Mannheim. War es Hofrat Wolfgang Wedel? Forscht man nach den Ursprüngen der Gartenschauen, stößt man auf jenen Mann aus Gera, seine Konversation mit Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe und das, womit er um das Jahr 1800 beginnt. Er zeigt Honoratioren, Bürgern und Handwerkern neue Pflanzen, insbesondere seine 800 Nelkensorten. Ist das die erste Blumenschau?
„Eine jahrhundertealte Tradition“ hätten Gartenschauen in jedem Fall, sagt Jochen Sandner, Er ist Geschäftsführer der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft, die – von Berufsverbänden der Gärtner, Landschaftsbauer und Baumschulen getragen – über Austragungsorte entscheidet, Lizenzen für Bundesgartenschauen vergibt und sie mit den Städten zusammen ausrichtet.
Ab wann Gartenschauen im Trend sind
Sandner blickt zurück bis zum Ende des Absolutismus. Bis dahin sind aufwendige Parkanlagen Herrschern und Adel vorbehalten. Dann beginnen sich auch wohlhabende Bürger für Pflanzen zu interessieren. Sie zu präsentieren, hebt ihr Image. Und wem es zur Zeit des Kolonialismus gelingt, irgendwelche Exoten zu bekommen, der demonstriert damit seine Weltläufigkeit.
Mitte des 19. Jahrhunderts häufen sich erste Ausstellungen von Gartenbauvereinen, und immer mehr werden sie als Wettbewerb ausgetragen, welche Betriebe die schönsten Züchtungen zeigen. 1869 findet in Hamburg die erste Internationale Gartenausstellung in Deutschland statt – mit 420 Ausstellern aus neun Nationen auf 14 Hektar, allerdings nur zwei Wochen lang. Es folgen einige andere Städte mit Gartenbauausstellungen.
Buga in Mannheim: Besucher-Tipps
- Bundesgartenschau: Bis 8. Oktober findet in Mannheim auf dem Spinelli-Areal und im Luisenpark die Bundesgartenschau statt.
- Eintritt: Erwachsene 28 Euro, Zweitageskarte 43 Euro, junge Erwachsene (15 bis 24 Jahre) elf Euro, Zweitageskarte 17 Euro, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahre frei, Begünstigte 18 Euro, Zweitageskarte 28 Euro.
- Öffnungszeiten: Ab 9 Uhr. Die Haupteingänge am Luisenpark (Theodor-Heuss-Anlage) und Spinelli-Park sind bis 20.30 Uhr geöffnet; die Eingänge Fernmeldeturm und Spinelli-Nord sind bis 19.30 Uhr zugänglich. Voraussetzung ist, dass man eine Karte hat. Die Kassen schließen weiter um 19 Uhr. Verlassen kann man die Gelände jederzeit jeweils über die Drehkreuze.
- Ausstellung: Mit der Ausstellung „Eine Stadt verändert ein Fest – Mannheimer Gartenschauen 1907, 1975 und 2023“ erinnert das Marchivum in einer Halle im Pflanzenschauhaus im Luisenpark an frühere Mannheimer Gartenschauen. pwr
1897 richtet wieder Hamburg eine Internationale Ausstellung aus – nun erstmals von Mai bis Oktober. Seither gibt es die halbjährige Dauer, wenn auch noch Regeln für einen festen Rhythmus solcher Veranstaltungen fehlen. Daher nehmen sie nahezu überhand: Für 1925 sind 28 Gartenbauausstellungen überliefert.
Kuhdung und Klärschlamm
„Es gab keine einheitliche Systematik, keine Trägerstruktur – es waren singuläre Ereignisse, teils mit Messen verbunden“, weiß Sandner. 1930 versucht der Reichsverband des Deutschen Gartenbaus, Richtlinien zu erarbeiten. Allerdings wird der Verband durch die Nationalsozialisten nach deren Machtübernahme aufgelöst. Die Gärtner zählen nun, mit Landwirten und Winzern, zum „Reichsnährstand“ und sollen helfen, dass nicht so viele Lebensmittel importiert werden müssen. Bunte Blumen und Landschaftsbau sind daher nicht so gefragt.
Dennoch gibt es die ersten Reichsgartenschauen – erstmals 1936 in Dresden, dann 1938 in Essen und 1939 in Stuttgart. Die wird abgebrochen, als mit Deutschlands Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg beginnt.
Danach liegt Deutschland in Trümmern. Viele Gärten sind vernichtet, voller Schutt oder Bombensplitter. Wo es noch möglich ist, dienen öffentliche Grünanlagen ebenso wie Kleingärten dem Gemüseanbau – im Kampf gegen den Hunger. Und doch keimt schnell Hoffnung: Nur vier Monate nach Kriegsende gibt es in Erfurt, einem der Zentren des deutschen Gartenbaus, eine kleine Blumen- und Pflanzenschau und 1949 in Landau die „Süwega“, die Südwestdeutsche Gartenschau und 1950 die Deutsche Gartenschau auf dem zuvor von Bombentrichtern übersäten Killesberg in Stuttgart. Von dort führt eine Sesselbahn zum „Tal der Rosen“. Sie fährt bis 1986.
