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Königstein im Taunus: Wo Revolutionäre im Verlies saßen

Königstein im Taunus zählt zu den größten Festungsanlagen Deutschlands. Einer Sage nach soll sie auf den Frankenkönig Chlodwig zurückgehen. Heute bietet die Ruine eine stimmungsvolle Kulisse für Feste – und knüpft damit an mittelalterliche Traditionen an.

Von 
Klaus Backes
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Die mittelalterliche Burganlage mit dem 32 Meter hohen Bergfried bildet den Kern der Festung Königstein. © Klaus Backes

Hätte die Sage recht, würde Königstein zu den ältesten Burgen Deutschlands zählen. Demnach verirrt sich der Frankenkönig Chlodwig (466 bis 511) während der Kämpfe gegen die Alemannen im Taunus. Erschöpft setzt er sich auf einen Stein und ritzt mit seinem Schwert ein Kreuz in den Felsen, der sich plötzlich öffnet und eine Frau freigibt. Sie ist durch einen Zauberspruch in den Berg verbannt, und der einzige, der sie erlösen kann, ist ein heidnischer König, der zum Christentum übertritt. Dann hält sie Chlodwig ein Kreuz entgegen und sagt, dass er in diesem Zeichen siegen würde. Wenn er die Taufe empfangen hat, solle er wieder an diese Stelle kommen. Dann wäre sie erlöst.

Eine alte Postkarte zeigt die Ruine Königstein um das Jahr 1900. © Klaus Backes

496 besiegt Chlodwig die Alemannen und wird Christ. Bald darauf sucht er den Berg auf und ritzt ein Kreuz in den Felsen. Eine weiße Taube erscheint und verschwindet in den Weiten des Himmels. Zum Gedenken an das Wunder errichtet der König auf dem Berg eine Burg, die er Stein des Königs – Königstein – nennt. Die Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig hatte hochpolitische Gründe, wurde aber mit Legenden verbrämt. Und natürlich erinnert die Sage an die berühmte Geschichte, wie Christus dem römischen Kaiser Konstantin im Traum erscheint und ihm verkündet, dass er die Schlacht an der Milvischen Brücke (312) im Zeichen des Kreuzes gewinnen wird.

Mehrmals erobert

Wann die Burg entsteht, weiß niemand. Die ältesten Mauerreste stammen aus dem 12. Jahrhundert. Bei der ersten Erwähnung 1225 amtieren Reichsministeriale auf der Burg, die sich nach ihr benennen. 1239 befindet sich Königstein als Reichslehen in den Händen des mächtigen Ministerialengeschlechts der Münzenberger. Als diese Familie 1255 in männlicher Linie ausstirbt, erhält Philipp I. von Falkenstein aus dem berühmten nordpfälzischen Haus der Bolanden über das Erbe seiner Frau die Herrschaft. Wegen Besitzstreitigkeiten zwischen Philipp VI. von Falkenstein und seinen Vettern wird die Burg 1364 belagert und eingenommen. 1374 erobern die streitlustigen Reiffenberger Königstein und nehmen Philipps Frau und Kinder gefangen. Er selbst stürzt bei der Flucht von einer Mauer, wird gefasst und erliegt einige Tage später seinen Verletzungen.

1418 stirbt der letzte Falkensteiner, und Königstein gelangt an die Herren der benachbarten Burg Eppstein. Diese lassen die Anlage durch massive Rondelle verstärken, um für einen Angriff mit Geschützen gewappnet zu sein. Andererseits setzen sie auf Komfort und bauen die alte Burg zum Schloss um. 1535 erlischt die Familie der Eppsteiner, und die Burg fällt an die Grafen von Stolberg. Dass die Umgestaltung der Befestigungen erfolgreich ist, zeigt sich 1552, als der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach Königstein vergebens angreift. 1581 übernimmt das Erzbistum Mainz nach dem Erlöschen der Stolberger Hauptlinie Burg und Herrschaft. Vertreter einer Seitenlinie besetzen die Festung und statten sie mit 40 Geschützen aus. Doch die Truppen des Erzbistums nutzen eine simple Belagerungstechnik: Sie kappen die Wasserleitung und erzwingen so die Kapitulation.

Schon lange verstummt: eine alte Kanone auf einer Bastion der Festung. © Klaus Backes

Die Erzbischöfe verstärken die Anlage, die bis 1803 in ihrem Besitz bleibt, mit mächtigen Bastionen. Doch Frieden bringen sie nicht. Paradox: Starke Festungen bieten zwar vordergründig Sicherheit, ziehen aber andererseits die Feinde an wie ein Magnet das Eisen. Denn wer eine Region erobern will, muss deren Machtzentrale einnehmen. So wird Königstein während des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688 – 1697) ein Jahr lang von hessischen Truppen besetzt. 1792 nehmen französische Revolutionstruppen die Festung kampflos ein, müssen sie aber nach dreimonatiger Belagerung an die Preußen übergeben. Diesmal erzwingt der Hunger die Kapitulation.

