Lambsheim. Über kaum einen anderen Winzer wird derzeit so viel gesprochen, wie über Lukas Krauß. Ein frivoler Etikettenaufdruck verschaffte dem 26-jährigen Pfälzer und seinen Weinen mediale Aufmerksamkeit weit über die Grenzen der Region hinaus.
Der Jungwinzer redet, gestikuliert, ist immer mittendrin. Auf dem Hof in Lambsheim wirft er einen Blick in große Fässer, deren Holz sich dunkelviolett verfärbt hat, gibt Anweisungen an Mitarbeiter. Drinnen legt Krauß' Großmutter gerade die T-Shirts mit dem vieldiskutierten Aufdruck zusammen: Zwei Frauen in Strapsen räkeln sich an übergroßen Reben. Die blanken Brüste der burlesken Pin-up-Girls werden nur ansatzweise von ihrer langen Haarpracht bedeckt. Die Damen spitzen die Lippen zum Kussmund. Die entblößte Hüfte der einen ziert eine "I love Pfalz"-Tätowierung.
Sexy oder frauenfeindlich?
Dieser Aufdruck schmückt nicht nur T-Shirts, sondern auch die neueste Weinkreation des Jungwinzers: den "Pornfelder". Ein Cuvée aus Portugieser und Dornfelder. Einen Dornfelder als "Pornfelder" zu bezeichnen ist nicht neu, sondern ein altbekannter Witz unter Winzern. Neu ist, einen Wein unter diesem Namen zu verkaufen. Durch die eindeutige Darstellung der Pin-up-Girls wird klar, was der Wein sein möchte: "Sexy!" Aber ist das nur sexy oder schon sexistisch?
Krauß' 78-jährige Großmutter stört sich jedenfalls nicht an den halbnackten Damen: "Die Oma findet es cool", sagt der Pfälzer. Gar nicht cool hingegen findet Birgit Löwer, die kommunale Gleichstellungsbeauftragte aus Frankenthal, Krauß' Art, seinen Wein zu bewerben: "Diese Werbung ist aus meiner Sicht frauenfeindlich und sexistisch zugleich: Die Darstellung beleidigt Frauen als Gruppe und stellt sie in abwertender Weise dar. Die Reduzierung auf bestimmte Körperteile und Posen steht in keinem Zusammenhang mit dem Produkt." Deswegen wird Löwer Krauß für den Preis der "Goldenen Geschlechterrolle" vorschlagen, der jährlich von der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Rheinland-Pfalz für "herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Verfestigung und öffentlichen Verbreitung von Geschlechterklischees, Rollenzuschreibungen und Sexismus" vergeben wird. Außerdem regt sie eine Beschwerde beim Deutschen Werberat an.
Bislang sieht der 26-Jährige - der bereits über 6000 Flaschen "Pornfelder" verkauft hat - die Diskussion um seinen Wein gelassen: "Ich habe mich auf die Sexismus-Debatte vorbereitet." Zudem fällt es schwer, Krauß nur auf diesen einen Wein zu reduzieren. Er bietet neben dem "Pornfelder" noch 15 andere Weine an. Statt halbnackter Frauen ziert sonst ein Strichmännchen mit Hut die Weinetikette. Denn Hüte sind das Markenzeichen des Jungwinzers. Ein Wiedererkennungsmerkmal, das er geschickt einzusetzen weiß. So liest sich auf den Flaschen, der Wein sei "vom Mann mit Hut". Auch unterteilt der Pfälzer seine Weine nicht in Guts- oder Lagenweine, sondern in Hüte. "Ein Hut bezeichnet leichte Weine, zwei Hüte stehen für würzigere, kräftige Weine", erklärt der Vater von zwei Kindern.
Mann mit Hut
Doch wie kam Krauß zum Hut? "Durch einen Zufall eigentlich", erzählt er. Er habe schon als Kind immer Kopfbedeckungen getragen, kein Familienessen fand ohne Baseball-Cap statt. "Meine Mutter hat es irgendwann gereicht", lacht er, "die meinte, ich muss mir was Schickeres suchen und dann habe ich meinen ersten Hut gekauft." Auch dass er heute Winzer ist, war nicht von langer Hand geplant, sondern "ergab sich so". Krauß entschied in der zehnten Klasse, "dass Abitur nichts für mich ist" und ging von der Schule ab. "Bei einem Berufsberatungstest kamen dann so Sachen raus wie Förster und Landschaftsgärtner - nur grüne Berufe - da dachte ich mir, da kannst du auch gleich Winzer machen." Und vielleicht ist das auch das Geschäftskonzept des Jungwinzers - dass er eben annimmt, was so kommt. Denn auch der "Pornfelder" entstand aus einem Zufall heraus: Im Weingut des Vaters, der auch Dornfelder produziert, schrieb ein Auszubildender "Pornfelder" auf das Weinfass. "Das fand ich lustig und habe es auf Facebook gepostet", grinst Krauß. Seine Marketingagentur anscheinend auch: "Die haben mich dann direkt gefragt: ,Und wann fangen wir an?'"
Frauenfeindliche Werbung
Die gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Frauen "Terre des Femmes" stellt dieses Jahr das Thema "Frauenfeindliche Werbung" in den Fokus.
Laut der Organisation gebe Werbung tagtäglich gesellschaftliche Rollenbilder weiter und spiegele vor, wie Frauen und Männer angeblich zu sein haben.
"Terre des Femmes" fürchtet, dass auch Kinder sehr früh von diesen Bildern geprägt werden.
Besonders die Darstellung von spärlich bekleideten Frauen werde gerne genutzt, um auf ein Produkt aufmerksam zu machen, das meist in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Frauenkörper stehe, teilt "Terre des Femmes" mit.
Die Reduzierung des weiblichen Körpers auf ein sexuelles Objekt sei sexistisch, macht die Organisation klar.
Als Sexismus wird die auf das Geschlecht bezogene Diskriminierung bezeichnet.
"Terre des Femmes" verleiht am 25. November den "Zornigen Kaktus" für besonders sexistische Werbung. Vorschläge können bis zum 24. Oktober an gewaltschutz@frauenrechte.de eingereicht werden.
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