Leicht übersieht man im Halbdunkel des Wormser Doms den Zugang zur Saliergruft. Vor dem Ostchor führt eine schmale Treppe zum Eingang. Der Besucher findet sich in einem düsteren Raum. Darin stehen dicht an dicht neun wuchtige Steinsarkophage, in denen Vorfahren und nahe Angehörige des ersten Salierkaisers Konrad II. (um 990 bis 1039) ruhen. 1906 legte man die Sarkophage bei Ausgrabungen im Dom frei; 1909 entstand der Raum. Ein Sarkophag mit roter Decke fällt auf; davor steht eine Kerze. Eine Infotafel zeigt: Er soll die Reste eines Mannes bergen, der mit dem Schwert Weltgeschichte geschrieben hat: Konrad der Rote. Der Salierherzog erwarb unvergänglichen Ruhm und verlor sein Leben in der Schlacht, die am 10. August 955 auf dem Lechfeld unweit von Augsburg tobte.
Die „Geißel Gottes“
Eine Plage des 10. Jahrhunderts: Immer wieder fallen die ungarischen Reiterhorden in Mittel-, West und Südeuropa ein. Die leicht bewaffneten Bogenschützen auf relativ kleinen, flinken Pferden sind den gepanzerten Gegnern auf ihren schweren Schlachtrössern überlegen – wenn es nicht zum Nahkampf kommt. Doch den vermeiden die Ungarn, setzen auf ihre Bogen und decken die Feinde mit einem Hagel von Pfeilen ein. Nur selten gelingt es den christlichen Truppen, ihre Gegner zu fassen. Die heidnischen Reiter plündern, morden und zerstören. Sie gelten als „Geißel Gottes“.
Besuch der Salierstätten in Worms
Anfahrt von Mannheim: In Sandhofen auf A6 fahren. An der Anschlussstelle Ludwigshafen-Nord auf die B9 in Richtung Worms. Dann den Schildern in Richtung Worms-Zentrum folgen. Entfernung circa 25 Kilometer.
Parken: Auf Parkplätzen und in Parkhäusern rund um die Altstadt.
Adressen: Dom (Domplatz 1, 67547 Worms), St. Paul (Paulusplatz 5, 67547 Worms).
Öffnungszeiten: Dom im Winterhalbjahr (Oktober bis Ende März) 10 bis 17 Uhr, im Sommerhalbjahr (April bis Ende September) 9 bis 18 Uhr; St. Paul 9-18 Uhr.
Eintrittspreis für die Saliergruft: Ein Euro.
Weitere Informationen: Tourist Information, Rufnummer 06241 853-7306, E-Mail: touristinfo@worms-de, Internetseite: www.worms-erleben.de.
Virtuelle Besichtigung: Die Tourist Info zeigt auf ihrer Webseite (s.o.) Panoromabilder des Doms.
Literatur: Gerd Althoff und andere: Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2017.
Als das Reich durch eine Rebellion gegen König Otto I., an deren Spitze sein Sohn Liudolf steht, geschwächt ist, sehen die Ungarn 954 die Chance auf leichte Siege. Doch ihr Angriff stärkt die Position des Königs, während die Aufständischen, die mit den Ungarn kooperieren, an Rückhalt verlieren. Im Dezember 954 kommt es zum Friedensschluss mit den Rebellen; Konrad hat die Hände frei. Als die Ungarn im Sommer 955 erneut in Bayern und Schwaben einfallen, ruft er die deutschen Stämme zum Krieg auf. Aus Bayern kommen Kontingente, aus Schwaben und Böhmen, dazu das unmittelbare Gefolge des Königs, das aus Sachsen und Franken besteht, sowie weitere Franken unter Konrad dem Roten, der wohl wegen seiner roten Haare so genannt wird. Der Salier, mit einer Schwester des Königs verheiratet, zählt bis 953 zu dessen engsten Vertrauten. Dann nimmt er aus gekränkter Ehre am Aufstand des Königssohns teil, verliert das Herzogtum Lothringen. Brun, Bruder Ottos und Erzbischof von Köln, vermittelt. Eine glückliche Fügung, wie sich zeigen sollte.