Die Erzbischöfe nutzen Königstein unter anderem als Unterkunft für versehrte Soldaten und als Staatsgefängnis. Zu den prominenten Häftlingen zählt Domprobst Philipp Ludwig Freiherr von Reiffenberg, den Erzbischof Johann Philipp 1667 wegen staatsfeindlicher Verschwörung und Misswirtschaft in der Festung inhaftieren lässt, wo er 1686 stirbt. Auch rund 160 Anhänger der revolutionären Mainzer Republik, die 1792/93 nach französischem Vorbild entsteht, lernen nach der Eroberung der Stadt durch preußische Truppen die Verliese der Festung kennen. Zu ihnen zählt Caroline Schlegel-Schelling, eine bekannte Vertreterin der deutschen Romantik. In ihren Briefen schildert sie die katastrophalen Haftbedingungen, schreibt von schädlichen Dünsten, von Ungeziefer, von „Schrecken und Angst und Beschwerden“.

Informationen zur Burg- und Festungsruine Königstein im taunus

Anfahrt von Mannheim: Auf die A6. Am Viernheimer Dreieck auf die A67 in Richtung Hannover/Frankfurt/Köln/Darmstadt. Am Mönchhofdreieck auf die A3 in Richtung Köln. Autobahn bei der Abfahrt Wiesbaden-Niedernhausen verlassen, auf der B455 nach Eppstein fahren und den Schildern nach Königstein folgen. Parken im Zentrum (Altstadtbereich von Königstein). Von dort etwa 15 Minuten Fußweg zur Festung.

Entfernung von Mannheim: 115 Kilometer

Fahrzeit: etwa 90 Minuten

Adresse: Burgruine Königstein, Burgweg 5, 61462 Königstein im Taunus.

Öffnungszeiten: April bis Oktober täglich von 10 bis 19 Uhr (letzter Einlass 18.30 Uhr), November bis März Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr (letzter Einlass 16.30 Uhr), Montag bis Freitag geschlossen

Eintrittspreise: Erwachsene 3 Euro, Kinder 1,50 Euro

1793 besetzen französische Revolutionstruppen Königstein. Als sie 1796 abziehen müssen, bleibt ein Kontingent von 30 Mann zurück, um die Festung zu zerstören. Doch durch ein Missgeschick gehen die Sprengladungen zu früh hoch, und die Franzosen werden unter den Trümmern begraben. Seitdem bleibt Königstein Ruine. Die Bewohner der Stadt nutzen sie als Steinbruch. Dem Einsatz einiger Bürger ist es zu verdanken, dass um 1850 die Zerstörung endet. 1922 schenken die Fürsten von Nassau die Ruine der Stadt.

Durch das Mainzer Tor betritt der Besucher die Festung, die zu den größten Deutschlands gehört, und zahlt am Kassenhäuschen den Eintritt von drei Euro. Einige Meter weiter würde es rechts auf „Spitze Bastion“ gehen. Würde, denn sie ist gesperrt wegen eines jungen Uhus, der dort aufwächst.

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Neben der Bastion „Am scharfen Eck“ dräut düster ein Zugang zu den oberen Teilen der riesigen Anlage, treffenderweise „dunkler Bogen“ genannt. Eine Taschenlampe wäre in dem breiten Gang nützlich, dessen Boden glücklicherweise keine groben Unebenheiten aufweist. Endlich Licht am Ende des Tunnels. Dann tritt der Besucher auf den riesigen Kasernenhof. Einst war er von Gebäuden umrahmt. Erhalten sind der Keller des Holzmagazins und ein Zugang zum Untergeschoss des Pulverturms.

Gewölbekeller für Privatfeiern

Die Gebäude der Oberburg lassen nur wenig vom früheren Glanz erahnen. Leider ist der Bergfried zu, weil das Schloss der Tür nicht funktioniert. Schade. Obwohl: Rund 200 Stufen bei 30 Grad? „Das ist wie ein Spaziergang in den achten Stock“, meint der Mann an der Kasse später tröstend. Aber der tolle Blick über den Taunus und zur Frankfurter Skyline wäre doch ganz schön gewesen. Durch einen kürzeren Tunnel, den „hellen Bogen“, geht es aus der Hauptburg heraus in den unteren Verteidigungsring und an der Uhu-Kinderstube vorbei zum Ausgang.

Wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht, wird viel gefeiert auf der Burg. Jedermann kann für private Festlichkeiten einen Gewölbekeller anmieten. Die Ruine bietet zudem eine stimmungsvolle Kulisse für Konzerte, für das große Burgfest im August und das Ritterturnier im Mai. Königstein – eine Partyburg. Das hat Tradition. Denn schon die Eppsteiner und Stolberger, die die Burg zu einem prachtvollen Schloss umgewandelt hatten, feierten hier im 15. und 16. Jahrhundert rauschende Feste.

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