Mannheim/Cochem. Dieses Geheimnis aus der Zeit des Kalten Krieges hat sich noch nicht recht herumgesprochen: In Cochem an der Mosel lagerten von 1964 bis 1988 in einem Bunker der Deutschen Bundesbank 15 Milliarden Deutsche Mark einer Notstandswährung.
Das Ganze blieb so geheim, dass noch nicht einmal der Staatssicherheitsdienst der DDR, der sonst sogar aus dem Kanzleramt in Bonn alles Mögliche erfuhr, davon Kenntnis nahm. Kein Wunder also, dass dieses Geheimnis der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte bis vor wenigen Jahre ein solches blieb – zumal besagter Bunker ohnehin erst seit 2016 für Führungen zugänglich ist.
Hier ist das Geld sicher
Anfahrt: Die Dokumentationsstätte Bundesbank-Bunker Cochem liegt in einem dicht bebauten Wohngebiet in Hanglage, es gibt keine öffentlichen Parkplätze. Dafür fährt ab dem Endertplatz im Zentrum Cochems ein preisgünstiger Shuttle-Bus hin und zurück, der BunkerShuttle. In unmittelbarer Nähe des Endertplatzes liegen direkt an der Mosel zwei größere Parkplätze. Zu Fuß dauert es 15 bis 25 Minuten, um vom Zentrum in Cochem zum Bunker Am Wald 35, 56812 Cochem-Cond. zu kommen.
Führungen: Von April bis Oktober gibt es täglich fünf Führungen, sonst drei. Wegen Corona kam dieser Rhythmus durcheinander, daher unter www.bundesbank-bunker.de die aktuellen Zeiten abrufen. Die Führungen dauern 35 bis 40 Minuten.
Hotel: Der unauffällige Gebäudetrakt des ehemaligen Bundesbank-Schulungszentrums, das aus zwei sogenannten Tarnhäusern bestand, dient seit dem Jahr 2016 als „Hotel Vintage am Bundesbank-Bunker“. Es kann öffentlich nicht besichtigt werden. Infos und Buchungen unter www.hotel-vintage.de.
Infos: Bundesbank-Bunker Cochem, Am Wald 35, 56 812 Cochem-Cond, Tel.: 026 71-91 53 50, E-Mail: info@bundesbank-bunker.de, www.bundesbank-bunker.de
Literatur: Neben einem sogenannten Steckbrief, der zu den Führungen verteilt wird und die wesentlichsten Daten enthält, gibt es in der Reihe „Geschichts- und Erinnerungs-Orte“ an der Bunkerkasse das 64 Seiten umfassende Heftchen „Bundesbank Bunker Cochem. Deutschlands geheimes Milliardenreich im Kalten Krieg“ von Antonia Mentel. loi
Wie kam’s? Bereits Ende der 1950er Jahre, als die ersten neuen D-Mark-Scheine die alten Banknoten der Bank deutscher Länder ablösen sollten, sorgten sich die Hüter des Geldes um die Sicherheit der Währung. Was, wenn der Feind im Osten, der Russe also, so agieren sollte, wie es die Nationalsozialisten mit ihrer Fälschereinheit der „Aktion Bernhard“ im Konzentrationslager Sachsenhausen getan hatten?
Angst vor Inflation
Häftlinge stellten damals so gut gefälschte britische Pfundnoten her, dass das Pfund deutlich an Wert verlor – so sehr, dass die Verantwortlichen in Berlin beschlossen, ab 1944 auch US-Dollar-Noten fälschen zu lassen. Der Film „Die Fälscher“ aus dem Jahr 2007, der 2008 mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde und auf den Erinnerungen des KZ-Insassen Adolf Burger beruht – „Des Teufels Werkstatt“ –, dokumentiert diese Fälschergeschichte.
Um einer derartig möglichen Inflationsattacke vorzubeugen, wurde in der jungen Bundesrepublik mithin beschlossen, einen alternativen Notensatz zu entwerfen, herzustellen und an einem sicheren Ort zu lagern. Und weil Frankfurt am Main, der Sitz der Bundesbank, zu nahe an der Zonengrenze und damit zu unsicher erschien, fiel die Wahl auf Cochem. Eine naive Hoffnung verleitete damals dazu, zu glauben, dass eine eventuelle atomare Druckwelle über die Schleifen des Moselverlaufs hinweggehen könnte.
1962 – die Kubakrise schien die Welt in einen neuen, einen Atomkrieg zu treiben – begannen daher die Bauarbeiten in einem ruhigen Wohnviertel Cochems, die letztlich vier Jahre beanspruchen sollten. Selbstverständlich blieb das nicht unbemerkt, und daher setzten die Bauherren – so geht die Legende – eine Infoveranstaltung an. Nun war es seinerzeit nicht unüblich, dass Bunker errichtet wurden, und deshalb bekamen die Anwohner Fake-Pläne präsentiert, denen zufolge ein Luftschutzbunker errichtet werden solle, in dem auch sie im Ernstfall unterkommen würden – sofern sie die Baustelle weiterhin in Schweigen hüllten. Tatsächlich waren im Bunker Zivilisten wohl nie vorgesehen, aber sie glaubten und schwiegen.