Schlacht nimmt Wendung
Aus der zeitgenössischen Biographie des Augsburger Bischofs Ulrich: „Sogleich im folgenden Jahr freilich, im Jahr 955 (…) brach eine solche Menge Ungarn ein, wie sie keiner von den damals lebenden Menschen, wie man hörte, zuvor irgendwo gesehen hatte. Sie besetzten und verwüsteten das Bayernland vom Donaufluss bis zum Schwarzen Wald, der zum Gebirge gehörte. Als sie den Lech überschritten und Alemannien besetzten, brannten sie die Kirchen der heiligen Afra nieder, plünderten die ganze Provinz von der Donau bis zum Wald und verbrannten den größten Teil bis zum Fluss Iller. Die Stadt Augsburg aber (...) belagerten sie.“ Ulrich leitet die Verteidigung. Die Situation spitzt sich zu, da ziehen die Ungarn ab, weil sie vom Herannahen des deutschen Heeres erfahren haben. Vor der Schlacht soll König Otto eine mitreißende Rede gehalten haben. Ein Auszug: „Sie übertreffen uns, ich weiß, an Zahl, aber nicht an Tapferkeit, nicht an Rüstung. (…) Ihnen dient als Schirm lediglich ihre Verwegenheit, uns dagegen die Hoffnung auf göttlichen Schutz.“
Der Beginn der Schlacht lässt Schlimmes erahnen für die Deutschen. Die Ungarn umgehen deren Heer, greifen die Nachhut an, Schwaben und Böhmen fliehen, der Tross geht verloren. Doch anstatt ihren Erfolg auszunutzen, beginnen die Sieger zu plündern. Das ermöglicht Konrad dem Roten mit seinen Reitern einen erfolgreichen Gegenangriff, der das Heer rettet. In der Hauptschlacht gelingt es den wendigen Ungarn diesmal nicht, die Panzerreiter ins Leere laufen zu lassen. Zudem soll Regen die Sehnen ihrer Bogen unbrauchbar gemacht haben. Die Schlacht entwickelt sich zum Massaker. Flüchtende ertrinken im Lech und in Bächen, die durch die Regenfälle der vergangenen Tage zu reißenden Flüssen geworden sind. Bauern, über viele Jahre Opfer der Ungarn, lauern ihnen auf und töten sie. Einige Anführer der Magyaren lässt Bayernherzog Heinrich hängen. Eine verheerende Niederlage. Doch Ottos Truppen zahlen einen hohen Preis dafür. Unter den Toten ist auch Konrad der Rote. Er wird von einem Pfeil in den Hals getroffen. Über die Zahl der Kämpfer auf beiden Seiten gibt es nur Spekulationen. Kaum nachvollziehbar, dass bis heute nicht feststeht, wo die Schlacht stattgefunden hat. Eine lohnende Aufgabe für ehrenamtliche Sondengänger, die in etlichen Bundesländern erfolgreich eingesetzt werden.
Weg zum Kaisertitel geebnet
Die Auswirkungen der Schlacht lassen sich kaum überschätzen. Der Sieg ebnet Otto den Weg zur Kaiserkrönung, die 962 erfolgt. Der „Große“ wird er nun genannt und „Vater des Vaterlandes“. Die Schlacht gilt als „Geburt der deutschen Nation“, da etliche Stämme gemeinsam gekämpft haben. Die Niederlage der Ungarn muss verheerend gewesen sein, denn sie ändern ihre gesamte Lebensweise, geben die Raubzüge auf, werden sesshaft und nehmen bald das Christentum an.
Konrad der Rote wird im Wormser Dom bestattet, nur wenige hundert Meter von seiner Burg entfernt. Im 10. Jahrhundert haben die Salier nämlich eine starke Herrschaft mit dem Schwerpunkt in der Region zwischen Speyer, Worms und Kaiserslautern aufgebaut. In Worms geschieht dies auf Kosten der Bischöfe. Doch der legendäre Bischof Burchard (1000 bis 1025 im Amt) will das nicht hinnehmen. Als Dank für seine Unterstützung bei der Königswahl erhält er von Heinrich II. 1002 die salischen Besitzungen in Worms. Herzog Otto von Kärnten, der Sohn Konrads des Roten, bekommt als Kompensation Güter bei Bruchsal. Die etwa 60 mal 60 Meter große Burg wird in der Biographie Burchards als eine starke Anlage mit Türmen und verschiedenen Gebäuden beschrieben. Der Verfasser beschreibt auch den Augenblick des Triumphs: „So wurde Worms nach langer, ungerechter Herrschaft durch die väterlichen Bemühungen seines Bischofs frei. An demselben Tag aber, an dem der Herzog von der Burg abzog, betrat der Bischof mit einer großen Schar seiner Leute die Burg vor den Augen des Herzogs und ließ sie bis auf die Grundmauern eiligst niederlegen.“ Auf dem Areal steht seit etwa 1016 die Stiftskirche St. Paul, heute Dominikanerkloster.
Die Salier verfügen noch über einen Herrschaftssitz in der Pfalz: die Lintburg bei Bad Dürkheim, an deren Platz heute die Ruinen der 1024 von Konrad II. gegründeten Abtei Limburg stehen. Mit ihm beginnt das große Jahrhundert der Salierkaiser. Doch die Wormser Verwandtschaft bleibt unvergessen: Konrad II. stiftet 1034 eine tägliche Messe für die seit der Mitte des 10. Jahrhunderts im Dom bestatteten Familienmitglieder sowie eine jährliche Feier am Todestag seines Vaters Konrad I..
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