Danke, dass ihr uns alle weiterhin unterstützt. Bitte bleibt der Gastronomie treu, auch wenn derzeit nicht immer alles glatt läuft!

Mit kulinarischen Grüßen

Ihr Tristan Brandt

PS: Wer Interesse am schönsten Beruf der Welt hat, dem biete ich gerne meine Beratung an! Einfach melden unter kontakt@tristan-brandt.de

Der Autor

Tristan Brandt war Deutschlands jüngster Zwei-Sterne-Koch. Der Küchenmeister ist Geschäftsführer im Restaurant „959“ in Heidelberg und war vorher Geschäftsführer der „engelhorn Gastro GmbH“. Er ist Namensgeber eines Schweizer Restaurants.

In seiner monatlichen Kolumne, erzählt er von der Entwicklung neuer Gerichte und verrät Rezepte.

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