Falsches Echtgeld
30 Meter tief schiebt sich der Bunker in das Schiefergestein, 55 Meter lang ist der Hauptstollen, 85 Meter der Versorgungsstollen. Wer diesen als Besucher bis zum Tresorraum entlanggehen möchte, muss zuerst eine massive Tür und die ursprüngliche Dekontaminationskammer passieren. Einige sanitäre Anlagen folgen dann in dem schlauchartigen Gang, einige weitere Türen und dann eine Klimaanlage, die die ganzen Jahrzehnte lang gewährleistete, dass die im Tresor gelagerten Geldscheine unbeschädigt blieben.
60 Zentimeter dick sind allein die Wände dieses Tresors, acht Tonnen wiegt seine Tür, Sensoren überwachten den Zugang so sensibel, dass es nicht selten zu Fehlalarmen kam. Dennoch blieb verborgen, was hinter der Tresortür lagerte: 15 Milliarden DM eben, in 10er, 20er, 50er und 100er Scheinen, die sogenannte BBk II, die Bundesbanknoten-Ersatzserie, deren Aussehen die Optik der genutzten BBk I einerseits aufgriff und andererseits variierte, um einerseits Akzeptanz zu schaffen und andererseits Unterscheidbarkeit sicherzustellen. Geschichtet in Kartons, gestapelt in mehreren Boxen, die nochmals mit Schlössern versehen und mit Plomben versiegelt waren, blieb das Geld, das dem Gegenwert der gesamten bundesdeutschen Volkswirtschaft entsprechen sollte, dort bis zum Jahr 1988 liegen. Dann waren die Sicherheitsmerkmale veraltet, dann zeichnete sich das Ende der DDR und damit ein wahrscheinlich neuer Geldbedarf ab, dann wurden die 15 Milliarden Mark bis Februar 1989 geschreddert, wie auch weitere elf Milliarden DM, die inzwischen nachgedruckt und dann doch auch noch in Frankfurt gebunkert worden waren.
72 Mitarbeiter vorgesehen
Büros im Obergeschoss des Bunkers in Cochem zeugen davon, wie notfalls hätte gearbeitet werden sollen. Eine Küche, ein Speiseraum, Schlaf- und Waschräume befinden sich dort – für 72 Mitarbeiter, die eingesetzt worden wären, um das Alternativgeld an Landesbanken zu verteilen.
Getarnt war die Anlage als Schulungsheim der Bundesbank. Tatsächlich wurde – noch bis in die 1990er Jahre – ein zweigeteiltes größeres Wohngebäude nahe dem Bunkereingang für Schulungen genutzt. Aber sogar die Schulungsheimleiter, die den Schlüssel zum Bunker verwahrten, sollten nicht wissen, was genau in dem Bunker war – und hatten zum Tresorraum selbst keinen Zutritt.
Dafür waren zusammen drei weitere Schlüssel erforderlich, die indes im Besitz verschiedener Personen, sogenannter Schlüsselführer, waren. Für jeden der drei Schlüsselführer gab es Stellvertreter, und im Haupttresor der Bundesbank in Frankfurt lagerten Duplikate der Schlüssel, sowie in einer Zweigstelle Triplikate, also Drittschlüssel.
Etliche Jahre nach der Vernichtung des Geldbestandes und nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten versuchte die Bundesbank, sich von dieser sensiblen Liegenschaft zu trennen, aber wer kauft schon einen Bunker? Es war das Jahrhunderthochwasser Ende 1993, das den Keller der Volksbank in Cochem flutete und damit veranlasste, dass die Volksbank das sogenannte Casino im Bunker zum Schließfachraum umgestaltete. Nach einer Bankenfusion gab es aber auch dafür keine Verwendung mehr, und so stand das Ganze ab 2008 erneut zum Verkauf.
Wasser und Feuchtigkeit setzten der Anlage zu, die zwar 2011 unter Denkmalschutz gestellt, aber dadurch noch lange nicht saniert wurde. Ein Unternehmerehepaar aus der Region kaufte drei Jahre später begeistert den Bunker samt Schulungsheim und ließ die Gebäude im Sinne des Denkmalschutzes – und dennoch ohne Fördermittel, um keine Zeit zu verlieren – restaurieren.
Hotel im Retro-Look
Seit 2016 ist der Bundesbank-Bunker mithin für Führungen geöffnet, und das ehemalige Schulungsheim ist heute ein Hotel, das „Hotel Vintage am Bundesbank-Bunker“. Im Bunker sollen künftig Lesungen, Konzerte und andere Events stattfinden, schon 2018 war er eine Location für das „Mosel Musikfestival“. Das Hotel wiederum pflegt den Flair früherer Jahre bei zeitgenössisch gehobenem Niveau.
Die Geschichte des Bundesbank-Bunkers ist damit dennoch noch nicht ganz erzählt. Zu viel von den genauen Abläufen ist noch unerforscht, bedingt schon durch die lange Geheimhaltung. Schließlich durften die relevanten Unterlagen aus dem Historischen Archiv der Deutschen Bundesbank erst ab dem Jahr 2010 eingesehen werden. Immerhin, abgesehen von zwei Notizen der Bundesbank selbst aus den Jahren 1962 und 1964 gibt es Presseberichte aus den Jahren 1966, 1972 und 2004 sowie zwei Fachbuchbeiträge von 2003 und 2011.
Die Dokumentationsstätte Bundesbank-Bunker Cochem jedenfalls will den Gebäudekomplex und seine Geschichte verstärkt publik machen. Mit Hilfe des Förderprogramms Neustart Kultur wurde etwa ein Audioguide entwickelt, ganz im Sinne von „Wir machen den Weg frei“ – für noch mehr Informationen.
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