Bundespräsident kann nicht, Buga-Eröffnung verschoben
Die erste Bundesgartenschau mit diesem Namen findet 1951 in Hannover statt – im Gelände an der Stadthalle, die wieder aufgebaut wird, und in Nachbarschaft zur Messe. 21 Hektar umfasst die Veranstaltung – die Hälfte der Fläche des Luisenparks und die kleinste Gartenschau, die es je gab. „Die Stadt war noch vom Schrecken des Krieges gezeichnet, aber die Menschen wollten einen Neuanfang und wieder öffentliches Grün, auch wieder etwas Schönheit haben“, beschreibt Jochen Sandner das Ziel.
Die Vorbereitungszeit ist enorm kurz – erst im Januar 1950 wird der Vertrag abgeschlossen zwischen dem damaligen Zentralverband des Deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaus und der Stadt. Die Bundesrepublik ist schließlich gerade erst im Jahr davor gegründet worden. Bis April 1951 werden unzählige Kriegsschäden beseitigt, zur Bodenverbesserung 20 Waggons Kuhdung und 150 Tonnen Klärschlamm in die Erde eingearbeitet, Wege und Wasserflächen, Beete, Musterfriedhof und eine Baumschule angelegt, Bäume gesetzt und Blumen gepflanzt.
Elly Heuss-Knapp, die Frau des Bundespräsidenten Theodor Heuss, übernimmt die Schirmherrschaft – und weil ihr Mann sonst keine Zeit hätte, zur Eröffnung zu kommen, wird diese kurzfristig vom 21. auf den 28. April verschoben. Bis zum 31. Oktober, 187 Tage, kommen 1,6 Millionen Besucher – enorm viel für die Nachkriegszeit, in der die Menschen ja noch nicht so mobil sind.
Laut Sandner bringt die Bundesgartenschau Hannover „einen enormen Schub“ und sie sei, obgleich man das damals noch nicht so genannt habe, „ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprojekt“ gewesen. „Es ging damals schon um den Stadtpark, aber auch um Wohnungsbau und Verkehrsanbindung und eben darum, das mit viel öffentlichem Grün zu verbinden“, sagt Sandner.
Und durch die Gartenschau sei es gelungen, dass Thema öffentliches Grün ins Bewusstsein zu bringen. „Daher war die erste Gartenschau zunächst ein wichtiges Signal des Wiederaufbaus, der Lebensfreude und der Erholung, aber eben auch, um langfristig die Bedeutung von Grünflächen beim Städtebau zu unterstreichen“, meint Sandner.
Bundespräsident immer dabei
Das sei noch während der gesamten 1950er Jahre das Leitbild gewesen. 1953 will Hamburg eine Bundesgartenschau ausrichten, nennt sie dann aber Internationale Gartenbauausstellung, um an die erste derartige Veranstaltung 1869 anzuknüpfen. Das gelingt, „und seither gibt es den Turnus, dass alle zwei Jahre eine Bundesgartenschau stattfindet, alle zehn Jahre als IGA mit Beteiligung anderer Nationen als Aussteller“, erläutert Sandner.
In Hamburg übernimmt 1953 erstmals der Bundespräsident die Schirmherrschaft – und seither immer wieder. „Es zeigt, wie hoch das Thema politisch aufgehängt ist und wie groß die Bedeutung dieser Veranstaltung ist“, betont der Geschäftsführer. Die Hansestadt baut für die IGA die als „Planten un Blomen“ bekannte Parkanlage in Hamburgs Zentrum aus. Sie ist einst auf den Ende des 18. Jahrhunderts geschliffenen Wallanlagen errichtet und anlässlich der Niederdeutschen Gartenschau 1935 so getauft worden.
In Kassel spielt Kunst eine größere Rolle
Erstmals für eine IGA werden die Blumen nach Arten getrennt präsentiert, nicht auf nach Nationen getrennten Feldern. Anlässlich der Veranstaltung erhält nicht nur der Park eine neue Architektur mit geschwungenen Formen, einem Aussichtsturm, den Philipsturm, sowie Tropenhaus und Wasserlichtorgel im Parksee. Auch das öffentliche Grün in der gesamten Stadt, Spielplätze sowie die Friedhöfe werden aufgefrischt, erweitert, attraktiver gemacht und der Elbuferwanderweg neu angelegt. Fünf Millionen Besucher sind der Dank. Sie fliehen aus dem damals noch ziemlich grauen Alltag ins Grüne.
Schon die Hansestadt integriert in ihre Gartenschau eine Skulpturenausstellung zeitgenössischer Künstler. 1955, bei der Bundesgartenschau in Kassel, spielt das Thema Kunst dann eine noch größere Rolle. Eigentlich leidet die zu 70 Prozent im Krieg zerstörte Stadt damals darunter, dass – obwohl der Krieg zehn Jahre zurückliegt – der Wiederaufbau nicht richtig in Gang kommt.
