Unternehmensporträt - Die Medienagenten aus Bad Dürkheim haben Winzern seit 2001 ein neues Instrument an die Hand gegeben – Kommunikation / „Vinum“ zählt Agentur zu 25 wichtigsten Persönlichkeiten

Wie ein Quartett aus Bad Dürkheim die Weinbranche verändert

Von 
Stephan Alfter
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„So gut waren wir noch nie“: Die Medienagenten aus Bad Dürkheim mit Felix Eschenauer (38, rechts) über seine Chefs Christoph Ziegler (48, links) und Jochen Stange (44, 3. von links) und Felix Watzka. © Lucie Greiner

Wer in Deutschland über Wein spricht, wird unweigerlich auf sie stoßen: Die Medienagenten aus Bad Dürkheim sind in den vergangenen 20 Jahren quasi eins geworden mit einem Markt, den es zur Jahrtausendwende in dieser Form noch gar nicht gab. Der durchschnittliche Weinbauer kam damals, da im September 2001 in New York die Zwillingstürme einstürzten, abends mit dem Vollernter aus den Reben zurück, sank womöglich sogar mit einem Bier auf die Couch und hatte angesichts des Angriffs auf unsere Lebenskultur plötzlich existenzielle Fragen. Werden meine Kinder den mitunter über Generationen in Familienhand befindlichen Betrieb eines Tages überhaupt weiterführen wollen? Und wie wichtig sind diese neuen Medien, die ein Landwirt selbst damals ungefähr so oft benutzte wie Arktisbewohner einen Kühlschrank. Ausnahmen gab es - wenige.

Dann kam Markus Schneider …

Dass es im Jahr 2021 gerade an den Rändern des Rheingrabens Dutzende erfolgversprechende Jungwinzer gibt, hat auch etwas damit zu tun, wie sich anhand neuer Medien die Kommunikation über Wein verändert hat. Plötzlich galt das Getränk insofern als identitätsstiftend, als man als Pfälzer stolz auf die eigene Herkunft sein konnte. Denn: Immerhin kam der Riesling auch von da. Wein wird heute auch bei jungen Konsumenten als ziemlich „hip“ wahrgenommen und das hat nicht zuletzt etwas mit neuen Kommunikationsideologien und -strategien in der Branche zu tun. Authentisch, nachhaltig, nicht überinszeniert - zugeschnitten auf den Charakter des Winzers, auf die Weinlagen (Terroir) und die Stilistik des Produkts. Als das anerkannte Magazin „Vinum“ die Medienagenten im März 2021 zu den wichtigsten 25 Weinpersönlichkeiten bundesweit zählt, kommt das nicht mehr überraschend. Denn: Sie sind Pioniere dieser neuen Strategien der Beratung und Vermarktung.

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Christoph Ziegler und Jochen Stange könnten sich immer noch beömmeln, wenn sie auf die Anfänge blicken: In Anlehnung an den leibhaftigen James Bond gaben sie sich Mailadressen, die beispielsweise auf 002@medienagenten.de lauteten. Mit Wein hatte das zunächst alles nichts zu tun. „Wir wollten Agenten sein“, sagt Ziegler heute.

Dann kam der „Newcomer des Jahres 2003“ Markus Schneider aus Ellerstadt und mit ihm das Rotweinwunder aus der Pfalz auf die Medienagenten zu. Jochen Stange hat im Jahr 2004 für ihn eine Homepage programmiert, die damals ihresgleichen suchte. Aus der Seite sprachen erstmals so etwas wie Emotionen. Plötzlich ging es nicht mehr um die bloße Veröffentlichung einer Rebsortentabelle, sondern um ein Gefühl für Wünsche und Ziele von Menschen, die dahinter stehen. „Storytelling“ wurde sukzessive zum Maßstab von Kommunikation.

Was folgte, waren lehrreiche Flegeljahre aufstrebender Agenten: Das noch fragile Konzept begann sich als richtig zu erweisen. In und um Bad Dürkheim wurden Ziegler, Stange und der inzwischen ausgeschiedene Dirk Paulus selbst zu „hidden Champions“. Stieg ihnen der Erfolg damals etwas zu Kopf? Vielleicht. Trotzdem: Netzwerken hieß jetzt die Devise. Also veranstalteten sie riesige Weinpartys auf dem Dürkheimer Weingut Fitz-Ritter.

„Nicht immer politisch korrekt“

Hier stieß ein vorwiegend junges Publikum auf Weiß- und Rotweine, die sich inhaltlich zu verändern begannen. „Winerotation“ hieß die Feier, Biodynamik war das neue Codewort.

Da schauten auch mal die Szene-Journalisten vorbei. Einer ihrer Stars: Stuart Pigott. Er erwähnte die Medienagenten nun öfter in seinen Beiträgen - etwa in der FAZ. Ziegler, Stange und Felix Eschenauer, der neue Kommunikator im Unternehmen, fassten damals auch den Mut zu offensiveren Experimenten.

Bundesweites Echo gab es auf das „Pornfelder“-Cover, das auf einem Portugieser-Dornfelder-Cuvee des Lambsheimer Winzers Lukas Krauß landete und eine mit Trauben behängte, barbusige Frau zeigte. Das männliche Pendant gab es auch. „Das war nicht immer politisch korrekt, aber es war nie doof“, sagt Eschenauer in der Rückschau. Inzwischen hat bei den Medienagenten eine neue Zeit begonnen - sie sind erwachsener geworden und beschäftigen sie sich nunmehr mit den adulten Fragen der Branche. Wie „premiumisiert“ wird der Wein eines Tages sein? Was passiert, wenn Alkohol in Deutschland nicht mehr beworben werden darf? Immerhin 20 Leute arbeiten heute in diesem sehr familiär geführten Betrieb, der 1,5 Millionen Euro Umsatz macht.

Günther Jauch meldet sich öfter

War es anfangs das Weingut Speckert aus Kallstadt, so tragen die Kunden heute mitunter große Namen. Den des ehemaligen DFB-Präsidenten und Winzers Fritz Keller etwa - oder jenen des Betriebs von Günther Jauch - „von Othegraven“. Bis zu zweimal die Woche meldet sich der Entertainer demnach persönlich bei Felix Watzka (32). Mit ihm hat die strategische Beratung von Weingütern einen noch ganzheitlicheren Ansatz bekommen. Die Dürkheimer begreifen sich schon lange nicht mehr als schlichte Etiketten-Designer. Sie sehen sich als professionelle Begleiter auf dem Weg hin zu einem strukturierten Auftritt ihrer etwa 200 Kunden aus dem Weinbau. „Wir dringen dabei oft tief in die Familiengeschichte ein“, sagt Christoph Ziegler. Wohin soll der Weg führen?, lautet dann die wichtigste Frage, die zu einer jahrelangen Zusammenarbeit führt. „So gut wie heute waren wir noch nie“, sagt Eschenauer diese Woche - ein Typ, der definitiv nicht für Eigenlob steht.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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