Wirtschaft - Winzer der Region erwarten ebenfalls Folgen aus der Corona-Krise / Online-Weinprobe im Angebot

Winzer suchen Konzepte gegen den Kummer

Von 
Stephan Alfter und Bernhard Zinke
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Die Corona-Krise verhindert solche Events wie die Weinlagenwanderung an der Bergstraße. Die Winzer der Region sind wie viele Berufsgruppen besorgt. © Thomas Zelinger

Rhein-Neckar. Weinbauern sind Kummer gewohnt. Das liegt daran, dass die Natur nur selten so funktioniert, wie der gemeine Winzer sich das wünscht. Im Jahr 2011 reichte beispielsweise eine frostige Nacht Anfang Mai, um viele um einen großen Teil ihrer Ernte zu bringen, im Frühjahr 2017 machten große Hagelkörner die Hoffnung auf einen guten Jahrgang in Teilen zunichte.

Mit der Corona-Pandemie hat nun eine Situation Einzug gehalten, von der diese krisenerprobten Winzer noch gar nicht wirklich sagen können, wie sie zu bewerten ist. Einzelne Betriebe beginnen gerade damit, Verkostungen im Internet anzupreisen.

Patrick Staub, geschäftsführender Vorstand bei der Bergsträßer Winzer eG, dem Zusammenschluss von rund 400 Winzerfamilien an der hessischen und badischen Bergstraße, sagt: „Wein ist ein geselliges Produkt. Und wenn die Geselligkeit eingeschränkt ist, dann fehlen die Trinkanlässe.“ Aber: Noch merkt die Genossenschaft nichts von der Corona-Krise. Ganz im Gegenteil: Der Paketversand im März habe das Spitzenergebnis des vergangenen Dezember noch übertroffen. „Aber“, sagt er, „zeitversetzt werden auch wir das spüren.“ Die Gastronomie nehme nichts mehr ab, Veranstaltungen seien abgesagt, auch die Weinlagenwanderung am 1. Mai an der Bergstraße und der Weinfrühling. So rechnet Staub mit einem Einbruch spätestens im Mai.

Markus Schneider aus dem pfälzischen Ellerstadt gehört heute zur Elite im deutschen Weingeschäft. Da, wo internationale Anlässe sind, sind seine Produkte oft nicht weit. Kanzlerin Angela Merkel kredenzte zum Abendessen mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama 2013 Schneiders Sauvignon Blanc namens Kaitui, und in den Outlets am Frankfurter Flughafen sucht man nicht lange nach den signifikanten schwarzen Flaschen aus Ellerstadt. Dass diese Geschäfte an internationalen Umschlagplätzen aktuell geschlossen sind, könnte Schneider eine Stange Geld kosten.

Der Mann, der sich gerne im Kapuzenpullover ablichten lässt, sieht die Entwicklung aber „noch relaxed“ und verweist auf einen Zeitpunkt Ende April, wenn die Arbeit im Weinberg intensiver werde. Probleme mit Saisonarbeitern, die dann nicht zur Verfügung stehen, befürchtet er selbst nicht. Er greift auf seine dann 35 Festangestellten zurück. 92 Hektar bewirtschaftet Schneider inzwischen - das Sechsfache des Durchschnitts. Er wird die Krise überstehen.

Importeur mit Zahlungsproblemen

Schwer könnte die Winzer dennoch das Wegbrechen ganzer Vertriebsstrukturen treffen. Steffen Christmann, Präsident des Verbands der Prädikatsweingüter (VdP) aus Gimmeldingen an der Deutschen Weinstraße, schreibt in einem offenen Brief von schweren Zeiten für den Weinbau. Zwar sei es nicht neu, dass das Geschäft schwanke, aber dieses Mal sei die Lage schwer einzuschätzen. So habe sich sein belgischer Importeur gemeldet, der derzeit die Rechnung für den Wein aus Neustadt nicht bezahlen könne - kein Einzelfall. Etwa 140 000 Flaschen Wein produziert Christmann pro Jahrgang.

Bei den namhaften Vertretern der Branche könnte ein weiterer Aspekt problematisch sein: Die Tatsache, dass derzeit viele Flugzeuge am Boden bleiben, führt dazu, dass die Lufthansa mitunter bis zu 40 000 Flaschen pro Monat nicht ankauft. Das Flugunternehmen setzt laut Christmann jeden Monat auf ein anderes Weingut. Nicht zu vernachlässigen sei in diesem Zusammenhang der Markt mit dem Duty-Free-Geschäft, sagt Markus Schneider. Wer nicht fliegt, bringt eben auch nichts mit.

Umso wichtiger wird während der Corona-Krise auch für das Weingeschäft der digitale Markt und damit der gut geführte Online-Shop. Patrick Staub findet die Idee der virtuellen Weinprobe gut, wenn man schon physisch nicht zusammenkommen könne. Sein Unternehmen plane nun spezielle Weinprobierpakete samt Expertisen von Fachleuten zu den Weinen und einer Anleitung zur Weinprobe daheim.

So machte es am vergangenen Samstag auch das Weingut Clauer de Chant, das zwischen 16 und 18 Uhr eine moderierte Weinprobe als Videokonferenz übertrug. Lukas Krauß, Winzer aus Lambsheim bei Frankenthal, der vor einigen Jahren mit seinem Cuvée aus Dornfelder und Portugieser namens Pornfelder für Furor sorgte, setzt auf Instagram. Am kommenden Mittwoch um 19.30 Uhr gibt es dort ebenfalls eine Live-Weinprobe, für die zuvor Pakete mit Wein an die Teilnehmer verschickt werden - ein Konzept gegen den Kummer. (sal/bjz)

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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