Die Einwohnerzahl sinkt, es gibt kaum Unternehmen. Schließlich liegt die Stadt ganz nah an der Zonengrenze, wie die Grenze zur DDR damals noch genannt wird. Aber die Stadt wagt den Kraftakt – und er gelingt. „Der Impuls zum neuen Werden dieser toten Stadt ging von dieser Gartenschau aus!“ heißt es in der Bilanz der 2,9 Millionen Besucher zählenden Großveranstaltung.
Keimzelle der documenta
Aus einem Schuttberg mit Kriegstrümmern macht Kassel einen blühenden Hang mit 25 000 Rosen und schafft mit der wiederhergestellten Karlsaue einen Park – bis heute Ausstellungsort für die Freiluftobjekte der documenta, einer der wichtigsten Kunstausstellungen.
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Parallel zur Bundesgartenschau zeigt Kassel auf Initiative des Malers und Kunstprofessors Arnolf Bode in der Ruine des zerstörten Museums Fridericianum Kunstwerke seit dem frühen 20. Jahrhundert, die während der NS-Zeit als „entartet“ verfemt sind und nicht gezeigt werden durften. „Das war ursprünglich lediglich als kulturelles Begleitprogramm der Buga geplant – und hat sich so spektakulär entwickelt“, hebt Sandner hervor.
In Köln: Seilbahn über den Rhein gebaut
In Köln ist bei der Bundesgartenschau 1957 schon stark das Wirtschaftswunder spürbar. Es strömen 4,3 Millionen Besucher. Alles ist sehr üppig bepflanzt entlang der zuvor verwahrlosten rechtsrheinischen Rheinaue zwischen Messe und Mülheimer Hafen, die als neues Naherholungsgebiet entsteht und zugleich bewusst der Industrie wie auch der Messe, die sich ausdehnen wollen, entzogen wird.
Und neben hoch emporschießenden Fontänen und rosa Flamingos entsteht die Rheinseilbahn zum linken Ufer – die erste Seilbahn in Europa, die über einen Fluss gespannt wird. Neu ist ebenso ein Jugendpark mit Spiel- und Sportgeräten und Jugendhaus, womit sich eine Buga erstmals an die jüngere Generation wendet.
Ab 1970er: "Das Grün wird demokratischer"
Der Wohlstand wächst, und nun werden die Bundesgartenschauen immer größer. Dortmund schafft 1959 den Westfalenpark und den Fernsehturm – mit seinen 219,6 Metern damals das höchste Gebäude Deutschlands. Diese Bundesgartenschau umfasst 60 Hektar, die 1961 in Stuttgart im Oberen und Mittleren Schlossgarten schon 70 Hektar. Die große, geschwungene Beton-Fußgängerbrücke verbindet bis heute beide Grünanlagen.
Mit den Jahren wandeln sich die Gartenschauen – wie sich die Gesellschaft wandelt. Sind Schilder „Rasen betreten verboten“ anfangs selbstverständlich, so „wird ab den 1970er das Grün demokratischer“, so Sandner, und eine Bundesgartenschau der Motor zur Schaffung von in Grünanlagen eingebettete Wohngebiete Spiel- und Sportflächen oder großen Liegewiesen. Die Mannheimer Buga 1975 mit dem neuen Wohngebiet Herzogenried, den vielen neuen Spielplätzen sowie der großen Freizeitwiese im Luisenpark sei dafür ein gutes Beispiel. „Nach der Phase des Wiederaufbaus geht es nun einfach um mehr Lebensqualität“, so der Geschäftsführer.
Ab den 1990er Jahren erleben die Bundesgartenschauen einen neuen Aufschwung – Cottbus richtet 1995 die erste Buga nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern aus, gefolgt von Magdeburg 1999, Potsdam 2001 und Rostock 2003, dazwischen 1997 Gelsenkirchen auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche und einer stillgelegten Kokerei. „Jetzt dienen Gartenschauen dazu, Industriebrachen oder einen früheren Truppenübungsplatz wie in Magdeburg durch Grün neu zu beleben“, erklärt Sandner.
Buga25 in Rostock fällt aus
Seit den 2000er Jahren spiele die Ökologie eine immer größere Rolle, ebenso die Stärkung von innerstädtischem Grün oder die Öffnung von Städten zum Wasser wie in Schwerin 2009, Koblenz 2011 oder Heilbronn 2019. Aus Sicht von Sandner hätten sich Gartenschauen jedenfalls „über Jahrzehnte als intelligentes, nachhaltiges Instrument der Stadtentwicklung bewährt“, was sich ja daran zeige, dass alle dadurch geschaffenen Grünanlagen bis heute gut erhalten würden – wenn auch nicht alle mit Eintritt.
Auch bei den Besuchern sei „Gartenschau“ eine „stets erfolgreiche, bekannte und zugkräftige Marke“, die viele Millionen Menschen mobilisiere. Sandner zweifelt daher nicht daran, dass diese Marke ihr hundertjähriges Jubiläum 2051 erreicht. Zwar fällt 2025 aus, weil Rostock die Ausrichtung unter dem Eindruck von Corona und Ukraine-Krieg ganz kurzfristig abgesagt hat. „Aber wir haben es seit 1951 alle zwei Jahre geschafft und haben jetzt schon konkrete Interessensbekundungen von Städten bis 2039“, hebt er hervor.
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